Staubige Handwerker und ein Loch in der Wand

Unter dem Briefkastenschlitz steht mit Edding „Für Liebesbriefe.“ Was ich einwerfe, ist leider kein Liebesbrief, sondern ein „Leistungsauftrag“ an die Beihilfestelle NRW (LBV). Als privat versicherter Beamter bekomme ich alle Arztrechnungen, muss sie zuerst bezahlen und kann mir 70 Prozent der Summen vom LBV erstatten lassen. 30 Prozent erstattet auf Antrag die private Krankenversicherung (KV). Die Konstruktion hat den geringen Vorteil, dass ich sehen kann, was Ärzte abrechnen. Als nach meinem Beinbruch die Chefärztin der Radiologie kam, um guten Tag zu sagen, wusste ich, das gibt eine saftige Rechnung. Rechnungen schickte auch, wer mir aus der Ferne zugewinkt hatte.

Der Nachteil der Regelung 70 Prozent LBV, 30 Prozent KV ist der Verwaltungsaufwand. Alles muss doppelt beantragt werden. Die KV bietet inzwischen die Möglichkeit, den Leistungsantrag online einzureichen. Das habe ich heute getan, weil mir Antragsformulare fehlten. Das spart Briefporto, hat aber den Nachteil, dass ich nicht zum Briefkasten gehen muss. Der Briefkasten vor der Post ist für mich, was dem Hundebesitzer der Hund ist, er zwingt mich vor die Tür. Außerdem ist es ein erhabenes Gefühl, dem Briefkasten mit fertig ausgefüllten Anträgen das Maul zu stopfen.
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Abendbummel online – Die Hexe wars

Die Maskenpflicht in Geschäften verhüllt das menschliche Gesicht, „…die für uns Menschen unterhaltendste Fläche auf der Erde … “ (Lichtenberg). Viele Kunden tragen zu dieser Jahreszeit zusätzlich eine Kopfbedeckung, zeigen also noch weniger von sich. Von der Bäckereifachverkäuferin werde ich trotzdem bevorzugt bedient. Wie kommt es trotz maskierter Gesichter zu Sympathie? Dient das Anschauen des menschlichen Gesichts vorrangig der Unterhaltung? Sind bei Sympathie und Antipathie ganz andere Signale wirksam? Draußen schiebe ich mir die Kapuze über die Mütze, denn es regnet; vielmehr pieselt es mehr oder weniger heftig.

Ich habe ja früher schon geargwöhnt, dass über Hannover das Wetter einfach einschläft. Daher hatten wir hier schon lange keinen echten Regen mehr, vom ergiebigen Landregen, für den es sogar eine DIN gibt, ganz zu schweigen.

Als ich Kunstlehrer war, diente mir ein Parkplatz dazu, den Unterschied zwischen Bunt und Farbig zu erklären: Wenn Autofahrer ihr Auto willkürlich auf einem Parkplatz abstellen, ist die Draufsicht bunt. Steht am Eingang ein kunstsinniger Parkwächter und weist die Autofahrer je nach Farbe ihres Autos einer bestimmten Parkplatzregion zu, ist die Draufsicht farbig. Auf dem Parkplatz hinter der Postfiliale Lindener Markt fällt mir auf, dass mein Beispiel nicht mehr zeitgemäß ist. Bei der eintönigen Farbgebung heutiger Autos überwiegt die Palette von Weiß über (Silber-) Grau zu Schwarz. Was ist der Grund? Trägt die Automobilgesellschaft Trauer? Meinetwegen.

Ich bin trotzdem frohgemut, denn ich konnte mich in der Postfiliale erfolgreich einer Bringpflicht entledigen. Vor gut 40 Jahre habe ich die Schülerin Monika Thorwart in Kunst unterrichtet. Inzwischen ist sie bildende Künstlerin und schickte mir erneut einen von ihr gestalteten Kalender, heuer etwas spät im Januar, aber Grund, sich zu freuen. Zum Dank schickte ich ihr eins meiner Bücher.
(Grafik zum Vergrößern bitte klicken)

Erfreulich auch, dass mein Rücken kaum noch schmerzt. Am Sonntag schoss mich nämlich die Hexe. Darf man heute noch Hexenschuss sagen oder heißt derlei Lumbago? Während meine Liebste noch am Dienstag einen Großeinkauf für mich gemacht hat, kann ich heute schon wieder einen kleinen Einkauf auf dem Rücken tragen. In der akuten Schmerzphase schickte ich an einen hannoverschen Schreibgerätehersteller eine unfreundliche Mail wegen dessen Newsletter. Man hatte darin den gesamten Text zentriert, was typografischer Unsinn ist:

Heute nun die Antwort:

Versehentlich typografischen Mist gebaut – kann man vielmals entschuldigen. Und ich freue mich über meine erfolgreiche Intervention und entschuldige mich vielmals für den versehentlich harschen Ton meiner E-Mail. Schuld war Hexe Lumbago.

Guten Abend

Über Schreibmaschinen und Suppe

In meinem Kopf geht mal wieder einiges durcheinander. Nichts fügt sich, kein Gedanke will Verantwortung übernehmen. Statt zu sagen, ich gehe hurtig voran, wer will, kann sich ja anschließen, drucksen alle Gedanken herum und warten darauf, dass sich einer erbarmt.
Im Fernsehen sah ich einen Spielfilm über Astrid Lindgrens frühes Leben. Mit 18 etwa tippte sie zum ersten Mal auf einer Schreibmaschine, und der erste Buchstabe, der unter ihrem Tastenanschlag auf dem Papier erschien, war das große V, so im Film. Was ist besonders am V? Es ist ein sogenannter Halbvokal. In der römischen Capitalis konnte V auch den Lautwert U haben. Erst im 18. Jahrhundert wurde im lateinischen Alphabet V und U deutlich unterschieden. V kann also den Lautwert von U oder F annehmen. Der deutsche Maler Louis Corinth pflegte seine Bilder mit dem römischen Halbvokal V = LOVIS zu signieren, woraus die vom Maler angenommene Aussprache Lovis wurde.

Aber darum geht es nicht, es geht um die Faszination Schreibmaschine. Wie ein Typenhebel kraftvoll aufs Farbband schlägt und einen unverrückbaren Abdruck auf dem Papier hinterlässt, diese Faszination ist uns mit der digitalen Schreibmaschine abhanden gekommen. Ich weiß, dass die digitale Schreibweise viele Vorzüge hat. Man erinnere sich, wie mühsam einst die Korrektur war. Es gab diese Tipp-Ex-Blättchen für kleine Korrekturen. Man fuhr den Wagen an die zu korrigierende Stelle zurück, schaltete das Farbband aus und tippte den Fehler nochmals mit dem untergelegten Blättchen Tipp-Ex. Dann konnte man die so geweißte Stelle neu überschreiben.

Nebenbei wäre zu fragen, welche kulturellen Folgen Tipp-Ex-Korrekturen hatten, schließlich musste man einen getippten Fehler quasi bekräftigen, wo fälschlich stand: „der Verstand fehlte noch“, statt “ der Vorstand fehlte noch“, da musste man das e nochmals tippen, bevor das o möglich wurde, wodurch dem Vorstand auf immer der fehlende Verstand aufgeschrieben ward.

Größere Passagen wurden mit flüssigem Tipp-Ex eingepinselt und konnten erst überschrieben werden, wenn die weiße Farbe getrocknet war. Und wie oft war eine Korrektur hoffnungslos. Dann musste die Entscheidung fallen, eine ganze Passage neu zu schreiben und damit die alte zu überkleben. Die spätere Fotokopie egalisierte die Textcollage. Doch manchmal blieb nur das neue Schreiben einer Seite und das, wo ich nach dem polizeibekannten Terroristensystem schreibe: „Jede Sekunde ist mit einem Anschlag zu rechnen.“ Anders in dieser prasselnden Demonstration des Zehnfingerschreibens durch die Berliner Bloggerin Mikage fürs Teppichhaus Trithemius bei Blog.de:


YO!

Was macht die Faszination der mechanischen Schreibmaschine aus? Es ist die Wertigkeit jedes einzelnen Buchstabens. Vor allem: Jede getippte Seite ist ein Original, während ein digitales Dokument nichts ist. Und ist nicht der Wagen der Schreibmaschine mit seinem Wandern, Anschlag für Anschlag auch wie die Lokomotive, die Lore um Lore die Gedankenfolgen aufs Papier zieht?

Noch immer lungern die Gedanken untätig herum. Noch immer wartet eins auf das andere. Drum wars das, liebe Leute. Mehr bringe ich heute nicht hervor. Nachzutragen wäre, dass ich heute zu zweiten Mal Linsensuppe gekocht habe und dass sie beim zweiten Mal besser gelungen ist als zuvor. „Da könnte ich mich reinsetzen“, sagte einst eine Freundin, wenn sie lecker gekocht hatte. In all den sieben Jahren unseres Zusammenseins habe ich den Sinn nicht begriffen, und ich verstehe ihn heute noch nicht. Niemand soll sich erfrechen, sich in meine gute Linsensuppe zu setzen.

Kurze Eselsbrücke von Borkum nach Wangerooge

Meinem Aufruf, einen neuen Merksatz für die Abfolge der ostfriesischen Inseln von West nach Ost zu erfinden, sind fünf Bloggerinnen/Blogger gefolgt. Heraus kamen kreative Neuschöpfungen, die mich erfreut und erheitert haben. Vielen Dank euch allen. Inzwischen sind mir die Inseln geläufig, was natürlich nicht einem Merksatz allein zu verdanken ist, sondern allen Sätzen. Überhaupt scheint es mir eine gute Lernmethode zu sein, für ein Phänomen kurze Eselsbrücken zu erfinden. Der Merksatz für die ostfriesischen Inseln von links nach rechts: Borkum – Juist – Norderney – Baltrum – Langeoog – Spiekeroog – Wangerooge.
Hier die Sätze in der Reihenfolge ihres Eintreffens:

Berühmter Jurist nölt betrunken lallend seltsame Weisen. freiedenkerin

Bart Ist Nach Baltigem Langwachstum Schnell Wegzurasieren castorpblog

Bis jeder Norddeutsche beim Langlauf [Lügen, Lammentieren] Sieger wird. gkazakou

Bin Jede Nacht Besoffen, leider sogar Weihnachten. Lo

Boris Jelzin nuckelt bedächtig langsam seinen Wodka. Herr Ösi

Mit dem Ruderboot von Borkum nach Wangerooge

Kürzlich habe ich recherchiert, ob es in Cuxhaven Buhnen die kuriose Kneipe Aale Peter noch gibt, wo ich im November 2010 auf Forschungsreise eingekehrt bin. Besagter Aale Peter ließ sich am frühen Abend vertreten. Der Vertreter gab an, sein Chef werde bald kommen, er sei noch mit dem Ruderboot vor Helgoland, um die Aalreusen einzuholen. Selbst ich Landratte habe nicht geglaubt, dass jemand im Finstern noch gut 70 Kilometer über die stürmische Nordsee rudern und zeitig eintreffen kann. Als Aale Peter gegen 20 Uhr auftauchte, sah er aus, als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen. Trotzdem lautet die Antwort auf die Frage: „Welcher Seemann Liegt Bei Nacht im Bett?“ nicht Aale Peter.

Nachdem wir im letzten Jahr im Teestübchen Eselsbrücken zusammen getragen haben, schickte mir Blogfreundin socopuk ein Büchlein des Dudenverlags mit gesammelten Eselsbrücken. Der Autor dieses launigen Büchleins ist Wolfgang Riedel, Professor für Cultural Studies in Mainz. Da ich kürzlich auf Norderney gewesen bin, interessierte mich besonders die Eselsbrücke: „Welcher Seemann Liegt Bei Nacht im Bett?“, mit der sich Lage und Abfolge der ostfriesischen Inseln memorieren lässt, beginnend von Ost nach West, also: Wangerooge, Spiekeroog, Langeoog, Baltrum, Norderney, Juist, Borkum. Hier der Abschnitt aus dem Buch:

Mich irritiert, dass die Inseln im Merksatz von Ost nach West, also von rechts nach links aufgezählt werden, was ja der bei uns üblichen Leserichtung widerspricht. Den Professor Wolfgang Riedel irritierte offenbar, dass der Buchstabe i für Juist steht. Er findet ein i im Wortinnern („mittiges i, immerhin“). Wohlgemerkt, es geht um ein Buch aus dem renommierten Dudenverlag. Im Impressum zeichnet eine dreiköpfige Redaktion. Wenigstens eine(r) der Beteiligten sollte wissen, dass in der Römischen Capitalis, der Mutter unserer Großbuchstaben, J und I ein Buchstabe sind, I demnach ein Halbvokal war, aus dem sich J erst spät entwickelt hat. Gelesen I, gesprochen J, zeigt sich auf alten Karten an. (aus: Wikipedia)

Nachdem diese Irritation aufgelöst ist, fehlt nur noch ein besserer Merksatz, der die Inseln von links nach rechts benennt, also in der Abfolge Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog, Wangerooge. Wer erfindet einen? Aale Peter und seine weiter bestehende Kneipe müssen nicht vorkommen 😉

Teestübchen intern

Die Vignetten am Anfang meiner Texte zeigen die jeweilige Rubrik an. Sie stammen zum Teil noch aus Blog-de-Zeiten. Wenn es möglich ist, setze ich den ersten Textabschnitt bündig daneben, (was freilich auf kleineren Bildschirmen wie Tablet und Smartphone nicht zu sehen ist). Das zwingt mich oft, den ersten Abschnitt zu kürzen. Seit geraumer Zeit gestalte ich neue Vignetten größer (215 * 296), denn ich finde ich die frühen Vignetten zu klein (106 * 150). Aber eine schlichte Vergrößerung macht die Motive unscharf. Auch hatte ich die oft verwendete Schrifttype nicht mehr und ich wusste nicht mal mehr ihren Namen. Kürzlich entdeckte ich eine alte Datei (*.psd), in der die Schriftebene noch zugänglich war.

Photoshop zeigte den Namen der Schrift an, Gill sans mt pro bold extra condensed, und ich konnte sie mir aus dem Netz besorgen. Nachdem ich die Bildmotive wieder aufgesucht hatte, war eine Vergrößerung möglich.


Es wäre vielleicht nicht aufgefallen, wenn ich die Motive einfach vergrößert hätte. Doch leider kann ich derlei nicht gelten lassen. Was formale Gestaltungsaspekte betrifft, bin ich Perfektionist. Und sollte ich der einzige sein, den eine schwammige, matschige Darstellung stört, ist es schon einer zu viel.

Hallo Spencer!

Eine Filmbesprechung von Andrea Heming ließ uns ins Kino gehen und den Film „Spencer“ anschauen. Spencer, das ist nicht der im letzten Jahr verstorbene Rockmusiker Spencer Davis von der Spencer Davis Group (Keep On Running, Somebody Help Me, I’m a Man), auch nicht „Hallo Spencer“, die Puppenspielserie mit Klappmaulfiguren des NDR („Hallo, liebe Leute, von A bis Z, (…) da bin ich wieder, euer lieber guter alter Spencer!“), nein, es geht um Diana, Princess of Wales, geborene Diana Frances Spencer. Dargestellt von der Schauspielerin Kristen Stewart, sehen wir sie in der Phase ihrer Ablösung von Prinz Charles und dem britischen Königshaus an den Weihnachtstagen des Jahres 1991.

Der ich nicht so vertraut bin mit gekrönten Häuptern und den Irrungen und Wirrungen in Königshäusern, hatte ich doch nach wenigen Szenen verstanden, dass Frau Spencer an Essstörungen leidet, enttäuscht von ihrem Ehemann und ihm entfremdet ist und sich beim besten Willen nicht mehr in das Korsett der höfischen Etikette zwingen kann, die einen engen Ablauf der Weihnachtstage vorsieht. Das wird symbolisiert durch einen Ständer voller Kleider, die für jeden Anlass und jeden Tag festgelegt sind.

Kristen Stewart agiert im Fokus, alle anderen sind Staffage. Als sie zum dritten Mal nicht anziehen mag, was ihr vorbestimmt ist und dem Ruf zum jeweiligen Fressgelage nicht folgen kann, hatte ich eigentlich genug gesehen. Da wurde es für den Betrachter genauso quälend wie für alle Beteiligten. Quälerisch auch das sich zum Furioso steigernde Cello-Gejaule. Wir können aufatmen, als Frau Spencer, ganz Tierschützerin, die königliche Bagage beim Abknallen von Fasanen stört, die beiden Söhne einsammelt und zu „ All I Need Is A Miracle“ des Genesis-Gitarristen Mike Rutherford im Porsche davon rauscht. In der letzten Szene sieht man die drei glücklich bei einem Fastfood-Laden „Hühnchen“ essen. Pech für die Hühnchen, dass Mitleid nur für Fasanen aufkommt.

Vom Abwerfen beschwerlicher Packen durch Überwindung der Prokrastination

Beinah hätte ich einen Packen abwerfen können, der mich erstaunlich gedrückt hat. Erstaunlich deshalb, weil schon das Heruntergleiten das Trageriemens von einer Schulter mich befügelte. Beschwingt erledigte ich mein Tagesgeschäft und war guter Dinge. Eigentlich habe ich die Prokrastination von Verwaltungsarbeiten einigermaßen im Griff, aber wenn’s um Steuersachen geht, bin ich gelähmt. Wie viel Kraft mir die Sache abgezogen hat, merke ich erst, als sie getan ist. Man muss eine hinaus geschobene Sache in einem unbedachten Augenblick anfangen und nicht denken, dass man die Sache erledigen wird. Das lässt den Dämonen der Prokrastination arglos weiter schlummern.

Bevor er also etwas mitbekam, war die Sache weit genug gediehen, dass ich mir ebenfalls einen Mittagsschlaf genehmigen konnte. Mit dem Aufwachen war mir klar, was noch erledigt werden musste. Ich suchte die Leistungsbescheide von Beihilfe und Debeka hervor und zählte zusammen, was mir diese fürsorglichen Einrichtungen von den Folgekosten meines Beinbruchs nicht erstattet hatten. Da geht es um Tausende. Klein, ja mausklein sind hingegen die Honorare für meine Bücher. Ich listete sie nur auf, weil allein die gesetzlich verlangte Einlieferung aller Bücher bei der niedersächsischen Landesbibliothek meinen Gewinn übersteigt. Die muss ich nämlich selbst bezahlen, anders als die Exemplare für die Nationalbibliothek.

Da fällt mir eine lange prokrastinierte Sache ein, die ich bis eben nicht mehr auf dem Schirm hatte. Da mein Sachbuch „Buchkultur im Abendrot“ von zahlreichen deutschen Universitätsbibliotheken und Bibliotheksverbünden angeschafft worden ist, könnte ich mehr als Tausend Euro Honorar von der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort bekommen, wenn ich mir die Mühe machen würde, einen Antrag auszufüllen.

Liste der Bibliotheken im Besitz der Buchkultur – Screenshot – größer klicken!

In Gelddingen bin ich leider schwerbehindert, desgleichen was Selbstvermarktung betrifft. Allein im Wort steckt soviel neoliberaler Ungeist, dass ich kapitulieren muss. Das hindert mich übrigens nicht, ein weiteres Buch zu machen. Unsereins tut so etwas für Gotteslohn, auch als Atheist. Als ich eine Woche auf/in Norderney war, bin ich nicht faul gewesen, sondern habe ein neues Manuskript schräger Geschichten fertiggestellt. Derzeit wird es lektoriert. Einen Titel habe ich noch nicht. Man wird sich noch gedulden müssen. Einstweilen verweise ich auf bereits im Buchhandel erhältliche Bücher.

Ach so, den Packen wurde ich nicht los, weil die Türklingel meiner Steuerberaterin nicht funzte und ich mal wieder mein Mobiltelefon nicht bei mir hatte, so dass ich nicht anrufen konnte, um zu sagen, dass ich vor der Tür stand.

Hurtig über die Wieze und zurück

Bei einem Bummel zum Flüsschen Wieze, entlang und drüber hinweg geraten wir in den südlichen Randbezirk der Gemeinde Isernhagen. Der Name geht auf das Raseneisenerz zurück, das schon im Mittelalter nahe der Wieze gefunden und verhüttet wurde. Seit ich nach einem komplizierten Bruch des Unterschenkels sieben lange Wochen im Rollstuhl saß und vier Wochen in einem Isernhagener Pflegeheim zur Kurzzeitpflege war, verbinde ich mit Isernhagen traumatische Erfahrungen. Die möchte ich loswerden. Das dürfte mir nicht schwer fallen, nachdem ich wieder auf zwei Beinen munter ausschreiten kann. Aus der erweiterten Perspektive fällt mir die Protz- und Klotzarchitektur des Ortsteils auf.

Ein Anwesen mit schmiedeeisernem Tor vor der Auffahrt hat weder einen Namen am Klingelschild noch am Briefkasten. Nur ein kleines Messingschild verbittet sich Werbung – ganz vornehm auf Französisch. Viele der Neubauten des Viertels zeigen, dass Reichtum nicht unbedingt mit Stilempfinden einhergeht. Hat einer den Eingang seiner protzigen Villa mit zwei dorischen Säulen geschmückt, tut es der Nachbar nach, obwohl sein Haus kleiner ist und die Säulen noch weniger verträgt. Doch selbst „kleine“ Bauten reichen in der Regel für eine 12-köpfige Familie, auch wenn nur zwei Leutchen drin leben.

Das ist wohl der „Isernhagener-Standard“, von dem die Lokalpresse schreibt. Tatsächlich ist Isernhagen nach dem durchschnittlichen Einkommen seiner Bürger die reichste Gemeinde Niedersachsens. Dieser Reichtum scheint sich besonders im Süden zu ballen. Auf dem Gehsteig werden wir freundlich gegrüßt. Man ist hier unter sich und manierlich, zumindest auf der Straße. „Stroßeengele sin Huusdüvele“ (Straßenengel sind Hausteufel), sagt man im Rheinland, wobei ich niemandem etwas nachsagen möchte, denn ich kenne hier keinen. Sei’s drum. Ich bin stolz, eine Wanderung von fast sieben Kilometern schon zügig bewältigen zu können, die meine Rollstuhlzeit vergessen macht.

Immerhin behalten wir die Zacken

Es ist noch dunkel, als wir zur Rückreise aufbrechen. Am Abend und die ganze Nacht über hat es gestürmt. Beim Abendbummel war der Wind über meine Stirn unter die Strickmütze gefahren und hatte sie abgestreift, auch jetzt, als wir mit Koffern an der Bushaltestelle stehen, bläst er noch heftig durch die Straße. Eine Frau im Mantel quert sie, um die Stufen zur matt beleuchteten Bäckerei hinauf zu steigen. „Gute Heimfahrt!“, ruft sie uns zu. An den letzten Tagen habe ich immer wieder Rückreisende mit Koffern an den Haltestellen gesehen und ein leises Gefühl des Triumphs verspürt, es ihnen noch nicht gleich tun zu müssen, habe aber nichts gesagt. Die Frau hat das Gefühl beispielhaft sublimiert.

Der Bus erscheint pünktlich, dreht auf dem Weg zum Hafen seine Runde durch den Ort und sammelt wie ein Lumpensammler Heimreisende mit Gepäck ein. In der Abfahrtshalle der Fähre versperrt eine Reihe von Drehkreuzen den Weg. Sie geben ihn frei, wenn man die Rückfahrkarte unter einen Scanner hält und auch nur dem, der die Kurtaxe auf den Fahrschein gebucht hat. Es soll sich keiner drum drücken, findet die Kurverwaltung. In der Halle ein Drehständer mit kostenlosen Ansichtskarten. „Wieder nicht daran gedacht, Ansichtskarten zu schreiben?“, steht dran. Gute Marketing-Idee der Kurverwaltung. Wir decken uns mit den verschiedenen Motiven ein. Es ist hübsch, auf der im Seegang sanft schaukelnden Fähre, Ansichtskarten zu schreiben. Zum neuen Jahr ist das Porto erhöht worden. Das zwingt zur Doppelfrankierung mit Postkartenmarken oder mit denen für Briefe.

Die neuen Marken haben seitlich einen QR-Code. Er macht das Tracking von Briefsendungen möglich. Der Kunde kann den Code scannen und den Weg der Post verfolgen. Ob eine Sendung eingetroffen ist, lässt sich allerdings nicht feststellen. Dafür ist noch immer das Einschreiben erforderlich. Der Nutzen für Postkunden ist eher gering. Der Code soll die Mehrfachnutzung einer versehentlich ungestempelten Marke verhindern. Was die Post sonst noch mit den anfallenden Daten macht, gibt sie nicht bekannt. Immerhin werden die Adressaten mit den Handydaten der Absender verknüpft, wodurch auf Dauer ein gigantisches Soziogramm entsteht. So dringen QR-Codes immer mehr in unser Leben ein und killen das Private.

Der in die Öffentlichkeit gezerrte Philatelist kann allerdings mit dem Code Information über das Markenmotiv abrufen. Bemerkung am Rande über Ränder: Einst waren die Marken auf Bögen gedruckt und mit einer Lochperforation getrennt. Beim Abreißen entstanden die typischen Briefmarkenzacken. Die selbstklebenden Marken sind durch einen Steg voneinander getrennt und einzeln perforiert. So behalten sie ihre Zacken, obwohl es technisch überflüssig ist, ein Zugeständnis an alte Formgewohnheiten.

Über unsere Rückreise mit der Bahn und eine weitere Begegnung mit QR-Codes ist schon hier berichtet.