Teestübchen Sevice – Heute: Waldbaden

Waldbaden ist der ganz heiße Scheiß. Der Natur ganz nah sein. Das Original japanische „Shinrin Yoku“, was soviel heißt wie „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“, ist ja so gesund für Körper und Geist. Für „Shinrin Yoku“ brauchts keine lange Flugreise nach Japan, … obwohl (siehe unten). Theoretisch geht Waldbaden auch im heimischen Wald. Und gibt es keinen vor der Haustür – ruhig Hinfahren, wenn es sein muss mit dem SUV, falls man grad nicht über einen kleineren Zweitwagen verfügt. Und jetzt kommt das große Aber:


Na, das bringts doch net. Also besser gleich hinfliegen zu gesunden, kraft- und saftstrotzenden Wäldern für den echten Waldbadegenuss.

Gefährliche Dübel

„Hallo, guten Tag! Sie sind die Dübelexpertin?“
„Kommt drauf an, was Sie wissen wollen.“
„Ich möchte mit Ihnen ein philosophisches Dübelfachgespräch führen.“
„Philosophisches Dübelfachgespräch? Sie wollen mich veralbern.“
„Keine Sorge, ich will nicht die Frage erörtern, wie man vor der Erfindung des Dübels durch Artur Fischer gedübelt hat, obwohl es nicht uninteressant wäre. Aber stellen Sie sich mal einen Dübel in einem Bohrloch vor. Da drehen Sie eine Schraube ein.“

Für eine Welt in Spannung: Artur Fischer, Erfinder, mit seinem liebsten Dübel – Foto AP/Trithemius Archiv

„Ja, und?“
„Die Schraube spreizt den Dübel, und in der Wand entsteht Spannung. Sie werden zugeben müssen, dass in jeder Wohnung eine Reihe von Dübeln in Bohrlöchern versenkt und durch hineingedrehte Schrauben gespreizt und gespannt sind, gespannt und gespannt, in Wänden der ganzen Wohnung, des ganzen Hauses, der ganzen Straße, des Viertels; man kann sagen, die ganze Stadt, was sage ich, der halbe Globus ist verdübelt, verschraubt und steht permanent unter Spannung.“
„Ja, und?“
„Betrachten Sie das mal unter den Gesichtspunkten des Feng Shui. Dass unser gesamtes Umfeld derartig unter Spannung steht, kann doch nicht gesund sein. Und Sie unterstützen das auch noch.“
„Ich unterstütze Feng Shui?“
„Nein, im Gegenteil!“

Kuriose Rituale (4) – Sitzbank stiften

Blogkollegin KaetheMargarethe erinnerte in einem Kommentar zu den Riesenschecks an „Theaterstühle, verziert mit Plaketten, auf denen der Spendername in Messing graviert, Bänke an Wanderwegen mit eingebrannten Gebernamen.“ Einen Sitz oder eine Bank zu stiften und mit Messingplakette zu versehen, ist auch eine kuriose Weise, sich selbst zu feiern, ist quasi ein geheimes Ritual, obwohl sich im Netz auch hierzu Fotos finden. Hier das Beispiel einer Eigentumsplakette aus Hannover mit Foto und Gedicht von mir:

Plausch mit Frau Nettesheim – Über Menschenverstand


Trithemius

Oje, oje, Frau Nettesheim! Unser Heimatplanet, die schöne Erde, schafft es nicht mehr.

Frau Nettesheim

Was meinen Sie?

Trithemius

Wegen uns, der Spezies Mensch. Wir sind schlimmer als diese Schmetterlingsraupe.

Frau Nettesheim

Schlimmer als der Eichenprozessionsspinner? Sie übertreiben hoffentlich.

Trithemius

Nein, lassen Sie mich exemplarisch berichten, hohe Frau: Nachdem ich am Freitag Flaschen zum Glascontainer an der Badenstedter Straße gebracht hatte, setzte ich mich auf eine der Bänke, die erhöht am Rand des Von-Alten-Gartens stehen, weit genug zurück, doch mit Blick auf die Straße. Stadtein- und auswärts rollte der Berufsverkehr.

Frau Nettesheim

„Rollen“ ist gut. Stadtauswärts steht man permanent im Stau.

Trithemius

Sie sagen es. Ich hatte Zeit, die Autos im Stau zu mustern. Bei einer durchschnittlichen Länge von vier bis fünf Metern pro Auto und einem Meter Abstand zum nächsten standen im Stau die ganze Straße hinunter nicht mal 20 Leute, denn in über 95 Prozent der Autos saß nur ein Mensch. Welch ein Aufwand an Blech, welche Belastung für die Anwohner, verursacht von einer Handvoll Menschen.

Frau Nettesheim

Jeder einzelne wird ein plausibles Motiv haben, da zu fahren und im Stau zu stehen.

Trithemius

Ja, wird es zumindest glauben, aber insgesamt, auf das Verhalten der Gattung Mensch bezogen, handelt es sich um kollektive Idiotie – wie beim SUV-Fahren – bei der Vielfliegerei – beim Massentourismus, dem exzessiven Fleischverzehr und und und – und nochmal und.

Frau Nettesheim

Definieren Sie Idiotie!

Trithemius

Nicht lassen zu können von Verhaltensweisen, die sich als schädlich erwiesen haben. Das Problem zu erkennen, aber nicht, dass man selbst Teil des Problems ist.

Frau Nettesheim

Das ist wahrscheinlich der „Menschenverstand“, den Bundesverkehrsminister Scheuer meint.

Trithemius

Wenn der Menschenverstand Idiotie ist, wenn idiotisches Verhalten als Normalfall gilt, ist der Planet leider nicht zu retten. Es sei denn, der intergalaktische Rat schickt Schädlingsbekämpfer und lässt die Menschheit vom Globus saugen, wie mans aus Menschenperspektive bedenkenlos mit Eichenprozessionsspinnern macht.

Frau Nettesheim

Aber über „Insektensterben“ jammern.

Kuriose Rituale (3) – Riesenscheck übergeben

Eines der albernsten Rituale in den Medien ist die Übergabe von Riesenschecks. Ich hatte mich schon in der Ausgabe 08/1993 des Magazins Titanic darüber lustig gemacht, die Fotos dazu aus diversen Zeitungen ausgeschnitten. Eine ulkige Hintergrundgeschichte: Als Lehrer hatte ich gute Beziehungen zur Aachener Presse. Während einer Projektwoche im Jahr 1994 hatte ich einen Redakteur der Aachener Zeitung in die Schule eingeladen. Im Kunstraum bewahrte ich in einer Schublade die DIN-A2 große Montage der Riesenschecks. Die fand ich, als ich für den Redakteur etwas aus der Schublade nehmen wollte. Ich zeigte sie ihm. Er fiel aus allen Wolken und rief: „Also, Sie waren das!“ (Der Beitrag war unter Pseudonym erschienen.)

Er berichtete, dass man sich in den beiden Redaktionen der Aachener Zeitungen gegenseitig verdächtigt hatte, die Satire gemacht zu haben, und man war darüber in Streit geraten. Man war sich aber schon vorher nicht grün. Ursprünglich hatte ich Fotos aus verschiedenen Zeitungen an die Titanic geschickt, hatte aber den Akteuren schwarze Augenbalken geklebt. Ein Titanicredakteur rief an und fragte, ob ich noch mehr Fotos hätte, denn man bekomme die Augenbalken nicht runter. Das Ersatzmaterial, stammte aber fast ausschließlich aus den beiden Aachener Zeitungen, mit dem Effekt, dass man sich gezielt vorgeführt fühlte und die Konkurrenz dahinter vermutete. Mit derlei unwägbaren Nebeneffekten muss der Satiriker leben, wusste schon Michail Soschtschenko:

    ”Der Beruf des Satirikers ist (…) geeignet, die Zeitgenossen regelrecht zu vergrätzen. Manche denken sich: Was soll das? Darf der denn das? Muss das eigentlich sein?”

Ja, muss. Das krachend Blöde, das eitel Selbstgefällige, in diesem Fall die medial provozierte Schamlosigkeit des „Tue Gutes und sprich darüber!“, derlei mediale Inszenierungen müssen als das entlarvt werden. Die Aachener Presse war voller Fotos mit der Überreichung von Riesenschecks. Besonders oft sah man bei diesem Ritual den damaligen Oberbürgermeister Jürgen Linden. Dem ist die folgende Bildgeschichte gewidmet. Sie beginnt mit einem weiteren Ritual, dem gemeinsamen Drücken eines Startknopfes:

Bilddokumentation, Konzept und Gif: JvdL

Kuriose Rituale (2) – Der erste Spatenstich

Die Teestübchen-Redaktion verwahrt sich entschieden gegen den liebedienerisch sich anbietenden Reim „Polen“ auf „Vestohlen.“ In Wahrheit liegt uns keinerlei Erkentnis vor, wer den Erweiterungsneubau des Städelmuseums errichtet hat. Foto: User Dontworry via Wikipedia

Kuriose Rituale (1) – Schlüsselübergabe

Über kuriose Rituale, wie sie in den Medien bildnerisch dokumentiert sind, tauschten wir uns letztens in Kommentaren aus. Das regte mich an, eine neue Reihe daraus zu machen. Zum Auftakt der Reihe zeigt eine Bild-Text-Kombination aus dem Teppichhaus Trithemius. Der Beitrag ist dort am 05. Juli 2015 in der Reihe „Ein Bild und seine Gedichte“ erschienen, verbunden mit der Aufforderung, ein Verslein beizusteuern. Ich veröffentliche zwei im Kommentar. Viel Vergnügen! Und wer Lust hat – nur zu!

Foto: R. Roeger – Text: JvdL

Radfahrergeschichten (1) – Makadam

Einmal in den 1990-er Jahren fuhren ein Freund und ich mit den Rennrädern durch das Eifelvorland südlich von Düren. Die Dörfer dort haben seltsame Namen, kurze wie Thum und Thuir, lange wie Frauwüllesheim und Jakobwüllesheim. Wir wollten Frauwüllesheim mal sehen, waren aber in Stockheim. Deshalb sahen wir auf der Karte nach. Wenn wir nicht zurückfahren wollten, müssten wir über Bubenheim fahren. Der Weiler besteht aus einer Burg und einigen Häusem und ist mit Stockheim durch einen Wirtschaftsweg verbunden. Weil aber auf der Karte ein Stück des Weges einseitig gestrichelt war, argwöhnten wir, er wäre dort nicht asphaltiert, was schlecht wäre für unsere schmalen Reifen. Da kam ein faltiges Frauchen daher. Ich grüßte artig, zeigte ihr den Weg auf dem Plan und wollte sie befragen. Sie aber fand sich nicht zurecht. Offenbar hatte sie Stockheim noch nie von oben gesehen, so in Theorie. Vermutlich war schon die Idee ihr fremd, man könnte sich just mit Stockheim kartographisch vertraut machen. Unverdrossen deutete ich auf die Karte und fragte: “Was meinen Sie, ist der Weg befahrbar?” Da sagte sie:

    Hören Sie mal! Dä war früher asphaltiert.
    Ob dä dat aber immer noch is, dat weiß ich auch net.
    Fahren Sie besser über Jakobwüllesheim!

So ist das nämlich in Stockheim: Früher war mal alles asphaltiert. Makadam*), du verstehst – die ganze Gegend war voll davon. Aber heute? Vielleicht hat man den Asphalt stellenweise weggekratzt. Unterm Makadam ist der Strand, sagt sich der ausgeschlafene Stockheimer. Nachdem uns die alte Frau diesen Bescheid gegeben hatte, begab sie sich auf den nahen Friedhof. Wir aber klickten in die Pedale ein und fuhren gegen ihren Rat nach Bubenheim. Kaum auf dem Weg, erkannte ich fern die klassische Karrenspur, wo der Asphalt aufhörte. Bald rollten wir über Kies und Sand. Wir waren Jahrzehnte zu spät gekommen.

    *) Makadam, der oder das, veraltet für Asphalt; nach McAdam (* 1836), einem schottischen Straßenbauingenieur

Frau Wülles, Jakob und die Buben schneiden was. (Foto: Karl-Heinz Jansen via Wikipedia)

Glücklich im Berggarten

Eine blonde junge Frau sitzt mit ihrem Freund am Tisch vor Linden backt. Sie hat verstreut auf den nackten Armen und Beinen vereinzelte Tattoos, gänzlich ohne Konzept, als hätte jeder, der grad zufällig vorbeikam, an beliebiger Stelle seine Ich-war-hier-Marke hinterlassen dürfen. Vor ihr steht einer in kurzen schwarzen Adidas-Shorts, hält die Knie durchgedrückt und unterhält sich. Er ist zufällig vorbeigekommen, wurde freudig vom Paar am Tisch begrüßt und ist geblieben. Er hat sich auf jede Wade einen dicken grünen Punkt tätowieren lassen. Wozu? Er selbst kann die Kreise nur sehen, wenn er sich verrenkt, nicht so stramm dasteht. Ob wohl ein Zusammenhang besteht zwischen der nachdrücklichen Wadenpräsentation? Drückt er die Knie durch, damit seine grünen Punkte gut zu sehen sind oder hat eine geheime synoptische Verbindung in seinem Hirn, eine Wadenfixierung hervorgebracht und die Lust, genau dort zwei dicke grüne Punkte zu haben?

Ich bin seit langem wieder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Im Jahr 2009, als ich neu in Hannover war und viel herumgefahren bin, um Stadt und Umgebung zu erkunden, bin ich in einer Stadtgärtnerei gewesen, wo mich ein freundlicher Gärtner ermunterte, prächtige Tomaten zu pflücken und zu kosten. Weil mir war, als wäre es gestern erst gewesen, beschloss ich hinzufahren, mich in Sachen Beet beraten zu lassen und eventuell eine Pflanze abzustauben. Ich fuhr zu den Herrenhäuser Gärten und weiter durch die Burgstraße, wo ich dachte, einst die Gärtnerei entdeckt zu haben, fand auch einen Eingang, an dem aber „nur für Personal“ stand. Obwohl meine Erinnerung anders war, trat ich durch die Toreinfahrt.

Ein Hof verlängert sich parallel der Straße zum Fahrweg entlang einer Reihe flacher Klinkerbauten. Links eine gut drei Meter hohe Hecke. Einer auf einem kleinen grünen Traktor kommt mir entgegen und schaut mich gleichmütig wackelnd an. Dieses Wackeln hat nichts mit mir zu tun, ist auch seinerseits keine bewusste Lebensäußerung, sondern wird auf seinen Körper vom Traktor übertragen, der wiederum kleinste Unebenheiten des gepflasterten Fahrwegs seismographisch aufzuspüren scheint. Ich dachte: „Kaum verlasse ich bekannte Wege, tut sich ein völlig fremdes Universum auf, worin Männer auf kleinen grünen Traktoren sitzen und wackelnd herumfahren.“

Ein weiterer Hof tut sich auf, dahinter Gewächshäuser. Ins erste trete ich ein. Eine Frau hantiert an einem Metalltisch mit Töpfen und Blumenerde. Sie fragt. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich wollte mich gerne beraten lassen.“
„Worüber denn?“
„In unserer Straße in Linden steht ein Spitzahorn inmitten eines Beets. Das würde ich gern mit Blumen bepflanzen und wüsste gern, welche Sorten sich für diesen Standort im Halbschatten eignen.“
„Dann fragen sie am besten im Freiland. Hier haben wir ja nur … Rapsreifessangai [?]“

Ach, Mist, jetzt muss ich in der Hitze noch weiter suchen. Ein weiterer Hof. In der Hecke ein großes offenes Holztor „nur für Personal.“ Ich bin ja quasi eine vom Traktorfahrer und einer Blumenpflanzerin akzeptierte Person, nur das Suffix „al“ fehlt mir noch. Brütende Hitze und allseits spritzendes Wasser aus mechanischen Wassersprühern. In einem Freilandbeet entdecke ich einen Gärtner, frage höflich, ob ich kurz stören dürfe und sage mein Sprüchlein auf. Er ist augenscheinlich froh um die Abwechslung und gibt bereitwillig Auskunft. Ein schöner Mann, denke ich, obwohl ich nicht auf Männer stehe. Wir sind uns sympathisch.
„Da lief gerade eine Spitzmaus übern Weg!“, unterbreche ich ihn.
„Und nicht nur eine.“

Derweil ich auf einer Bank nahebei Leute sitzen sehe, realisiere ich, dass ich nicht in der Stadtgärtnerei, sondern im Berggarten bin, der, durch die offizielle Pforte betreten, Eintritt kostet. Beim Infostand könnte ich Blumen erstehen, rät mir der Gärtner noch. Ich bedanke mich und gehe. So tiefenentspannt, wie der Gärtner ist, verstehe ich jetzt das Wackeln seines Kollegen. Ein entspannter Körper setzt auch den leisesten Erschütterungen nichts entgegen.

    „Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann gehe in den Garten.“ (chinesisches Sprichwort)