Als tourist auf der linie 13 (5) – Feldrain am auwald

Die Göttinger Landstraße taucht hinter einem kreisel zielbewusst in ein waldstück ein und führt geradeaus aufs land. Auf dem fahrradweg überholt mich eine radfahrerin. Sie hat ein körbchen mit ihrem einkauf auf dem gepäckständer. Da ragt ganz anheimelnd eine porreestange hervor und wippt mir die idee von dörflichem idyll zu. Brauchst dir nichts drauf einzubilden, denke ich, kommst vermutlich ganz popelig von Lidl und wanderst, anders als ich, gleich in den kochtopf. Ich schreite hurtig aus. Andere würden sagen, das Adjektiv könnte weg. Es wäre sowieso ergaunert. Mal gehe ich rasch, dann wieder schleppe ich mich voran. „Intervalltraining“ wäre zu hoch gegriffen.

Im wald linker hand schimmert wasser. Was ich zunächst als tümpel angesehen hatte, zeigt sich als weitreichende überschwemmung. Ich weiß, dass unweit die Leine fließt. Der wald steht nach dem regen der letzten tage und wochen mit nassen füßen in einer kaum verlandeten altarmschleife. Entlang der straße zieht sich der Maschgraben, der das gelände entwässern sollte, aber offenbar überfordert ist. Deshalb gibt es auch keinen weg schräg hinüber zum mausoleum. Ich muss bis zum flecken Sundern gehen, um es zu erreichen. Dort biege ich von der landstaße in den Sundernweg am waldrand.

Klick mich! Quelle: Google maps

Wo beim Sundernweg die bebauung endet, zweigt der weg ab zum mausoleum. Links der auwald, rechts feld. Ich liebe solche wege am feldrain entlang, besonders wenn sie schön in der sonne liegen wie heute. Zu meinen füßen zwei stattliche pfützen. Da fliegt mich die erinnerung an meine kindheit an. Meine mutter half dem bauern aus der nachbarschaft bei der feldarbeit. Ich musste sie oft begleiten und vertrieb mir an den feldwegen die zeit. Gerne spielte ich an solchen pfützen, grub kanäle und leitete die wässer der oberen pfütze in die untere, herrschte wie ein eigensinniger despot über die winzigen Pfützenbewohner.

Rübendarwinismus


Fast möchte man sich die kleider vom leib reißen nach der kälte der letzten tag. Am waldrand steht halb im gras versunken eine besonnte bank. Ich lasse die sachen an, setze mich und wickle nur mein butterbrot aus. Zum Glück! Gerade habe ich den mund voll, da taucht von hinter einer wegbiegung eine einsame wanderin auf, kommt näher, bevor ich schlucken kann, und grüßt. Ich bringe nur ein unartikuliertes brummen heraus, was entfernt wie „morgen“ klingen könnte, ihr aber gewiss wie der dialekt der hölle vorkommt. Täusche ich mich oder schwingt sie die hufe jetzt rascher als zuvor? Jedenfalls verschluckt sie der weg schneller als ich mein bisschen butterbrot. Ob sie auch zum mausoleum will? Sie hat hoffentlich fernere ziele, denn ich habe keine lust auf touristische gesellschaft.

(Fortsetzung …)

7 Kommentare zu “Als tourist auf der linie 13 (5) – Feldrain am auwald

  1. Wie schnell wird ein anderer Wanderer, der ja auch nichts dafür kann, dass man selbst da ist, zum Feind! Ich kenne das als Frauenreaktion: wenn in der Einsamkeit ein wandernder Mann auftaucht, wird er zum potentiellen Vergewaltiger, man lugt vorsichtig über sein Butterbrotpapier, sprungbereit…

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