Schreiben wie im Mittelalter – „Von der schuldigen Ehrfurcht bei der Pflege der Bücher“ 14 Bloggerinnen und Blogger haben das 17. Kapitel des Philobiblon abgeschrieben

Das Ergebnis unseres Schreibprojektes ist hier zu betrachten. Ich danken allen Beteiligten herzlich für die termingerechte Einsendung. Es gehört Mut und Überwindung dazu, sich derart zu exponieren, weil wir daran gewöhnt sind, unsere Worte in die anonymen Formen technischer Schrift zu kleiden. Einige völlig wertfreie Bemerkungen zum Ergebnis: Die Vielfalt der Handschriften ist beeindruckend. Ihre generationenübergreifende Gesamtschau hat eine eigene Ästhetik und ist eine einmalige Dokumentation des Zustands heutiger Handschriften.

Die Eckpunkte dieser Dokumentation bilden eine Handschrift in Kurrent und einige moderne Druckschriften. Deutlich zeigt sich, wie sich die Didaktik der Erstschriften über die Zeiten verändert hat. Handschriften, denen die Lateinische Ausgangsschrift (LA) zugrunde liegt, lassen die Ausgangsformen noch gut erkennen, weil sie in der Schule noch nach dem Gesichtspunkt der Formtreue benotet worden sind. Die Kurrent wurde grundsätzlich formgetreu geschrieben. Einer Handschrift liegt vermutlich Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) zugrunde. Sie wird seit den 1980-er Jahren gelehrt. Einige Handschriften haben sich völlig vom Formenballast der LA oder VA getrennt und sind im landläufigen Verständnis Druckschriften, wie sie nach dem Willen des bundesweiten Grundschulverbands zukünftig nur noch gelehrt und gelernt werden sollen.

Ich würde mich freuen, eure Meinung zum Projekt zu lesen. Wie war das Abschreiben, fühltet ihr euch in die Rolle eines mittelalterlichen Kopisten versetzt? Wie seid ihr mit der Fraktur zurechtgekommen? Wie beurteilt ihr euren Textabschnitt sowie den ganzen Text? Hättet ihr Lust auf ein weiteres Projekt und wie sollte es aussehen?

Zum Anschauen bitte anklicken!


Mitgemacht haben (in der Reihenfolge der Abschriften):
Feldlilie
Cornelia
Daniel
Marana
Peter
Christa
Mitzi
Anna
Emil
Sabine
Jaelle Katz
Trithemius
Stefanie
Wortmischer
Cristina

[Edit: inhaltlich fehlte ein Anschluss, weil der vorletzte Abschnitt zweimal vorliegt. Ich habe den fehlenden Abschnitt ergänzt und mich beim Schreiben diszipliniert, um ein besseres Ergebnis zu bekommen.]

Den Affen gehts gut – sind glücklich tot

„Eine Affenschande“ titel heute die Bildzeitung. Und Tagesschau.de veröffentlicht das Bild eines zerknirscht schauenden Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller mit der frohen Botschaft: „VW kündigte an, in Zukunft auf Tierversuche zu verzichten.“ Das klingt nebenbei, als wären Tierversuche bei VW in der Vergangenheit immer üblich gewesen. Ein neuerdings um das Wohl von Affen besorgter Tagesschau.de-Forist fragt: „Wie geht es denen eigentlich???“, während sich ein anderer zu der komplett ahnungslosen Behauptung aufschwingt „Keiner ist dabei gestorben.“

Quelle: Tagesschau.de


Die scheinheilige Aufregungsunkultur bei der Bildzeitung, ein Vorstandsvorsitzender, der mal wieder nichts gewusst hat, oder die Naivität der Foristen, alles ist gleichermaßen deprimierend. Vivisektion bedeutet, dass nach Abschluss einer Versuchsreihe sämtliche Versuchstiere getötet werden, auch wenn sie körperlich unversehrt geblieben sind und nicht durch bestialische Eingriffe dauerhaft geschädigt wurden. Man tötet die Versuchstiere, weil sie in wissenschaftlicher Hinsicht verbraucht sind. Ihr erneuter Einsatz in einer Versuchsreihe könnte das Ergebnis verfälschen, wobei die Aussagekraft von Tierversuchen ohnehin umstritten ist, nicht nur, wenn Affen Dieselabgase einatmen müssen.

Ein Wort noch zur Bildzeitung. Im Februar 2014 stellte Bild einen „herzlosen Zoochef zur Rede“, den Dänen, der die Tötung des „Giraffen-Jungen Marius“ und dessen Verfütterung an die Raubtiere zu verantworten hatte. Wie hier die Volksseele zum Sieden gebracht und wieder heruntergekühlt wird, ist ekelhaft. Es hilft nichts, sich von Bild was in die Tasche lügen zu lassen. Letztlich scheint es doch so zu sein, dass der Verzehr von Fleisch den Menschen abstumpft gegenüber dem Leid anderer Lebewesen, und er ist bereit, zu seinem Genuss jegliche Barbarei zu akzeptieren. So ist der brutale Umgang mit dem Tier alltägliche Praxis in unseren Gesellschaften. Wer eingekerkerte Raubtiere im Zoo besichtigen möchte, ist auch Täter, nicht allein ein Zoodirektor, der ihm das ermöglicht. Wer Huhn essen will, begünstigt auch das Kükenschreddern. Wer sich um das Wohlergehen der VW-Versuchsaffen sorgt, glaubt auch, dass Raubtiere im Zoo oder Zirkus mit Reiswaffeln gefüttert werden. All dieser unfassbare Selbstbetrug, man denkt nicht, es mit vernunftbegabten Erwachsenen zu tun zu haben.

Letztlich wird die „Affenschande“ VW nicht schaden. Es hat einen morbiden Charme, ein Auto aus einem Konzern zu fahren, der aus Nazi-Ungeist entstanden ist und in schauerlicher Tradition VerBegasungen anordnet, ohne dass sich irgendein Verantwortlicher findet – im Zirkus des schlechten Geschmacks.

Von hilflosen Luftstreichen

In den letzten Tagen habe ich meine Umwelt mehr hingenommen als bewusst registriert. Es überwiegt der Eindruck des Bleiernen. Das Grau des Bleis korrespondiert mit dem nicht endenden Grau des Himmels, die Bleischwere entspricht der Unbeweglichkeit der Tage, eigentlich dem Stillstand beim Hellwerden. Mag sein, dass es Anfang Januar noch später am Morgen hell geworden ist. Aber ich spüre den Unterschied nicht. Der Blick weiter weg nach draußen ins noch junge Jahr ist ebenso unerquicklich.
Es enthüllt sich:

– Missbrauch und Vergewaltigung von Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen. Soweit es Schauspielerinnen und mutmaßliche Täter wie Weinstein in den USA und Dr. Wedel in Deutschland betrifft, haben viele davon gewusst und es geduldet. Deprimierend auch das Verhalten der Frauen. Wenn alle im Umfeld Bescheid gewusst haben, dann haben zumindest einige die Gefahr sehenden Auges in Kauf genommen, haben sich der Karriere willen gefügt. Ihre Fügsamkeit hat die Täter ermuntert, sich weitere Opfer zu suchen. Gut, dass dieser Teufelskreis jetzt durch die meToo-Debatte durchbrochen zu sein scheint.

Wir sehen weiterhin mit Verdruss
– eine außer Kontrolle geratene, auf Hochtouren drehende Rüstungsindustrie, und eine von Lobbyisten erpresste Politik erlaubt ihr, Waffen in Krisengebiete zu liefern, palavert aber in Sonntagsreden davon, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen.

– Die Autoindustrie offenbart ihre moralische Verkommenheit, indem sie Affen mit Dieselabgasen quält, um den Beweis anzutreten, dass die Abgase harmlos sind. Wird das enthüllt, entschuldigen sich die Manager und geben vor, davon nichts gewusst zu haben.

– Da sind sie wie wir. Was wir alle wissen können, aber nicht wissen wollen, ist die anhaltende Praxis der Vivisektion, was meint das Quälen, Töten und den Verbrauch von Tieren im Dienst wissenschaftlicher und pseudowissenschaftlicher Forschung. Das mussten im Jahr 2014 erschütternde 2,8 Millionen Versuchstiere erleiden. Sind nicht nur Affen, sondern auch Hunde und Katzen dabei.

– Was wir ebenfalls wissen können, sind die barbarischen Zustände in der AufzuchtProduktion von Tieren, deren Haltung und deren brutaler Transport zur Schlachtung. Davon gibt es Bilder, die einem eigentlich den Fleischkonsum verleiden sollten. Aber so vielen gelingt es zu verdrängen und einfach weiter Fleisch zu spachteln. Wenn sie sich andererseits noch als Tierfreunde gerieren, weil sie Hund oder Katze halten, zeigt sich die ganze Schizophrenie,

– Wir wissen von Krieg, Gewalt, Hunger, Leid und Hoffnungslosigkeit in vielen Ländern der Erde. Die unerträglichen Zustände lassen Menschen fliehen und dorthin wollen, wo wir, die Verursacher allen Übels leben. Viele erleben Gewalt, ertrinken im Mittelmeer oder kommen sonst wie um. Immerhin nennen wir sie nicht mehr „Neger“ und haben auch ein hübscheres Wort für alle auf der Flucht. Sie sind jetzt „Geflüchtete.“

In der Sprachkosmetik zeigt sich die ganze Hilfs- und Ratlosigkeit. Wir müssen uns eingestehen, dass der Mensch den eigenen moralischen Ansprüchen nicht gerecht wird. Die vorhandene Einsicht ins Bessere wendet sich ab vom Atavistischen, von den Neigungen und Verhaltensweisen des Höhlenmenschen. Wenn wir schon solche Ungeheuer sind, wollen wir es in unserem Umfeld wenigstens hübsch haben. Wie die Aktivistinnen der Strickguerilla alle phallischen Objekte mit bunten Verhüterli ummanteln, möchten wir bessere Wörter, auf dass sie unser Denken läutern, damit wir wenigstens anders denken und sprechen als fühlen und handeln, damit irgendetwas Symbolhaftes getan ist gegen Verhältnisse, die sich einfach nicht bessern wollen.

Sonntagmorgen beim Bäcker. Ein Mann reicht die mitgebrachte gebrauchte Brötchentüte über die Theke und lässt sie sich neu befüllen. Es wirkt lächerlich und zeigt unsere ganze Hilflosigkeit angesichts einer Welt aus den Fugen. Was von all dem ändert sich, wenn ein Wandgedicht übermalt wird? Was wir auch tun, es ist nicht mehr als urban knitting oder eine gebrauchte Brötchentüte zu benutzen.

Andererseits, aufzugeben und sich abzufinden, ist nicht die Lösung, denn das wusste schon Baltasar Gracián: „Alles Große ist schwer zu bewegen.“ Inzwischen ist es auch richtig hell geworden.

Schreiben wie im Mittelalter – Zu kopierende Textabschnitte

Feldlilie

Cornelia

Daniel

Marana

Peter

Christa

Mitzi

Anna

Emil

Sabine

Jaelle

stefanie

Wortmischer

Cristina


Liebe Kopistinnen und Kopisten,

ich habe die zu schreibenden Abschnitte nach Reihenfolge der Anmeldung vergeben. In der linken Spalte finden sich die Abschnitte, namentlich zugeordnet (zum Vergrößern bitte anklicken.) Ich empfehle, den Abschnitt in Originalgröße auszudrucken und als Vorlage zu nutzen. Hilfreich ist es, vor dem endgültigen Abschreiben einige Zeilen vorzuschreiben, um in den Schreibfluss zu gelangen. Schreibfehler passieren. Bitte nicht verzagen (im Mittelalter sah man das nicht so eng. Richard de Bury klagt über viele Unarten beim Umgang mit Büchern. Fehler spricht er nicht an.) Bitte nur durchstreichen und hinter dem Fehler neu schreiben. Auch Tintenkleckse einfach trocknen lassen.

Maranas Abschnitt liegt schon aus dem vergangenen Projekt vor. Marana hat sechs bis sieben Wörter je Zeile geschrieben. Selbst bei unterschiedlicher Schriftgröße sollte das als Maßstab dienen, wodurch wir den formalen Zusammenhang der unterschiedlichen Handschriften herstellen. Ich bitte, Blau oder Schwarz zu schreiben und auf sonstige Farben zu verzichten.

Die Handschrift bitte scannen. Nötig ist eine Datei mit 72 dpi. Wer über entsprechende Bildbearbeitungssoftware und Kenntnisse verfügt, kann den weißen Rand wegschneiden und die Datei auf Breite 660 Pixel verkleinern und mir entweder zuschicken, im eigenen Blog veröffentlichen (verlinkt zum Teestübchen, damit ich davon erfahre) oder sie in einen Kommentar platzieren. Wer seine eingescannte Datei nicht bearbeiten kann, möge sie mir per E-Mail schicken. Ich bringe sie dann auf Format. Abgabetermin ist Dienstagabend 24:00 Uhr, damit ich das Ergebnis unserer Gemeinschaftsarbeit am Mittwoch publizieren kann.

Und nun: Viel Vergnügen beim Schreiben!

Daten in Kürze
Zeile: sechs bis sieben Wörter
Farbe: Blau oder Schwarz
Papier: Weiß

Nach dem Scannen
Beschnitt: möglichst eng
Endformat: 660 Pixel Breite, Höhe variabel
Auflösung: 72 dpi
Dateiformat *.jpg oder *.gif
Abgabe: Dienstag, 30.Januar, 24:00 Uhr

Projekt „Schreiben wie im Mittelalter“ – Einiges über Handschrift und – Teilnehmerliste (Update)

Kloster Sankt Georgen in Stein am Rhein 0085
Unser imaginäres Skriptorium bevölkert sich, als würden aus allen Landesteilen die Kopisten anreisen. Dabei freut mich besonders, dass dieses Projekt generationenübergreifend ist. Auffallend auch, dass sich bislang überwiegend Frauen angemeldet haben, ein Sieg der Emanzipation. Vom Mittelalter bis Ende des 19. Jahrhunderts war Schreiben Männersache. Noch ein Unterschied: Mittelalterliche Kopisten schrieben eine überindividuelle Schrift, ab einer Schriftreform im 8. Jahrhundert die karolingische Minuskel. Persönliche Elemente waren nur in den verzierten Initialen geduldet. Denn nachfolgende Generationen mussten noch einwandfrei lesen können, was da geschrieben stand. Darum veränderte sich die Form der Buchstaben nur langsam. Unsere Kleinbuchstaben entsprechen noch heute weitgehend der karolingischen Minuskel (neu sind nur der I-Punkt und die Andeutung der Oberlänge beim kleinen T). Die Großbuchstaben sind noch älter, wurden in der Renaissance von der römischen Inschriftenschrift, der Capitalis monumentalis, übernommen. Bis zum Aufkommen der Schreibmaschine waren individuelle Elemente in der Handschrift unerwünscht. Man musste schreiben, wie es in den Lehrbüchern vorgeschrieben war. Seit dem Barock waren die Lehrbücher der Schreibmeister im Kupferstichverfahren gedruckt. Wer deren Alphabete genau nachvollziehen konnte, schrieb „wie gestochen.“

Solange die Handschrift das Speicher- und Kommunikationsmedium der Verwaltungen war, brauchte man Schreiber, die einen überindividuellen Duktus schrieben. Mit dem Vordringen der Schreibmaschine nach der Jahrhundertwende wird die Schreibhand von dieser Pflicht entbunden, die Handschrift wird Privatsache. Das neue Konzept der „Ausgangsschrift“, angeregt durch den Kalligraphen Rudolf von Larisch und theoretisch begleitet von dem Pionier der Graphologie Ludwig Klages, erlaubte dem Schreiber eine expressive, persönliche Ausformung der erlernten Grundform. Gelehrt wurden nun Ausgangsschriften, deren Formen vom Schüler später individuell abgewandelt werden sollen.

Wir alle haben das Schreiben einer Ausgangsschrift gelernt, mit der Maßgabe, sie individuell ausformen zu dürfen. Daher schreibt in unserem Schreibprojekt jede/jeder ihre/seine charakteristische persönliche Handschrift. Sie ist unverwechselbar und einmalig in der Welt der Schrift. Das begründet auch ihren Wert. Daher möchte ich alle Bedenken hinsichtlich der Form der eigenen Handschrift zerstreuen. Sie ist gut wie sie ist.

Teilnehmerliste
Feldlilie
Cornelia Schwarze (CD)
Daniel Schmidt (CD)
marana
Peter Zanner (CD)
christa hartwig
Mitzi Irsaj
socupuk
Der Emil
sabinelieschenmeierzenart
Karfunkelfee
Wortmischer
Jaellekatz
auchwasmitmedien
Trithemius

Am Samstag werde ich die Abschnitte aus dem Philobilon verteilen und noch einige schreibtechnische Hinweise geben.
Update 27. 01. um 00:00 Uhr: Der Kreis der Kopisten steht fest. Wir sind 14 Personen. Jede/jeder bekommt am Samstag etwa 10 Zeilen zur Abschrift.

Schreiben wie im Mittelalter – Wir kopieren ein Kapitel aus dem Philobiblon

Zeitreise ins Mittelalter. Heute vor 674 Jahren, am 24. Januar 1344, an seinem 58. Geburtstag beendete Richard de Bury, Bischof von Durham, sein Buch von der Bücherliebe, das Philobiblon. Gedruckt wurde die in Latein verfasste Handschrift erstmals 129 Jahre später, nämlich 1473 in Köln. Mir liegt eine deutsche Übersetzung von Max Frensdorf vor, gedruckt 1932 in Eisenach, auf Wunsch des Übersetzers gesetzt in der klerikal wirkenden Alemania Fraktur. Damals wurden 300 Exemplare gedruckt. Mein Büchlein ist ein von mir selbst gebundener Raubdruck, Fotokopien des Exemplars der Zentralbibliothek der RWTH Aachen. In den 1980-er und 1990-er Jahren habe ich zur Schriftforschung viel Zeit in Aachens Bibliotheken verbracht und hatte gelegentlich Hinweise auf das Philobiblon als „das berühmte Buch von der Bücherliebe“ gefunden. Sein Ruhm war aber nach über 600 Jahren schon ein bisschen verblasst. Während man es heute über Amazon für 0,98 Euro erwerben kann, war es damals nicht so leicht aufzutreiben. Ich suchte sogar in der Diozösan-Bibliothek, die man nur nutzen durfte, wenn man einen Bürgen benennen konnte, fand es aber im Bestand der TH-Bibliothek.

Richard de Bury besaß im Jahr 1344 mehr Bücher als alle anderen englischen Bischöfe zusammen. Berichten zufolge soll sein Schlafzimmer voll davon gelegen haben, so dass man sich kaum bewegen konnte, ohne auf eines zu treten. Als Bischof von Durham sammelte er fast manisch Bücher und schreckte auch nicht vor einem Diebstahl zurück. Trotzdem wird seine Bibliothek nicht mehr als 400 Bücher umfasst haben, allerdings zu Zeiten vor dem Buchdruck ein stattlicher Besitz. Ein handgeschriebenes Buch hatte im Mittelalter großen Wert. Wer damals ein derartiges Buch ausleihen wollte, musste „gewaltige Pfänder“, ganze Schafherden oder Ländereien, hinterlegen, schreibt der Paläograph Wilhelm Wattenbach. Die Büchersammlung war jedoch nicht Selbstzweck, sondern sollte Studenten zu Gute kommen. Demgemäß vermachte Richard de Bury sie 1345 der Universität Oxford.

Schreiberinnen und Schreiber gesucht
Weiterlesen

Ein Hoch auf praktisches Handgeschick

Heute Morgen, als ich die Tasse aus der Küche ins Wohnzimmer trug, habe ich ein wenig verschüttet und mir den Mittelfinger an heißem Tee verbrüht. Jetzt habe ich eine Brandblase genau auf dem oberen Fingerglied. Den wehen Finger könnte ich nicht mal hoch halten, um ihn Mitleid heischend rumzuzeigen, ohne Missfallen zu erregen. So’n Pech aber auch! Einen Schreibstift kann ich jedenfalls nicht halten. Dabei ist heute Tag der Handschrift, wie mir ein in Hannover ansässiger Stifthersteller in einer Rundmail mitteilte.

Das passt, denn für morgen habe ich einen Beitrag zum Thema Handschrift vorbereitet, auch aus aktuellem Anlass mit einem Aufruf zum Mitmachen, aber ob ich selbst mitmachen kann, steht in den Sternen. Das erinnert mich an einen Aufenthalt mit einer Lehrergruppe in einem Berliner Hotel, ich glaube, es hieß Hotel Berlin. Ich nahm an einem Einführungsseminar für ein Projekt mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung teil. Am 2. Tag wurden wir für eine Rechercheübung in Gruppen eingeteilt. Meine Gruppe sollte in der Hotelküche recherchieren. Zum Auftakt ließ der Küchenchef alle Kartoffeln schälen. Ich konnte leiderleider nicht mitmachen, denn ich hatte mir beim Frühstück in den Finger geschnitten. Es war ein Versehen, meine lieben Damen und Herren, wie ich ja auch den Tee nicht absichtlich verschüttet habe, auch wenn man beide Fälle für eine glückliche Fügung halten könnte. Dabei gebe ich zu bedenken, dass ich viel lieber mit der Hand schreibe als Kartoffeln schäle.

Näheres morgen ab 8:00 Uhr

Wenn das Eichhörnchen frühstückt …

Wenn das Eichhörnchen frühstückt, gerät die Vogelwelt in Aufruhr. Wenn plötzlich Elstern, Krähen, und kleinere Singvögel umherfliegen, wenn ich diese Aufregung im Gehölz vor meinem Fenstern wahrnehme, brauche ich nicht lange auszuschauen, um das Eichhörnchen zu entdecken. Es spürt offenbar, im Fokus der Aufmerksamkeit zu sein und schränkt seine Bewegungen ein, verharrt lange an einer Stelle, scharrt wie absichtslos unter der Eiche, ja versteckt sich manchmal hinter einem Stamm oder Ast, wobei es Arme und Beine ausbreitet und soviel Halt findet, dass es sich sogar an der Unterseite eines Astes verbergen kann. Erst wenn es sich unbeobachtet glaubt, eilt es den Stamm der Eiche hinab, quert den Fußweg und jagt zu meinem Küchenbaum, der sein Fressplatz ist und in dessen Nähe es wohl die Leckerbissen vergraben hat. Rund um den Stamm liegen verstreut die Schalen von irgendwas, wo die Vogelschar aber offenbar nichts Verwertbares mehr findet. In dieser Welt muss großer Hunger herrschen. Ich bedauere, bislang nichts dagegen unternommen zu haben.

Vor zwei Jahren hing in meinem Küchenbaum auf meiner Augenhöhe ein Meisenknödel, der mich rätseln ließ, wie er dort hingekommen war. Es musste ihn jemand von den oberen Etagen heruntergeworfen haben, in der Hoffnung, dass sich seine Schlaufe im Gewirr der Zweige verfing. Seit über einem Jahr schaukelt das leere Plastiknetz im Wind. So bin ich, total verstädtert. Beobachte, stelle mir Fragen, ziehe Rückschlüsse, aber selten handele ich selbst.

Eben warf ich eine handvoll Mandeln aus dem Fenster. Das Eichhörnchen griff sich eine und knabberte ausgiebig daran. Mir sind die Mandeln zu hart, aber so ein Eichhörnchen kann sogar Haselnüsse aufnagen und das Innere herausholen. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, beim nächsten Einkauf sowohl an die Vögel zu denken wie auch ans Eichhörnchen. Vorher will ich mich aber im Internet informieren. Die Welt nebenan ein klein wenig besser zu machen, sollte nicht schwierig sein.

Friederike, blas mich nach Bermuda!

Friederike ist die weibliche Form von Friedrich zu ahd. fridu=schutz; rich= mächtig. Unter Friederike stelle ich mir ein nahezu ätherisches Wesen vor, dessen liebliches Gemüt seine ganze Umgebung in ein mildes Licht zu tauchen beliebt. Wenn Friederike zürnt, was eigentlich nie vorkommt, aber wenn, dann fehlen ihr dazu mangels Übung einfach die Ausdrucksmittel.

Das Sturmtief Friederike ist weniger harmlos. Die Polizei in NRW, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen warnte am Nachmittag vor tieffliegenden Pendlern, die überdies schwer geladen seien, weil die Deutsche Bahn AG den Zugbetrieb eingestellt hat, obwohl diese Maßnahme absolut nachvollziehbar ist, angesichts Bildern von Flugzeugen im Landeanflug, die von Sturmböen zum Schwanken gebracht werden. Und wie man weiß, eifert die Deutsche Bahn seit Mehdorn dem Luftverkehr nach.

Sturmschäden auch im sonst so beständigen Teestübchen. Als Chefredakteur Julius Trittenheim anhub, eine saftige Polemik auf die Bahn zu verfassen, sind ihm alle behauchten Konsonanten einfach davongeflogen.

Seine Entscheidung, auf wirklich schwere Wörter auszuweichen wie Amboss, Anker, Bagger erwies sich als wenig hilfreich, einerseit, weil sich nur schwer eine Polemik auf die Bahn oder sonst ein sinnvoller Text außerhalb von Schmieden, schwerer See und Tiefbau damit schreiben lässt, andererseits weil auch diese dicken fetten Wörter einfach weggepustet wurden.

Selbst die allseits beliebten und geschätzten Vollpfosten boten nur unzureichenden Halt. Glücklicher Weise schläft jedes Unwetter, ja, jedes Wetter überhaupt vor Langeweile über Hannover ein, so auch die wütende Friederike, so dass zumindest dieser launige Beitrag fertiggestellt werden konnte, ohne auf Bleilettern zurückgreifen zu müssen. Wie die Deutsche Bahn Ag mitteilte, sollen Fernzüge bei Wetter künfig nur noch in Hannover fahren.