Schneller brauner Fuchs springt über faulen Hund

Nach langer Zeit traf sich ein Teil der Hack-Gruppe wieder bei Herrn Putzig. Zu meinem Bedauern fehlte aber Konrad Fischer. Ein anderer Gast sollte mir bekannt gewesen sein, denn er hatte vor Jahren auf der Geburtstagsfeier von Filipe d’Accord „Aufgelegt“, was ja die landläufige Bezeichnung für die Tätigkeit des Discjockeys ist. „Auflegen“ meint „Schallplatten auf den Plattenteller legen“, was heute selten geschieht. Die Arbeit des Discjockeys beginne beim Studium der einschlägigen Musik-Fachpresse, erfuhr ich. Hernach werde die Musik angehört und, wenn gut befunden, aufgesucht und in Playlists zusammengestellt. Beim „Auflegen“ drücke er nur noch Knöpfe, sagte der Gast.

Das Wort „Auflegen“ ist also eine von den versinkenden Metaphern. Bald werden nur noch wenige seine Herkunft kennen. Hernach wurde über Probleme mit Tanten gesprochen, was mich nur mäßig interessierte, denn ich habe theoretisch zwar Tanten im Rheinland, weiß aber nichts mehr von ihnen. Aber ich wollte sowieso von einem anderen Gespräch berichten.

Einmal bei einer Silvesterfete in Aachen unterhielt ich mich mit einem Doktoranden der Theoretischen Physik. Noch nie hatte ich mit einem Menschen gesprochen, der Theoretische Physik betreibt. Wie geht das wohl? Wir sprachen übers Schreiben, denn neben mir stand der Freund, mit dem ich einen Kriminalroman geschrieben hatte, und der Mann der theoretischen Physik beneidete uns, da er eben nur theoretische Physik zu schreiben habe. Ich sagte, dass englische Wissenschaftler wohl auch theoretische Physik zu erzählen wüssten. Der Physiker nickte: „Das ist so. Doch die Engländer selbst sagen, wenn man eine Arbeit über theoretische Physik lesen wolle, die knapp ist und nur das Wichtige in geraffter Form enthält, dann würde man auch als Engländer lieber die Arbeit eines deutschen Wissenschaftlers lesen.“

Dazu konnte ich ein Beispiel beitragen: Zu der Zeit, als man noch Fernschreiber mit Lochstreifen benutzte, hatten englische wie deutsche Fernmeldetechniker einen Funktionstest, um festzustellen, ob auch alle Zeichen korrekt übertragen werden. Die Engländer sendeten einen Satz, der alle Buchstaben des Alphabets enthält:

    THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG.

Die Deutschen Fermelder sendeten als Funktionstest nur „R“ und „Y“, denn diese beiden Buchstaben decken die gesamte Lochstreifenmatrix ab. Wenn R und Y korrekt übermittelt werden, sind der Datenweg und die Maschinerie in Ordnung.

Die Buchstaben R und Y (grau unterlegt) nutzen zusammen alle Nadeln der Lochstreifenmatrix


Das ist also der Unterschied: Deutsche Wissenschaft: RY
Englische Wissenschaft: THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG.
Jetzt kommst du!

Einstweilen wünsche ich allen, seien sie Aufleger, Physiker, Fernmelder, Tanten oder sonst was Schönes, einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr!

Eilt! Wichtig! Wichtig! – Das letzte Telegramm

Auf meinem Smartphone befindet sich der von mir selten genutzte Messenger-Dienst „telegram.“ Es handelt sich um die englische Schreibweise des eingedeutschten Fremdwortes „Telegramm“, zusammengesetzt aus griechisch tele = fern und gramma = Buchstabe, Schrift, zu Deutsch „Fernschreiben.“ Telegramme sind aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Ihre hohe Zeit hatten sie vor der Verbreitung des Telefons. In meiner Jugend Ende der 1960-er Jahre auf einem rheinischen Dorf hatten nur wenige Familien ein Telefon. In meinem Fall waren es die Nachbarn Ruß. Herr Ruß war mein Lehrer in der Volksschule gewesen. Aus wichtigen Gründen wurde bei Ruß angerufen. Traf ein solcher Anruf ein, kam Frau Ruß in den rosafarbenen Pantoffeln zu uns nach nebenan und rief ans Telefon. Was ein wichtiger Grund war, wurde unterschiedlich definiert. Beispielsweise gab es ein Mädchen, das anrief, um von mir Liebesbeteuerungen zu hören. Es war eine Pein für mich, denn das Telefon der Familie Ruß stand in der Diele, und durch die nur angelehnte Wohnzimmertür lauschten die Ruß mit. Ich stand mit roten Ohren in der Diele und hatte Zungenlähmung. Ein Telegramm wäre angenehmer gewesen:

    ++ LIEBE MICH! ++ SONST SATZ HEISSE OHREN! ++

Naturgemäß war der Inhalt von Telegramm-Botschaften in der Regel dramatischer, wie im gezeigten Beispiel:


Die Kürze war nicht nur im Fall des ohnehin blanken Sohns geboten. Denn jedes Wort kostete extra, weshalb der sogenannte Telegrammstil üblich wurde. Man diktierte den Text einem Postbeamten. Der übermittelte den Text mittels Fernschreiber an ein Telegrafenamt in der Nähe des Adressaten. Die streifenförmige Nachricht aus dem Fernschreiber wurde zurechtgeschnitten und auf einen Vordruck geklebt. Ein Motorradbote überbrachte das Telegramm noch am selben Tag. Noch im Jahr 1978 wurden nach Angaben der Deutschen Bundespost etwa 13 Millionen Telegramme übermittelt.

Diesen Dienst stellt die Post mangels Nachfrage zum Jahresende am 31. Dezember 2022 ein. Die Schrift- und Buchkultur bröckelt zuerst an ihren Rändern. Meine lieben Damen und Herren! Georg-Cristoph Lichtenberg wünschte sich das letzte Buch zu kennen. Ihr Teestübchenbetreiber wünscht sich, das letzte Telegramm zu bekommen. Man kann den Dienst im Internet nutzen. Für alle Fälle:

Zwischen den Jahren

Chefredakteurin Helene Nettesheim betrat voller Schaffensdrang die Redaktion und rief in die Runde: „Guten Morgen, meine Täubchen. Ich freue mich darauf, euch auszusenden, dass ihr mir das Porträt einer interessanten Person aus eurem Umfeld schreibt!“

„O nein! Warum das denn?“, rief Volontär Hanno P. Schmock, pfefferte Stift und Schreibblock zu Boden und trat darauf herum.

„Was’n los, Schmock?“, fragte Nettesheim.

„Interessante Personen!“, rief Schmock. „Ich dachte, jetzt sind mal die Uninteressanten dran!“

„Interessant, uninteressant, das ist doch eins wie das andere“, beschwichtigte Helene Nettesheim, „auf einer Metaebene ist auch die uninteressante Person wiederum interessant. Nehmen Sie nur mal den Mann, dessen Sätze aus den Interjektionen, „boarh, jungejunge, jaja, nee, umpf, dochdoch, mozzelmozzel“ bestehen.

„Eine interessante Person kenne ich nicht und sollte mir zufällig eine begegnen, beschreibe ich die nicht!“, bockte Schmock uneinsichtig weiter. „Obwohl – die Interjektion ‚mozzelmozzel‘ finde ich schon einigermaßen interessant.“

„Sag’ ich doch“, freute sich die Nettesheim. „Und jetzt an die Arbeit, Schmock. Die Kollegen sind schon ausgeschwärmt und grasen die interessanten Personen ab. Rasch hinterher und mitgemacht! Da können Sie was lernen.“

    Ob dabei mehr herauskam als ein schaler Geschmack im Mund des armen Volontärs, das meine lieben Damen und Herren, schreibe ich lieber nicht auf, – damit es mal etwas ruhiger zugeht zwischen den Jahren.

Sich überstürzende Meldungen

Im Raum saß ein Mann. Neue Sneakers an den Füßen, eine Jogginghose mit Nadelstreifen, die noch ein rotes Nahtband hatte, wie es bei Offiziersuniformen üblich ist. Er trug eine schwarze Kapuzenjacke, deren Kapuze am vorderen Rand einen Fellbesatz hatte. Auf dem Kopf saß eine schwarze Baseball-Kappe. Er war also eine durchaus durchschnittliche Erscheinung, – aber ein überaus wichtiger Mann, wie sich bald zeigen sollte. Plötzlich preschte auf der Straße draußen ein Meldereiter heran. Ich sah durchs Fenster, wie er von seinem Gaul sprang. Da stürzte er auch schon herein, sah den Mann, riss eine Depesche aus seiner ledernen Umhängetasche und reichte sie dem Mann.

Der las ungerührt und wischte den Boten wortlos fort. Die Situation hatte sich gerade erst beruhigt, als auf dem Asphalt schon wieder Hufgetrappel erscholl. Ein Reiter sprang ab, sein armes Pferd schäumte. In Flocken troff es von seinem zitternden Leib. Der wird doch wohl nicht …, konnte ich gerade noch denken, da stürzte der Reiter schwer atmend herein. Schon wedelte er mit einem Sendschreiben, salutierte vor dem Mann und mit den Worten: „23 Stunden ohne Pause, den Gaul zuschanden geritten, der Wichtigkeit wegen, Exzellenz!“, übergab er ihm die Botschaft.
„Jaja, schon gut!“, sagte der Mann. „Und halt‘ den Verkehr nicht auf. Ich habe keine Zeit zu antworten.“

Ja, aber warum nicht, dachte ich. Wenn derart wichtige Botschaften hereinkommen, sich Meldereiter sogar überstürzen, würde man doch eine angemessene Reaktion erwarten.
„Bitte, mein Herr!“, sagte ich, „es geht mich ja vielleicht nichts an. Doch ich bin beunruhigt ob der allgemeinen Weltlage. Vermutlich, nein, ganz gewiss, ist ihrerseits eine Veranlassung erforderlich. Würde man sonst einen derartigen Aufwand treiben, Sie zu informieren, wenn es mit wortloser Ungerührtheit getan wäre?“
„Sie haben recht“, sagte er, „die allgemeine Weltlage geht Sie gar nichts an. Und ob wirklich eine Veranlassung meinerseits nötig ist, wenn meine Alte mir schreibt, ich solle auf dem Rückweg vom Arzt zwei Avocados einkaufen, wage ich zu bezweifeln.“
Sein Mobiltelefon gab wieder Laut. Man hörte Hufgetrappel und Rösser schnaufen. Er warf einen Blick aufs Display. Las laut: „Und Knoblauch.“

Teestübchen Wissen – „Und Friede auf Erden“

In der Vorweihnachtszeit sei trotz des Kriegs in der Ukraine, trotz Waffenhandels und medialer Kriegspropaganda an ein Symbol erinnert, das ursprünglich ein Zeichen der Atomwaffengegner war, aber auch als allgemeines Friedenszeichen Verwendung findet. Es wurde im Jahr 1958 vom britischen Grafik-Designer Gerald Holtom entworfen. Ihm liegen die Buchstaben N und D des internationalen Flaggencodes zugrunde. Das Flaggenzeichen N steht in diesem Fall für Nuclear, D für Disarmament (Abrüstung) = Nukleare Abrüstung. Formal ist das Zeichen eine Binderune (zwei Zeichen an einem senkrechten Ast).

In der Praxis gab der Signalgast eines Schiffes die Zeichen nacheinander. Dieser zeitliche Ablauf steckt nicht mehr in dem von Holtom entwickelten Symbol. Man muss sich die beiden Phasen N [Phase 1] und D [Phase 2] gleichzeitig vorstellen. Eher zufällig wirkt der Signalgast in meiner schon im Jahr 2006 entstandenen Gif-Animation wie ein einsamer Rufer in der Wüste Einöde.
Zeichnung und Gif-Animation: JvdL (2006). „Und Friede auf Erden“ ist übrigens der Titel eines pazifistischen Buchs von Karl May

Süßer Fernsehschlummer

Vor dem Fernsehgerät einzuschlafen, gefällt mir in letzter Zeit immer besser. Wenn ich während einer abendlichen Magazinsendung, Kulturzeit, nano (3SAT), DAS, Hallo Niedersachsen (NDR), Lokalzeit (WDR) weggenickt bin und wieder aufwache, dann hat mein Schlummer die selbstgefälligen Akteure des Mediums auf ihre wahre Bedeutung zurückgestuft. Ihr Anspruch, in meiner Wohnstube den Ton anzugeben, hat sich als Anmaßung erwiesen. Was wann gesendet wurde, ist so gut, als wäre es nicht gesagt und gezeigt worden. Das rührt an die Frage, ob eine nicht verfolgte Fernsehbotschaft überhaupt existiert, wie ja auch ein nicht gelesenes Buch, die nicht aufgeschlagene Zeitung/Zeitschrift nur Totholz sind.

Und die freie Bedeutungsgebung erst. Bei der einen Sendung einzuschlafen und der Folgesendung aufzuwachen, erzwingt für den Augenblick einen überraschenden Kontextbezug. Hat man zuvor die uneigentlichen Aussagen einer satirischen Botschaft verfolgt, erweist sich der finstere Unhold der Nachfolgesendung als Komiker. Alle genannten Aspekte lassen sich mit dem Finger auf dem Weiter-Knopf der Fernbedienung erleben, aber von einer Sendung zur anderen zu schlummern, ist viel süßer.

Vor einer Weile habe ich im Teestübchen-Blog einen vermeintlichen PR-Beitrag des NDR-Fernsehens kritisiert und der Redaktion von „Hallo Niedersachsen“ den Link zugesandt. Man erklärte sich per E-Mail und schrieb abschließend:

    „Wir hoffen, Ihnen mit diesen Erläuterungen geholfen zu haben. Allerdings halten wir Bemerkungen wie „Warum machst du das, du Depp? (…) Ich musste nicht schmunzeln und wollte leider brechen.“ für keine gute Grundlage für einen Austausch über redaktionelle Entscheidungen.“

Holla! Die Majestäten des Verkündigungsmediums „Wir erklären die Welt, und ihr zieht euch das rein“ waren „not amused“, dass sich da einer anmaßt, mit deutlichen Worten zu kritisieren, was man ihm ohne Vorwarnung in die gute Stube gekübelt hat. Ja, tut mir leid. Ich bitte herzlich um Entschuldigung. Leider versäumte ich, beizeiten einzuschlafen.

Lebensfreude versus Klarer Geist

Ich reagiere auf kleinste Impulse. Darum funktioniert auch Homöopathie bei mir. Selbst, wenn ich sage, dass ich nicht dran glaube und zum Beleg einen Witz erzähle, den ich einmal in einer germanistischen Fachzeitschrift aus den 1950-er Jahren gefunden habe:

    „Wie machen die Homöopathen eine Hühnersuppe? Sie stellen einen Topf mit Wasser in die Sonne und treiben ein Huhn vorbei, so dass der Schatten des Huhns aufs Wasser fällt. Sie müssen das Huhn aber rasch am Topf vorbeischeuchen, damit die Suppe nicht zu kräftig wird.“

Dass und wie ich die Wirkung von Globoli trotzdem gespürt habe, ist an anderer Stelle schon erzählt worden. Es geht nicht darum, sondern um die Wirkung kleiner Impulse. Seit geraumer Zeit trinke ich diverse Teesorten einer bestimmten Firma, die ihren Tees Namen gibt – gleich einem Versprechen. Tatasächlich kann ich nach dem Tee „Klarer Geist“ gut denken und habe einige Texte unter dem Einfluss geschrieben, mit denen ich zufrieden war. Vom selben Hersteller gibt es auch die Sorte „Lebensfreude.“ Ich habe lange nicht gewagt, sie zu trinken, weil ich schlechte Erfahrungen mit dem „Glückstee“ einer anderen Firma gemacht habe. Den hatte mir eine wohlmeinende Frau geschenkt. Die Wirkung war genau gegensätzlich. Ich wurde davon trübsinnig und verfiel in bodenlosen Grimm.

Letztens kaufte ich trotzdem den Tee „Lebensfreude“ und trank ihn nach dem Aufstehen. Ich habe die positive Wirkung erst registriert, nachem ich beim Schreiben eine lange verlorene Leichtigkeit zurückfand, war den ganzen Tag gut gelaunt, wobei das eine das andere bedingte. Auch an folgenden Tagen hielt die Wirkung an und ließ mich heiterer als sonst durchs Leben gehen. Dann fiel mir auf, dass ich begann, flüchtiger zu lesen. Ich mochte mich nicht mehr auf Texte konzentrieren und verstand kaum noch etwas, weil ich alles nur überflog. Je besser meine Stimmung, desto geringer mein verständiges Lesen. Mein kritisches Denken erlahmte und wich einem oberflächlichen, ja ja, ich weiß schon. Nach einigen Tagen fühlte ich beim Denken nur noch Matsch im Kopf.

Heute nach einer Kanne „Klarer Geist“ frage ich mich und dich: Schließen sich Lebensfreude und geistige Klarheit eventuell aus? Die Frage lässt sich auch ohne Tee erörtern, also indem man die Teesorten und deren eventuelle Wirkung nicht in die Betrachtung einbezieht.

Betreutes Bloggen

„Bist du eher ein Tag- oder Nachtmensch?“, fragt mich kürzlich der WordPress-Editor. Tags darauf: „Welche eine Sache würdest du an dir ändern?“ Häh? Geht der Irrsinn jetzt auch bei WordPress los? Wer fragt da ungebeten und warum? Bei der Veröffentlichung eines Beitrags, tauchen die Fragen nicht auf. Sie sind nur „placeholder“, Platzhalter, dienen also nicht direkt der Datenerhebung wie bei den Windowsfragen. Diesen Fragen-Algorithmus hat man sich mit dem letzten WordPress-Update eingefangen. Bislang habe ich bei anderen nur Ablehnendes gelesen, zuletzt hier bei Mitzi.

Der Algorithmus soll vermutlich Texte anregen, falls da jemand den Editor aufruft, ins leere Formular starrt und nicht weiß, worüber er/sie schreiben soll. Zu „Welche eine Sache würdest du an dir ändern?“ fällt mir sogar etwas ein. Ich wäre gerne so ein Schaf, das derlei betreutes Bloggen begrüßt. Zudem möchte ich mich vorbehaltlos über alle Segnungen der digitalen Kommunikation freuen. Und als dritte Sache: Alles zurück! So einen Kopf möchte ich lieber doch nicht haben.

Ich verstehe ja, dass die WordPress-Programmierer sich langweilen, wenn sie den ganzen Tag Däumchen drehen müssen. Also denken sie sich Sachen aus, beglückten uns ungebeten mit einem frech „Gutenberg“ genannten Editor. Jetzt muss ich nicht nur den lästigen „Gutenberg“ umgehen, sondern auch noch vor jedem Beitrag zuerst den „placeholder“ abräumen. Das alles sind Steine, die einem im Weg liegen, wenn man im eigenen Blog publizieren will. Huhu, WordPress! Könntet ihr nicht wenigstens fragen, ob man das Zeug haben will?

Vor der Irrenanstalt

Meine Freundin und ich waren in einer verwinkelten Stadt unterwegs, um für mich eine Irrenanstalt zu suchen. Meine Form des Irreseins war nicht offenbar, dann ich fühlte mich im Kopf noch klar, was sich rein zufällig reimt. Wir hatten schon in einige Irrenanstalten hinein gesehen, aber die waren wenig ansprechend. Vor meinem Erwachen befand ich mich am Fuß einer weiteren Anstalt. Sie lag an einem Kanal. Der Weg dorthin führte über ein verwirrendes System von Brücken und Schleusenübergängen. Meine Freundin war zurückgeblieben, als ich am Eingang anlangte. Ich wollte nicht warten. Das Portal war nur über eine Leiter zu erreichen, die oben an der Dachrinne angelehnt war.

Ich musste also etwa auf halber Leiterhöhe von der Leiter absteigen und den Schritt in die offene Tür wagen. Da stand ich in einem Flur mit dunkelgrünem Leimverputz. Von der Decke wucherte schwarz und unförmig der Schimmel herab. Nein, hier wollte ich mich keinesfalls weiter umsehen und wandte mich ab zum offenen Eingang. Doch wie konnte ich hinunterlangen? Als ich die Leiter erfasste, verrutschte sie, so dass ich beinah abgestürzt wäre. Ich konnte gerade noch mit dem rechten Arm einen Türpfosten umklammern. Weil sie nicht am Dach verankert war, fürchtete ich zu Recht, die Leiter würde wegrutschen, wenn ich versuchen würde, um sie herumzuklettern. Auf ihrer Innenseite abzusteigen, traute ich mir nicht zu.

Da kam ein junger Mann die Leiter hoch. Ich bat ihn, mir beim Abstieg zu helfen. Nur widerwillig stimmte er zu und reichte mir die Hand, als ich nach draußen trat. Die Anstalt stand auf einem Sockel, der fast senkrecht abfiel. Unten wartete ein weiterer junger Mann. Ich streckte ihm heischend die Rechte entgegen, und wagte mich vor. Er ergriff meine Hand. Ihre beiden Arme längten sich, und so schafften es die beiden Kerle, mich sanft am Fuß des Sockels abzustellen. Da kam auch meine Freundin heran und kroch wieder zu mir ins Bett.

Bücher und Sachen zu Weihnachten

Eigentlich wollte ich ja vor die Tür gehen. Da brachte der Paketmann zwei Bücher, „Das Ächzen der Dinge“, ein Buch von mir selbst, das ich verschenken will, und eins von Blogfreund Manfred Voita, „Ich mit fremden Federn“, das ich mir selbst geschenkt habe. Ich las Manfreds erste und letzte Geschichte, weil das in einer Anthologie meistens die besten Stücke sind, schaute auf die Uhr und fand, dass es schon spät war. Dann verlockte mich der letzte „Handgemachte Nürnberger Elisenlebkuchen“. Freund Ernst-Christian Dümmler (CD), der Layouter meines Buches, hatte mir eine Tüte mit 600 Gramm Lebkuchen geschickt und geschrieben: „Man kann ja nicht immer Printen essen.“

Der Elisenlebkuchen war sehr lecker, mindestens so lecker wie der Erste gewesen war. Inzwischen sagte der Prokrastinist in mir, ich könne das Hinausgehen getrost auf morgen verschieben. Am ausdauernden heimeligen Rauschen der Heizung wäre schließlich abzulesen, dass es draußen lausig kalt ist. Na gut, dachte ich, ich bin ja mein eigener Herr. Dieser Herr aber erspähte oben am Nachbarhaus etwas Sonnenschein und mahnte, aus Gründen wäre es besser, jetzt doch noch vor die Tür zu gehen. Wenn da zwei in mir zu diskutieren anfangen, das kann dauern, bis der letzte Rest Sonnenschein an der Hauswand oben verschwunden sein wird. Ich gehe ja ohnehin, wenn überhaupt, nicht die Fassade hoch, sondern durch Häuserschluchten, wenngleich der Fassadenbummel eine hübsche Idee wäre. Doch ich bin nicht schwindelfrei.

Am Morgen hatte ich schon gecancelt, mit dem Rad zum Künstlerbedarfsgeschäft zu fahren. Meine Aachener Enkel haben gerade das analoge Zeichnen für sich entdeckt. Der Kleine wünscht sich ein DIN-A4 Skizzenbuch mit etwas dickerem Papier. Seine große Schwester würde sich über ein Buch zum Zeichnen von Menschen/Gesichtern freuen. Das Geschäft liegt von mir aus gesehen hinter dem Lindener Berg. Der erhebt sich stattliche 35 Meter über das Stadtgebiet von Hannover auf erschreckende 89 Meter über dem Meeresspiegel. Mich schreckte der Gedanke, ihn mit dem Rad zu überqueren. Allerdings bleibt die Straße etwas unterhalb seiner gewiss völlig vereisten Kuppe. Und ich weiß auch nicht genau, ob man da ohne Sauerstoffmaske auskommt.

Als ich neu in Hannover war, lernte ich, dass man nicht einfach in dieses örtliche Fachgeschäft für Künstlerbedarf treten kann, um beispielsweise einen Radiergummi zu kaufen. Es reicht auch nicht zu sagen, man wäre extra mit dem Rad über den steilen Lindener Berg gefahren, hätte also erhebliche Mühen auf sich genommen und den mannigfaltigen Gefahren auf vereisten Radwegen getrotzt, denn die exklusiven Radiergummis würden auch jenseits des Berges gerühmt. Nein, ich musste Mitglied werden, und musste auf einem Anmeldeformular glaubhaft beurkunden, dass ich entweder Künstler bin, Kunststudent, Grafik-Designer, Kunstdozent oder sonst ein Papierbeknüsler.

In diesem Laden wollte ich eigentlich einkaufen, weil ich nach Kräften unterstützen will, dass meine Enkel das iPad zur Seite legen und das ehrliche Handwerk des Zeichnens anstreben. Bin aber nicht vor die Tür gekommen. Die Sonne oben am Nachbarhaus ist inzwischen auch weg. Schade.