Mutmaßungen über ein Date

Zeit für den heutigen Speisezettel.
Hier die Zutaten, lauter Fremdwörter:
– Mensa
– Shopping-Queen
– Cocktails
– reziprok
– Intelligenzia
– Konnotation
– Anorexie

Gegen 13 Uhr ist es in der Mensa hömmele voll. Die Schlange reicht bis zur Tür hinaus. Hinter mir unterhalten sich zwei Studenten über ein Date, das der eine gehabt hat: „Was soll man schon groß reden? Ich habe sie einmal um den Block geführt, dann sind wir in eine Bar gegangen und haben ein paar Bier und Cocktails getrunken …“ Was weiter geschah, höre ich nicht. Aber die Sätze „Was soll man schon groß reden? Ich habe sie einmal um den Block geführt“, lassen nichts Gutes ahnen. Man kann zusammen um einen Block bummeln, aber um den Block „führt“ man vielleicht ein Pferd, oder eben eine, mit der sich nicht groß zu reden lohnt, ein Dummchen, das dem Eroberer als Trophäe am Handgelenk baumelt und möglichst bald abgefüllt werden will. Als ich später am Tisch mit Blick auf die Schlange im Eingang sitze, staune ich über die vielen Studentinnen, deren Hauptaugenmerk dem eigenen Outfit zu gelten scheint. Als wäre da ein Wettbewerb der Shopping-Queens im Gange. Bei den meisten wüsste ich vermutlich auch nicht was reden und wäre froh, das mit ein paar Bier und für sie reichlich Cocktails überspielen zu können.

He, ist nur der Neid: Zu meiner Studienzeit sahen die Studentinnen anders aus. Da war die Emanzipation gerade auf ihrem abschreckenden Gipfel angekommen, mit selbstgestrickter Unterwäsche und sackartigen Outfits aus der Altkleidersammlung. Da hätte so ein teuer gestyltes Dämchen mir sicher gefallen. Außerdem …

Vielleicht hatte es gar nicht an ihr gelegen, dass kein Gespräch zustande kam, sondern an ihm. Vielleicht konnte er nicht reden, weil er nur eins im Kopf hatte. Wo sich die Schlange aufteilte, konnte ich einen Blick auf ihn werfen. Typ Loverboy, ja, das passte. Er und so eine Shopping-Queen, da wäre das Verstummen garantiert reziprok. So siehts aus mit dem Nachwuchs unserer Intelligenzia. Anderes Thema: Ich hatte mir Gemüse auf den Teller geschaufelt, das besser aussah und auch schmeckte als seine Auszeichnung am Büfett befürchten ließ: „Brechbohnen“ Wenn ich so ein Schildchen beschriften sollte, würde ich „Brechbohnen“ vermeiden, wegen der Konnotation, was doch schon klingt wie ein unbekömmlicher Inhaltsstoff, wovon man mindestens pupsen muss, – wenn wenigstens die Richtung stimmt. Ich würde „Prinzessbohnen“ schreiben. Wir wollen doch unter den Shopping Queens keine Gedanken Anorexie nervosa schüren.

Stoffel

Die Hannoveraner sind nicht unhöflich, keineswegs. Die meisten sind das, was man im Rheinland „Stoffel“ nennt. Ein Prachtexemplar des hannoverschen Stoffels sehe ich fast täglich beim Mittagstisch. Im Winterhalbjahr, wenn es im Marktcafé ziemlich voll war, weil man nicht draußen sitzen konnte, haben wir schon mehrfach notgedrungen zusammen an einem der runden Tische gesessen und unsere Suppe gelöffelt. Doch zu meinem Erstaunen tut er danach immer, als hätten wir uns noch nie gesehen. So verhält sich ein Stoffel. Im Umland von Hannover gibt es diesen Menschenschlag auch.

Einmal fuhr ich mit dem Rad einen von Hecken gesäumten, schnurgeraden Wirtschaftsweg entlang. Dabei schob mich ein heftiger Wind. Die Sonne kam hervor, tauchte die Äcker in freundliches Licht, und über eine ferne Bodenwelle hinweg schien mein Weg am Horizont in den blauen Himmel zu tauchen. Da freute ich mich, gut voranzukommen. Nach einer Weile kam mir ein älterer Mann auf dem Rad entgegen. Ich rief ihm einen Gruß zu. Er muckte nicht einmal, sondern sah stur geradeaus. Bald hatte die Wegdecke lehmige Traktorspuren, die Asphaltierung hörte auf, und ich fuhr über wucherndes Gras. Dann sah ich voraus einen schmalen Kanal, der sich quer durch die Felder zog. Da war keine Brücke, der Weg lief tot. Ich musste umkehren. Gegen den heftigen Wind kam ich kaum voran, ständig gerieten die Räder in tiefe Furchen, die sich unter der Grasnarbe verbargen, da hatte ich Zeit, den Kerl zu verfluchen, der mich ja hätte warnen können.

Woanders geschah es erneut, dass mich zwei Radfahrer sehenden Auges einen Weg fahren ließen, der zuerst holprig wurde und dann totlief. Die beiden, ein Mann und eine Frau saßen an einem Weiher. Ihre Fahrräder hatten sie sauber nebeneinander geparkt. Das war im Dorf Ihme, das ich nach einigem Suchen gefunden hatte, denn ich wollte ab dort am Bächlein Ihme entlang fahren bis Hannover, wo die Ihme das meiste Wasser der Leine aufnimmt und vorübergehend zum Fluss wird, um sich hinter Hannovers Altstadt wieder mit der Leine zu vereinen.

Ich biege also im Dorf Ihme in einen Weg entlang der Ihme ein. Mann und Frau drehen sich zu mir um, als sie das Britzeln und Bratzen der Steinchen unter meinen Reifen hören. Er hat einen weißen Mullstreifen quer über der Nase. Später, als ich wieder zurückkomme, drehen sie sich erneut um und sehen mir nach. Und ich denke: Ein weißer Mullstreifen quer über der Nase ist gewiss nicht angenehm für den Eigentümer der Nase. Die Frau neben ihm leidet wahrscheinlich mit. Doch weder Mullstreifen noch Mitleid mit dem Nasenbesitzer sind eine Entschuldigung dafür, dass man mich wortlos hat in die Irre fahren lassen.

Eigentlich sind die Menschen in Hannover und dem Umland recht freundlich. Daher neige ich inzwischen zu der Vermutung, dass sie mich nicht aus Bosheit, Gleichgültigkeit oder wegen Nasenqualen in die Irre haben fahren lassen, sondern aus Toleranz. Sie werden sich gedacht haben: „Der muss ja selber wissen, wohin er fährt.“ Und da haben sie natürlich irgendwie Recht, – wenn man denkt wie Stoffel.

Dem Leibniz seine Entengemeinde

Der Leibniztempel im hannoverschen Georgengarten erhebt sich auf einer erhöhten Halbinsel. Von dort hat man einen schönen Blick auf Baumgruppen, Wiesen und Teiche. Der Tempel ist dem Mathematiker, Philosophen und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz gewidmet. Im Rund von zwölf ionischen Säulen steht auf einem Sockel die Kopie seiner Büste, deren Original aus Carrara-Marmor der irische Bildhauer Christopher Hewetson in Italien geschaffen hat. Der Tempel trägt in goldfarbenen Lettern die Inschrift „Genio Leibnitii.“

Letztens saß ich auf den Sandsteinstufen und wollte mich inspirieren lassen. Es schrieb sich leicht, und wäre nicht die Dame auf dem Fahrrad vorbeigekommen, stünde hier vermutlich ein anderer Text. Den muss ich leider verschieben, der Enten wegen. Man stelle sich eine attraktive Frau mittleren Alters auf einem schwarzen Hollandrad vor, schwarze Pumps an den Füßen, schwarze Strümpfe, schwarzer Rock, schwarze Bluse, Sonnenbrille und eine perückenhafte Mähne aschblonder Schillerlocken. Wir haben keine Zeit zu erwägen, ob sie vielleicht einer Theaterbühne entsprungen ist, denn sie radelt schnell über den Weg heran und will den Leibniztempel umrunden. Im Vorbeifahren ruft sie mir zu:
„Die ganze Entengemeinde fehlt! Haben Sie die gegessen?!“
„Ich bin Vegetarier“, sage ich wahrheitsgemäß.
„Ich auch in solchen Momenten!“, ruft sie über ihre Schulter hinweg. Wie sie schon hinterm Säulenrund verschwunden ist, höre ich noch: „Wo sind die denn alle? Nur Boris ist hier!“ Und ich heiße noch nicht mal Boris.

Leibniztempel Hannover, Georgengarten, Foto: JvdL

Auf dem Teich unten hatte ich zuvor durchaus Enten gesehen. Sie waren panisch über die Wasserfläche geschossen, weil zwei Hundebesitzer ihre Tölen ins Wasser gescheucht hatten. Wohin die Enten sich entfernt hatten, war nicht zu sehen gewesen, weil sie unter dichtem Laub verschwunden waren. Derweil ich mich noch frage, welchen Knoten Leute im Kopf haben, die gewisse Tiere sorgenvoll suchen und andere bedenkenlos verspeisen, hat die Frau den Tempel umrundet und schickt sich an, wieder in den Weg einzubiegen. Ich bin ihr noch ein bisschen böse, weil sie mich verdächtigt hat, Enten zu verschlingen und frage: „Sind Sie etwa die Entenbeauftragte?“ Darauf antwortet sie nicht, sondern ruft aufgeregt: „Die sind reviertreu, die müssten sich hier aufhalten, treue Freunde!“ Und schon hat der Park sie samt Fahrrad verschluckt.

Eine Weile saß ich noch schreibend auf den Stufen, hielt gelegentlich Ausschau, doch Enten und Entenbeauftragte blieben verschwunden. Vermutlich wurden sie von Hunden gerissen. Die haben schließlich auch Rechte, obwohl sie ja eigentlich nichts tun, wie jeder Hundebesitzer zu versichern weiß. Leider konnte ich das nicht verifizieren, denn ich bekam plötzlich ebenfalls Hunger, verließ den Georgengarten und scheuchte im Supermarkt ein paar wehrlose Tomaten auf.

Meisters Gesellenstück – Ein Essay über das Schreiben

Links von meinem Schreibtisch hängt ein Essay über das Schreiben mit dem Computer und die damit einhergehende Demokratisierung der technischen Schrift, den ich im Jahr 1992 verfasst und kalligrafisch geschrieben habe. Es gibt von den Blättern im Format 50 x 70 cm mehrere Varianten. Anlass war der damals marktschreierisch beworbene ergonomische Colani-Computer der Firma Vobis. Der deutsche Designer Luigi Colani ist, wie Wikipedia charakterisiert „vor allem durch seine aerodynamischen und biomorphen Formen für Autos, Flugzeuge und Konsumgüter bekannt geworden.“

Die biomorphe Formgebung eines Computers war mir damals eine Horrorvorstellung, vor allem im Hinblick auf den Prozess des Schreibens. Aber lesen Sie selbst (bitte 2 x anklicken und bei Bedarf mit [Strg +] weiter vergrößern). Der Essay ist nach 25 Jahren noch aktuell, vor allem hinsichtlich der aktuellen Diskussion zum Thema Handschrift. Die kulturpessimistischen Äußerungen würde ich nach meinen Erfahrungen mit dem Internet heute relativieren wollen.

Des Meisters Gesellenstück, Kalligrafie JvdL, 1992

Damals übte ich mich in Kalligrafie und in verschiedenen Handschriften. Daher habe ich den Text mehrfach geschrieben, hier in der englischen Schulausgangsschrift von Alfred Fairbank. Der Schriftblock hat einen Randausgleich. Um ihn zu erzielen, muss man jede Zeile zweimal schreiben, die erste Version zeilenweise auseinanderschneiden und jede Zeile über die zu schreibende Zeile legen, um zu sehen, wie weit oder eng man schreiben muss und wo eine Worttrennung nötig ist. Man braucht also viel Geduld. Dafür ist das Ergebnis beständiger als ein vergleichsweise hastig getippter digitaler Text. Hier eine weitere Fassung, aus zwei verschiedenen Blättern zusammengestellt und für die Darstellung am Computer vierspaltig umbrochen.

Hurtig über Gleise – Betreutes Denken im ICE

Im ICE hatte jemand die Süddeutsche Zeitung (SZ) zurückgelassen. Irgendwann zog ich die zerfledderte Zeitung aus dem Netz, sortierte sie ein wenig und begann zu lesen. Für einen Augenblick flog mich ein vertrautes Gefühl an, denn bevor ich zu bloggen begann, habe ich die Süddeutsche Zeitung täglich gelesen. Das vertraute Gefühl speiste sich aber nicht aus den Inhalten, nicht aus dem Schreibstil, sondern aus der Tatsache, dass einem in der Zeitung die Welt ausgebreitet und erklärt wird. Das ist einfach wie Bahnfahren. Wie der Zugreisende sich keine Gedanken über die Fahrtstrecke machen muss, die Stationen seiner Reise nicht zu bestimmen und nicht auf den Weg zu achten hat, braucht auch der Zeitungsleser nur den gedanklichen Spuren zu folgen, die Journalisten zu Zeilen angeordnet haben gleich den Gleisen der Bahn. Als Bahnreisender hat man nur den Blick nach links und rechts aus dem Fenster, weiß also nicht genau, wohin die Reise geht – ebenso wie der Leser eines Zeitungsartikels. Es erhöht beispielsweise den Lesegenuss, wenn ein Text eine erstaunliche Wendung nimmt, so als würde ein Zug über eine Weiche rumpeln und ein für den Bahnreisenden überraschendes Gleis befahren.

vom 09.02.1995, original einspaltig (größer: klicken)

Genau das habe ich immer beim Lesen des Streiflichts empfunden, der täglichen Glosse auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung. Obwohl das Streiflicht von verschiedenen Autoren geschrieben wird, folgt es einem einheitlichen Prinzip: Dem Leser enthüllt sich anfangs nicht, um welches Thema es eigentlich geht. Dann steuert der Text mit elegantem Schwung auf sein Ziel zu, woraus sich im Idealfall die vorher noch unerklärliche Einleitung als besonders gelungener Einstieg enthüllt. Ach, das ist schön, wie über ein verwunschenes Nebengleis wieder auf die Hauptstrecke zu gelangen. Aber darin zeigt sich auch der Nachteil der Zeitung. Sie kanalisiert die Informationen auf Hauptstrecken, auf den Mainstream des Denkens. Zweifellos sind Zeitungen wie die FAZ oder die SZ die Intercityzüge des Vorgedachten. Es ist bequem da in ihrem Bauch, betreutes Denken. Wer dagegen selbstständig denken will, geht anfangs nur zu Fuß, verliert gar manchmal die Orientierung. Selbstständiges Denken will geübt sein, und die Fähigkeit wächst mit dem Tun. Sie wächst vor allem mit der schreibenden Aneignung von Welt. Wer selbst schreibt, legt seine eigenen Gleise. Sie können in Gegenden führen, die vom Intercity-Express nie berührt werden. Darum möchte ich die Süddeutsche nicht mal geschenkt, stopfe sie wieder in das Netz an der Rückseite des Vordersitzes, krame Stift und Notizbuch hervor und schreibe das hier auf.

Die Kunst, Zeitungen handlich zu falten

Als Schriftsetzerlehrling fuhr ich mit dem Bus zur Arbeit nach Neuss, das damals noch Neuß hieß. Da stieg mit mir ein Ehepaar ein, das ich nicht leiden mochte, obwohl die beiden mir nichts getan hatten. Allerdings hatte der Mann eine unangenehme Weise, im Bus die Zeitung zu lesen. Sobald er sich auf seinem Fensterplatz niedergelassen und seine Frau sich neben ihn gehockt hatte, packte er die Neuß-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) aus und riss sie mit gestreckten Armen auseinander, so dass man denken konnte, er habe seine Frau nur als Puffer neben sich. Ein fremder Fahrgast würde sich nicht die Lufthoheit vor der Nase mit einer Zeitung streitig machen lassen. Besonders abstoßend fand ich die hektische Weise, in der der Ehemann die Seiten umblätterte und wieder glatt zog, dass es knallte. Dass er die Zeitung so heftig Knistern und Knallen ließ, war mehr als eine fordernde, gefräßige Aneignung des Inhalts, es war eine Demonstration. Zeitungslesen als Show. Schaut alle her, ihr analphabetischen Dorftrampel, was ich für ein gebildeter, interessierter Mensch bin, der seine Zeitung nicht nur liest, sondern auch beherrscht!

Dass einer die NGZ las, dieses CDU-nahe Blatt, beeindruckte mich nicht. Nicht, dass ich damals schlecht über die NGZ gedacht hätte. Schließlich war ich auf einem katholischen Dorf mit streng beschränktem Horizont aufgewachsen, wo alle die CDU wählten, weil sie dachten, das wären sie ihrem Herrgott schuldig, als Ausgleich quasi, weil sie vorher stramme Nazis gewesen waren. Nein, es lag nicht an der NGZ, sondern ich fand das Verhalten dieses ungestümen Lesers einfach unhöflich, denn man macht nicht frühmorgens so einen Krach im Bus, und wenn die neben ihm auch seine Frau war: Man fuchtelt dem Sitznachbarn nicht mit Zeitungsseiten vor der Nase herum.

Gut 25 Jahre später lernte ich eine Methode kennen, eine Zeitung handlich zu falten, so dass man sie auch unter beengten Platzverhältnissen lesen kann. Die Methode funktioniert aber nur bei Zeitungen mit einer geraden Zahl von Spalten, bei der FAZ beispielsweise. Da hatte man sogar eine Faltanleitung herausgegeben.

Dieses dünne Heftchen mit dunkelbauem Umschlag in FAZ-Hausfarbe besaß ich mal, kann es aber nicht finden. Dafür fand ich kürzlich eine Karteikarte wieder, auf der die Methode vermerkt ist, in der Mitte einmal längs und quer falten, dann hat man die Zeitung in einem handlichen Buchformat vor sich, freute mich kurz – und verlegte die Karte wieder, verflixt! Darauf stand noch, welche US-Zeitung die probate Faltung erfunden hat. Zur Demonstration habe ich die Gifanimation gemacht. Allerdings kommt meine Anleitung ein bisschen spät. Die Zeit ist darüber hinweg gerauscht. In Bussen und Bahnen liest kaum einer noch Zeitung. Die meisten schauen in ihr Smartphone. Manchen stören die Smartphonenutzer. Mich stören die Smartphonewischer nicht, denn sie sind mir zehnmal lieber als einer, der die Zeitung aufreißt wie ein Sittenstrolch seinen Mantel.

Eine Schreibmaschine bei Fräulein Schlicht und vom Schreiben mit Maschinen

Zum Mittagessen erneut bei Fräulein Schlicht, sitze ich an der Stirnseite des Raums auf einer Empore bequem an einem großen Tisch und habe das gesamte Lokal vor Augen. Statt Fräulein Schlicht steht ein freundlicher junger Mann hinter der Theke. Er hat die Haare oben auf dem Kopf zu einem Dutt gebunden. Vor mir auf der Abtrennung der Empore steht seitlich zu mir eine alte Schreibmaschine. Das metallene Gehäuse ist schwarz lackiert und ihr offenes Gehäuse gibt den Blick auf die Mechanik frei. Darin blinkt silbern die Klingel, die immer am Zeilenende ertönt. Mit dieser Klingel hat es eine eigenartige Bewandtnis. Das Ende einer Zeile bedeutet ja nichts, hat keine inhaltliche Bedeutung wie etwa der Wortabstand oder der Absatz. Es ist gerade eine Kulturleistung, dass wir das Zeilenende ignorieren und darin keine Unterbrechung der Rede sehen. Wer jedoch mit einer Schreibmaschine schreibt, wird durch das Klingeln ständig darauf hingewiesen, dass das Ende der Zeile erreicht ist. Man könnte sagen, sein Schreiben ist von einem bedeutungslosen Klingelzeichen getaktet. Es gibt an, dass die Zeilenschaltung betätigt und der Schlitten nach links geschoben werden muss. Dass der Schreibfluss immer wieder von den Erfordernissen der Mechanik unterbrochen wird, ist ein Merkmal des Schreibens mit mechanischen Maschinen. Es ist unwägbar, wie die sinnlose Klingelei das Schreiben beeinflusst hat.

Schreibmaschinen waren freilich nicht für die freie Textproduktion gemacht, sondern dienten primär dem Abschreiben. Trotzdem haben viele Autoren sie zum freien Schreiben genutzt. Mark Twain war Ende des 19. Jahrhunderts ein erster Nutzer der Remington und trachtete danach, immer das neuste Modell zu haben. Franz Kafka schrieb auf einer Oliver 5. Und Arno Schmidt hat sein Monumentalwerk „Zettel’s Traum“, die 1334 DIN-A3-Seiten mit einer Schreibmaschine der Marke Adler als dreispaltiges Typoskript gestaltet.

Ich frage den jungen Mann bei Fräulein Schlicht, welches Modell da steht. Er schaut nach und sagt „Continental.“ Die Continental ist eine Schreibmaschinenmarke der Firma Wanderer, erstmals in Serie gefertigt im Jahr 1904. Vermutlich stammt die Schreibmaschine vom Flohmarkt und ist nur Dekoration, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr letzter Besitzer hier bei Fräulein Schlicht dran gesessen hat und beim Tippen verröchelt ist. Den Satz schreibe ich mit der Hand in mein Notizbüchlein. Der junge Mann sagt, er schreibe auch und würde es gern mit einer Schreibmaschine tun. Aber wenn man dann korrigiere, sähe das Blatt bald unschön aus. „Dafür hatten wir früher Tipp-Ex, was ganz aus unserem Alltag verschwunden ist“, sage ich.

Seine Bemerkung zeigt, wie sich unter dem Einfluss des Computers das Schreiben verändert hat. Im Jahr 1989, als die digitale Textverarbeitung relativ neu war und noch von vielen abgelehnt wurde, lobte die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift: „Kreativität und Textverarbeitung“ die neue Form des Schreibens als Hilfe bei der Überwindung von Schreibblockaden:

„Sie möchten Gedanken – die häufig nicht mal zu Ende gedacht sind – in Worte fassen und sie im selben Arbeitsgang optimal ausformulieren. Dies führt in vielen Fällen zu einer Art Schreibblockade.“

Dieses Problem löst die kreative Textverarbeitung und wie? Federleicht. Der Textauszug beschreibt ziemlich genau, wie sich das Schreiben durch die Textverarbeitung verändert hat. Das ist kein Schreiben, das mit gelegentlichen Tipp-Ex-Korrekturen auskommt, sondern ein provisorisches Schreiben aus einem Wust ungeordneter Gedanken heraus. Da knallt kein Buchstabe durchs Farbband auf Papier und steht unverrückbar da, sondern alles ist zuerst nur Probehandeln. Denn man hat ja vorher nichts wirklich bedenken müssen, fängt an mit einer ungefähren Idee und weiß selbst nicht, was o Wunder, dann später mal da stehen wird. Gut 30 Jahre Textverarbeitung haben eine neue Form des diffusen Denkens hervorgebracht: Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich lese, was ich geschrieben habe?

Mit dem Satz: „Ihre Gedanken zu einem Thema können sich allmählich beim Schreiben verfestigen“, spielt der Autor an auf den Essay, „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ von Heinrich von Kleist (1805). Nähert sich digitales Schreiben tatsächlich derart der mündlichen Sprachverwendung an? Hier verwechselt der Autor der SZ etwas. Die Schriftsprache funktioniert so nicht. Es fehlt der Kommunikationspartner, ein Gegenüber. Der Sprecher hat ein Gegenüber vor Augen, achtet beim Sprechen auf dessen Gestik und Mimik. Hört mein Gegenüber gespannt zu? Runzelt er im Unverstand die Brauen oder lächelt er zustimmend? Solche Wahrnehmungen beeinflussen den Inhalt seiner Rede. Alles findet statt in einer bestimmten Situation, mit definierter Absicht unter unwägbaren Bedingungen. Gesprochene Sprache entsteht im situativen Beziehungsgeflecht der Kommunikationspartner und wird von ihm geprägt.

Geschriebene Sprache ist dazu nicht gemacht, erst recht nicht, wenn der Kommunikationspartner der Computer ist. Schreiben als suchende Textverarbeitung, wie von der SZ dargestellt, ist etwas ganz anderes als Schreiben im Sinne von Gedankenfolgen entwickeln. Mag sein, dass in der von der SZ gefeierten Weise gute Texte entstehen können. Doch ihnen fehlt die Langsamkeit. Das langsame Schreiben zwingt zum genauen Denken und zur gedanklichen Durchdringung eines Themas.

Grafik: JvdL

Wie die SZ im Jahr 1989 für die Textverarbeitung glaubte werben zu müssen, müsste man gut 30 Jahre später für das gegenteilige Schreiben mit der Hand oder der Schreibmaschine werben. Da ich keine funktionierende Schreibmaschine mehr habe, nehme ich mir vor, wieder häufiger mit der Hand zu schreiben, damit ich nicht so oft schreibe, ohne vorher zu wissen was, also damit ich das strukturierte Denken nicht verlerne.

Wahrer Bericht von einer pataphysischen Forschungsreise nach Aachen und zurück

Meine lieben Damen und Herren,

Der wahre Bericht erschien erstmals im Jahr 2009 im Teppichhaus Trithemius auf der versunkenen Plattform Blog.de. Er ist eigentlich eine Fortsetzung. Den ersten Teil Gina Regina habe ich vor gut zwei Jahren im Teestübchen wiederveröffentlicht. Wer also den Zusammenhang kennen möchte, möge zuerst den Teil „Gina Regina lesen.“ Es geht aber auch umgekehrt.

Irgendwann in der Nacht, als wir schon recht viel getrunken hatten, sagte Coster:
„Zufall ist das, wenn Gott nicht unterschrieben hat.“

“Das erklärt einiges“, sagte ich. „Darum habe ich noch keine Million gewonnen, obwohl es längst fällig wäre. Vermutlich hat irgendein säumiger Unterbeamter der himmlischen Registratur die Anweisung auf die Million zwar ausgefertigt, dann aber vergessen, sie dem Chef in die Unterschriftenmappe zu legen. Die Anweisung ging raus, aber weil sie noch nicht unterschrieben ist …“

Insgeheim dachte ich, dass ich Coster bislang falsch eingeschätzt hatte. Seine früheren Äußerungen zur Gottesfrage hatten in mir die Idee versteift, Coster sei Agnostiker. Erst letztens hatte er gesagt, warum sollte er in einer Sache eine Entscheidung fällen, die sich nicht entscheiden lasse. Jetzt verstand ich, dass Coster genau anders herum dachte. Weil er die Sache nicht entscheiden konnte, glaubt er einfach an Gott und an den Atheismus. Das wiederum würde seine Magie erklären. Die rätselhaft schwebende Art, in der er durchs Leben geht.

Das war nicht immer so gewesen. Als ich ihn kennen lernte, hatte er manchmal Phasen des Zweifelns. Das aber besagt gar nichts. Alles in der Natur schwingt. Auch der Gemütszustand des Menschen ist dem unterworfen, mal mehr, mal weniger. Vielleicht hatte ich Coster anfänglich immer dann getroffen, wenn er im Zenit seiner Wetterfühligkeit war, sich die Natur aber am tiefsten Punkt ihrer Schwingung befand. In diesem Augenblick ist der Mensch am weitesten entfernt von der Natur, fühlt sich besonders fremd in seiner Welt.

Man kann nicht immer optimal getaktet sein. Wenn alles schwingt, schwingt auch das. Diesen Gedanken würde ich gerne weiterspinnen, aber das geht leider nicht, denn nachdem Coster gesagt hatte: „‚Zufall ist das, wenn Gott nicht unterschrieben hat“, und mir diese Gedanken durch den alkoholisierten Kopf gingen, war unser Gespräch längst woanders hin. In dieser Nacht nämlich sprangen wir nach Herzenslust durch die Welt unserer Themen, und es machte uns rein gar nichts, dass wir kein einziges Thema bis zum Ende verfolgten. Unser Gespräch hatte sich die ganze Zeit über netzwerkartig ausgedehnt. Vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, sagt der Volksmund. „„Wir ließen den einen oder anderen Hasen springen“, wie Goethe sagt,“ und irgendwer: „„Springt ein Häslein übern Steg, nehm’ ich gleich ‘nen anderen Weg.““ Diese wunderbare Form des Gesprächs hatte uns schon den ganzen Abend über durch die Themenfülle begleitet. Die Aufmerksamkeit unseres Denkens saust von einem gedanklichen Netzwerk hinüber ins andere. Das ganze entwickelte sich eher verhalten, aber spätestens, als wir am Aachener Markt im Goldenen Einhorn gesessen hatten, begannen unsere Gedanken durch beide Köpfe zu kreisen und legten neue Spuren an.

Dieser Prozess wurde begünstigt durch die Tatsache, dass Coster im Goldenen Einhorn auf Händen getragen wird. An diesem Abend liefen dort Kellner umher. Nur hinter der Theke stand eine Kellnerin. Mir war aber, als würde Coster noch aufmerksamer bedient als sonst. Von allen Seiten war man um sein Wohl bemüht, und da ich an Costers Seite saß, wurde ich ebenfalls in die größte Liebenswürdigkeit einbezogen, die einem Gast zuteil werden kann. So ging es weiter, als wir viel später im Franz eintrafen, einem Veranstaltungslokal in Costers Nachbarschaft, um einen der vielen Absacker zu trinken. In der Ecke spielte eine Jazzband. Sie machte zu ihrem Glück gerade Pause, sonst hätten sie ihre Musik vergessen können, als Coster von allen Seiten begrüßt wurde. Auch hier ging die Gunst vom muslimischen Thekenkellner, dem Pächter, der Frau neben ihm und einigen Thekengästen direkt von Coster auf mich über. Coster versteht es meisterhaft zu teilen. Es mag übertrieben klingen, aber ich habe alles leibhaftig erlebt und treulich beobachtet. Wie man weiß, war ich auf einer Forschungsreise.

Costers Glas aus dem Jahr 1770 (Foto: JvdL)

In Costers Küche saßen wir, bis die Stunde des Wolfes heraufdämmerte, also bis gegen vier Uhr, denn die Absacker wollten einfach nicht wirken. Ich spürte, wie meine Augen immer kleiner wurden, aber der Kopf blieb wach. Wir saßen nämlich in der Nachtkälte. Coster hatte die Tür zu seinem Küchenbalkon geöffnet, damit wir rauchen konnten, ohne die ganze Wohnung zu verpesten. Er raucht Zigarillos, ich drehe Halfzware Shag, das zusammen ist eine heftige Mischung. Irgendwann holte Coster zwei Gläser von 1770 aus seiner Sammlung, und wir tranken Rosé daraus. Das passte, denn wer im 18. Jahrhundert bei Nacht noch zechen wollte, musste kälteresistent sein. Ich wusste zu würdigen, aus einem Glas aus dem Jahr 1770 zu trinken. Man könnte schließlich einen umfangreichen historischen Roman schreiben, der sich nur um diese beiden Gläser rankt, bis in die Gegenwart von Costers Küche hinein. Das eingravierte Symbol blieb uns in der Nacht rätselhaft. Da sind Zirkel und Winkel der Freimaurer, oben eine Krone …

Am nächsten Morgen war ich ein wenig ungehalten mit mir. In der Nacht hatte ich gedacht, ach, das meiste aus unserem Gespräch wirst du behalten. So gibt es keine Notizen.

Um 22:34 Uhr traf ich leicht verspätet in Hannover ein. Kurz vor Hannover hatte mein Handy geklingelt wie ein Wecker, dreimal nur, und dann war niemand dran. Freilich war ich längst wach und war dabei, mich für den Ausstieg zu kramen. Dann befiel mich eine leise Unruhe. Mehrmals schon habe ich eine seltsame Erfahrung gemacht. Am Ende einer Reise, wenn ich schon dachte, alles ist gut gegangen, dann habe ich einen unglücklichen Zufall erlebt. Einmal war dieser Zufall so heftig in mein Leben gehauen, dass es auseinanderflog. Ich konnte dabei zusehen, denn diese Explosion vollzog sich in Zeitlupe und erstreckte sich über mehrere Jahre. Dabei geriet ich immer tiefer ins Unglück.

Zuletzt bei meinem Umzug nach Hannover, als mir schien, die Fahrt wäre glücklich verlaufen, passierte es erneut. Als ich den Mietwagen zurückbringen wollte, fuhr ich an einer Engstelle auf der Königsworther Straße einen Außenspiegel ab. Ich hatte den Knall freilich unbedacht herbeigepfiffen, indem ich am Morgen gesagt hatte: „Ich wollt‘, es gäbe einen Knall, und der Umzug wäre getan.“ So bekam ich in eiskalter Nacht mit der Hannoverschen Polizei zu tun. Die Folgen waren jedoch recht glimpflich, abgesehen von der Tatsache, dass ich wirklich nicht viel Zeit verloren hatte, mich polizeilich in Hannover anzumelden.

Während der ICE in den Hannoverschen Hauptbahnhof rollte, ging mir durch den Kopf, ich hätte just den ägyptischen Sonnengott beleidigt und müsste jetzt seine Rache fürchten. Trotzdem ging ich durch einen Nebenausgang des Bahnhofs nach draußen, um zu rauchen. Meine U-Bahn sollte erst 15 Minuten später kommen. Vor der Tür standen vier junge Leute und rauchten ebenfalls, zwei Männer, zwei Frauen. Ihrer Kleidung nach waren sie geschäftlich unterwegs. Dem Reden nach kannten sie einander nur flüchtig. Eine Frau ganz in schwarz sagte, sie werde sich das Rauchen abgewöhnen, wenn sie irgendwann einmal heirate, und schob nach:

„“Wenn ich im Standesamt sitze, höre ich auf zu heiraten.““

In heiterer Stimmung stieg ich aus der Bahn, meine Wohnung empfing mich freundlich, aus meinem E-Mail-Programm purzelten erfreuliche Botschaften und auch die von Coster. Gegen zwei Uhr in der Nacht legte ich mich ins Bett und war der Meinung, meine pataphysische Forschungsreise sei nicht nur erfolgreich gewesen, sondern auch ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Sollte der ägyptische Sonnengott, dessen Namen ich vorsichtshalber jetzt nicht erwähne, sollte er einen Groll auf mich gehabt haben, so hatte er mich offenbar nicht gefunden. Im selben Augenblick gab mein Bett Geräusche. Obwohl ich mich nicht bewegte, begann es mehr und mehr zu knarren. Das Knarren ging in ein Knarzen über, dem Geräusch von brechendem Holz. Dann eine Sekunde des Verharrens, und indem ich aufatmete, brach mein Bett ein. Die Matratze sackte unter mir nach unten und blieb dann in der Schwebe.

Ich machte Licht, stand auf und betrachtete den Schaden. Dazu musste ich das Bettzeug ausräumen und die Matratze hochstellen. Unter der Mitte meines Bettes hatten sich zwei breite Stützen befunden. Beide waren abgebrochen und hatten mir damit einen leisen Schrecken eingejagt. Da musste ich schmunzeln. Offenbar war die verderbliche Anweisung des ägyptischen Sonnengottes nicht unterschrieben gewesen, so dass sein Befehl nicht ordentlich ausgeführt worden war. Und ich ahne auch, wer es verhindert hat, als er selbst die Sache nicht überwachen konnte, weil er bekanntlich bei Nacht nicht da ist.

Da ich nicht mitten in der Nacht zu tischlern anfangen wollte, schob ich einen alten Setzkasten mitten unter mein Bett und erhöhte ihn durch zwei Versandhauskataloge und die beiden abgebrochenen Bretter. Das hält, und ich schlief ziemlich gut auf dem Relikt der Schwarzen Kunst, den tausendfachen Verheißungen der Kataloge und zwei stabilen Stützbrettern.

Was zuvor geschah und wie der Sonnengott beleidigt wird: Gina Regina.

Wie schön, dass du geboren bist …

Aus Gründen habe ich in Hannover einen jungen Freundeskreis. Filipe d’Accord, Konrad Fischer, hier bekannt als Herr Leisetöne, und Herr Putzig, die Mitglieder des HaCK (Hannover Cünstler Kollectiv) könnten theoretisch meine Söhne sein. Auf einer Geburtstagsfete von Herrn Putzig wurde ich schon mal begrüßt als der „Alterspräsident.“ Just auf Geburtstagen in diesen Kreisen habe ich mich schon mehrmals erschreckt, wenn plötzlich ein Lied angestimmt wurde, das alle kannten, nur ich nicht: „Wie schön, dass du geboren bist …“

Sich fremd in der eigenen Kultur zu fühlen, ist eine seltsam schräge Erfahrung. Zufällig habe ich herausgefunden, wem ich das verdanke, einem Mann, der heute 70 Jahre alt wird. Die Süddeutsche Zeitung widmet ihm zum Geburtstag die Glosse auf Seite 1, das Streiflicht. Darin werden Kinderlieder als schlimmster Alptraum aller Eltern dargestellt, und der Urheber dieses Generationen andauernden Alptraums ist Rolf Zuckowski. Als ich gestern am Telefon mit meinem mittleren Sohn über Zuckowski sprach, stimmte er spontan einen der zuckowskischen Ohrwürmer an, bestätigte aber, dass „Wie schön, dass du geboren bist …“ bis uns nicht gesungen wurde. Da bekam ich glatt ein schlechtes Gewissen.
„Danke Rolf Zuckowski!“

Morgenstund hat Geld im Mund – Ein Fall von geplanter Verschwendung und ein Witz mit Verspätung

Cartoon: JvdL, (größer: klicken)

In seinem Buch „Geplanter Verschleiß: Wie die Industrie uns zu immer mehr und immer schnellerem Konsum antreibt – und wie wir uns dagegen wehren können“, schreibt der Ökonom Christian Kreiß, eine Beratungsfirma habe dem Zahnpastahersteller Colgate geraten, die Tubenöffnung zu vergrößern, worauf sich der Umsatz um 30 Prozent erhöht habe. Jetzt verstehe ich mein Cartoon, das ich einst der Titanic angeboten habe, das dort aber so lange „auf Halde“ gelegen hat, dass ich es zurückgefordert habe. Der Witz zündet erst Jahre später im Kontext mit der zu großen Austrittsöffnung bei Zahnpastatuben. Darüber habe ich mich schon oft geärgert, dass immer zuviel Zahnpasta austritt. Wie wir jetzt wissen, exakt 30 Prozent pladdert sinnlos in den Abfluss. Sauerei. Gewiss gibt es die geplante Verschwendung auch bei anderen Produkten.