Update Kurt-Schwitters-Hannover-Projekt

Es geht voran im Schwitters-Hannover-Projekt. In Windeseile fertigte gestern Alice den Satz acht, gestaltet im Freestyle. Wer ihr Blog kennt, hat sicher bereits gesehen, dass Alice im Lettering geübt ist. Besonders beeindruckt mich die umlaufende Zeile in geläufig geschriebener Kurrentschrift.

Heute Morgen gestaltete ich Satz neun im Stil des typographischen Märchens „Die Scheuche“ von Kurt Schwitters, Käte Steinitz und Theo van Doesburg. Das Märchen ist aus typografischem Material einer Setzerei gestaltet. Der Schriftsetzer, der hier half, hieß Paul Vogt.


Das Besondere ist der schwierige Schrägsatz von Lettern und Linien, denn typografisches Material ist immer rechtwinklig. Mit Gestaltungssoftware wie Photoshop ginge es natürlich leicht. Aber ich habe mich entschieden, meinen zeichnerischen Entwurf am kommenden Mittwoch im Buchdruckmuseum Hannover-Linden nachzubauen, wenn man mich lässt und die Kollegen dort mir helfen. Da ich aus den 12 Arbeiten eine Kunstpostkartenserie für alle sechs am Projekt Beteiligten fertigen will, könnte ich diese eine Postkarte im Buchdruck erstellen. Satz vier ist noch in Arbeit (Anna Socopuk). Update 23:45 Uhr: liegt vor.) Es fehlen dann nur noch Sätze sechs und zehn. Zehn habe ich gestaltet, wer übernimmt sechs?

Update Kurt Schwitters „Hannover“

In den letzten Tagen erreichten mich neue Arbeiten zu Kurt Schwitters „Hannover.“ Feldlilie und Frau Heming unterwegs haben jeweils ein zweites Blatt gestaltet. Da wollte ich mich nicht lumpen lassen und habe heute morgen auch einen weiteren Satz visualisiert. Die Zeile in Kurrent lautet „Hannovers Rathaus gehört den Hannoveranern.“ Die Fotos der Collage stammen von mir.

In die richtige Reihenfolge gebracht, lässt sich jetzt schon einiges lesen. Vor den beiden letzten Sätzen fehlen noch fünf. Ich gebe aber nicht eher Ruhe, bis alle zwölf Sätze vorliegen. Denkbar wäre, aus den fertigen Arbeiten eine Postkartenserie zu machen.

Am schmutzigen Haus vorbei – Ich hole Brötchen

Viele Jahre bin ich morgens nur zum Bäcker gegangen, wenn ich eine Frau beherbergte. „Essen zu jagen“, ist ja eine biologische Konstante und vermutlich in den männlichen Genen verankert. Dass Frauen derlei Aktivität zu würdigen wissen, in den ihren. Seitdem ich erst um zehn Uhr frühstücke, habe ich mir angewöhnt, nur für mich Brötchen zu holen, was ein erst spät in meinem Leben einsetzendes Element der verantwortlichen Selbstsorge ist. Am Treppenabsatz grüßt freundlich die Frau von der Treppenhausreinigung. Sie wischt gerade die Fensterbank des Hoffensters.

„Machen Sie wieder alles schön?“, frage ich.
„Jaja, muss ja!“
Hier fällt mir keine Entgegnung ein, aber ich hätte natürlich „Dankeschön!“ sagen können, ich Trollo. Vor der Haustür wende ich mich nach rechts und strebe der Davenstedter Straße zu. Die Sonne müht sich durch einen Dunstvorhang, bietet jedoch genug Licht, um mich zu beflügeln. Eine groß gewachsene junge Frau quert eilends meinen Weg. Passend zu ihrer Hautfarbe trägt sie schwarze Strümpfe oder Leggins. Vor Jahren schon sagte meine Freundin Mimi. „Viele junge Frauen vergessen den Rock.“ Leggins ohne Rock darüber finde ich unschön. Das wirkt, als wäre die Strumpfhosenbande aus der Kita ausgebrochen. Eine Weile versuche ich Schritt zu halten so 20 Meter hinter der Frau, die den Rock vergessen hat. Doch sie ist zu schnell, will offenbar zur Straßenbahn und nicht erleben, wie die Bahn von hinten heranrollt und sie überholt. Bevor ich die Davenstedter überquere, schaue ich die Straße hinauf und hinab. Die junge Frau hat die Höhe der Haltestelle erreicht und quert ebenfalls.

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„Hannover“ wartet – Aufforderung zum Gestalten

Meine lieben Damen und Herren,
vor einer Weile habe ich dazu aufgerufen, einen der zwölf Sätze aus dem Text „Hannover“ von Kurt Schwitters zu visualisieren und versprach, mich selbst am Projekt zu beteiligen. Es war immer mein Grundsatz, nichts von anderen zu erwarten, was ich nicht selbst zu leisten gewillt bin. Doch eine grafische Handarbeit ist heutzutage eine Herausforderung für mich. Schreibend und zeichnerisch bin ich völlig aus der Übung, ein Effekt der leichten Verfügbarkeit der technischen Schrift. Gestern und heute habe ich nun meinen Beitrag geleistet, habe wieder geübt, Schrift zu zeichnen und Kurrent zu schreiben, denn Schwitters schrieb ebenfalls Kurrent. Bei den B-Wohnern habe ich freilich gemogelt und alte Zeichnungen von mir einmontiert. Mir der Arbeit kam die Lust am Tun, und es war eine erfrischende und absolut befriedigende Rückkehr in schöpferische Zeiten, bevor die Gestaltungssoftware alles so leicht gemacht hat. Im zweiten Schritt habe ich wieder Photoshop genutzt, und ich erinnerte mich daran, einst propagiert zu haben, dass das die beste Abfolge ist, zu entwerfen und auszuführen händisch und anschließend mit Photoshop oder Ähnlichem zu bearbeiten. Ich hoffe, das Ergebnis obeN links ist ein Ansporn, sich noch zu beteiligen, denn leider sind längst nicht alle Sätze vergeben. Lesbar wäre der Text aber erst, wenn alle Sätze vorliegen. Die ersten Ergebnisse sind am Schluss des Beitrags zu sehen.
Hier nochmals die Liste:

    1) Die Hannoveraner sind die Bewohner einer Stadt, einer Großstadt.
    [bereits gestaltet von Trithemius]

    2) Hundekrankheiten bekommt der Hannoveraner nie.
    [bereits gestaltet von Feldlilie]

    3) Hannovers Rathaus gehört den Hannoveranern, und das ist doch wohl eine berechtigte Forderung. [gestaltet von Trithemius]
    4) Der Unterschied zwischen Hannover und Anna Blume ist der, daß man Anna von hinten und von vorn lesen kann, Hannover dagegen am besten nur von vorne.
    [vergeben an Anna Socopuk]

    5) Liest man aber Hannover von hinten, so ergibt sich die Zusammenstellung dreier Worte: „re von nah“. [bereits gestaltet von Christian Dümmler, CD]
    6) Das Wort „re“ kann man verschieden übersetzen: „rückwärts“ oder „zurück“.
    7) Ich schlage die Übersetzung „rückwärts“ vor. [gestaltet von Andrea Heming]
    8) Dann ergibt sich also als Übersetzung des Wortes Hannover von hinten: „Rückwärts von nah“. [gestaltet von Alice]
    9) Und das stimmt insofern, als dann die Übersetzung des Wortes Hannover von vorn lauten würde: „Vorwärts nach weit“. [gestaltet von Trithemius]
    10) Das heißt also: Hannover strebt vorwärts, und zwar ins Unermeßliche.
    11) Anna Blume hingegen ist von hinten wie von vorne: A-N-N-A. [gestaltet von Feldlilie]
    12) (Hunde bitte an die Leine zu führen.) [bereits gestaltet von Andrea Heming]

Vom Preis der ständigen Verfügbarkeit

Jeder von uns kennt Musiktitel, mit denen sich ganz spezielle Erinnerungen verknüpfen. Bei mir ist beispielsweise A Whiter Shade Of Pale von Procol Harum. Der Titel versetzt mich auf die Insel Texel des Sommers 1967 und zwar nach Den Burg in die Imbissstube
‚t Ijsbeertje, wo der Titel sich in der Musicbox befand. Ich weiß nicht mehr, welche Münze man einwerfen musste, um das zu hören, vielleicht eine Quartje genannte 25-Cent-Münze. Het Ijsbeertje am Markt war ein Treffpunkt jugendlicher Touristen, wahrscheinlich wegen der Musicbox. A Whiter Shade Of Pale erinnert mich an das Mädchen aus der Nähe von Amsterdam, in das ich heiß verliebt war. Ebenso in der Musikbox war Death Of A Clown, die erste Solosingle des Kinks-Gitarristen Dave Davies. Noch Jahrzehnte hatte ich die glockenhelle Stimme meiner Freundin aus der Texel-Vakantie im Ohr, wenn sie den Refrain trällerte.


In den 1970-er bis 1990-er Jahren war es ein Glücksfall, wenn einer der beiden Titel mal im Radio lief. Stets hüpfte mein Herz und ich kehrte in die Zeit dieses schier endlosen Sommers zurück, als ich aus Verliebtsein Niederländisch lernte und das Mädchen und ich aus mehreren Cafés gewiesen wurden, weil wir zu innig geküsst hatten. Doch indem beide Titel mir heute jederzeit zu Verfügung stehen, haben sie ihre Kraft eingebüßt. Das gilt für alle anderen, für I’am A Walrus von den Beatles, das ich an einem Samstagmittag in einer Neusser Kneipe hörte, als der Geselle Dieter Monitz mit mir meine bestandene Schriftsetzer-Gesellenprüfung feierte wie für From the Underworld von The Herd.

Jules van der Ley mit 17 Jahren – (Foto: Franz S.)

Ebenfalls mit 17 erlebte ich einen Auftritt der „Sing-Out-66“-Bewegung in der Aula des Grevenbroicher Kreis-Gymnasiums. Die Sing-Out-Vortragsgruppe bestand aus sauber geschniegelter jungen Leuten aus den USA. Sie tingelten 1966-67 auf Einladung der Bundesregierung durch die Lande und sollten die einheimische Jugend moralisch gegen den aufkommenden Pazifismus und die Kritik am Vietnamkrieg rüsten. Der Sing-Out-Chor verkörperte so perfekt die heile Welt, dass man bereit war, dem Kredo zu folgen. Gegen Ende des Auftritts spielte die Begleitband einen Titel der englischen Band The Herd, From the Underworld. Der Schlagzeuger verspielte sich. Plötzlich wichen die fröhlichen Mienen der Sängerinnen und Sänger und sie funkelten den Schlagzeuger böse an. Das hat mich beeindruckt, weils war, als hätte man allen die Charaktermasken abgerissen, und ich ahnte, dass die gesamte Botschaft falsch war. Wenn ich die oben genannten Titel aufrufe, verblasst die Erinnerung bei jedem beliebigen Wiederhören. Am Ende bleibt nur das, was ich aufgeschrieben habe und es ist mir ganz unwirklich geworden, weil nur noch Text. Das ständig Verfügbare jedweder Musik banalisiert also ganzheitliche Erinnerungen.
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Auf die Zunge gebissen

Einige Tage habe ich vergeblich versucht, mich an ein Traumbild zu erinnern, in dessen Folge ich mir auf die Zungenspitze gebissen habe. Das Traumbild einer Frau hatte mir in Breitwand so klar und deutlich vor Augen gestanden, und dann war es im gleichen Traum durch die reale Frau entzaubert worden. Da biss ich mir auf die Zunge, nicht im Traum, sondern tatsächlich, obwohl das eine wie das andere gleich weh getan hätte, wie ein geträumter Zungenbiss ebenfalls Spuren hinterlassen würde. Weil es in meinem Bett derart gefährlich wurde, bin ich aufgestanden. Es war sechs Uhr.

Hinfort versuchte ich mich ans Traumbild zu erinnern, in dessen Folge ich mich gebissen hatte. Es waren meine eigenen Zähne gewesen, kein Gebiss hatte zugebissen wie das des belgischen Cartoonisten Kamagurka:

    Ich wurde durch meinen Zahnarzt reingelegt.
    Der Scheißkerl hat mir ein falsches Gebiss verpasst.
    Ein sehr falsches Gebiss.
    Es beißt ohne vorzuwarnen.

    (Aus: Kamagurka; Kamiel Kafka’s nog niet verzamelde werk, Antwerpen 1997 –
    aus dem Niederländischen übersetzt von Jules van der Ley)

Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, als ich am Samstagmittag an einer Plakatwand vorbeikam. Dort war in Gesicht und Farbgebung mein Traumbild zu sehen. Es zeigte genau diese stylische Gesichtslarve, die ich geträumt hatte, auch mehrmals nebeneinander, was mir rätselhaft erschien, als ich mich noch zu erinnern versuchte. Ich hatte dieses Gesicht geträumt, das bei alltäglicher Beleuchtung, ungeschminkt und ohne Weißhaarperücke nur ein enttäuschender Abglanz wäre.

Foto: JvdL

Ich schwöre, ja, ich schwöre dir, dass ich das Plakat vorher nie gesehen habe, an die manieristische Typografie von gespiegelten und gestürzten Lettern würde ich mich erinnern. Anna Loos ist mir auch sonst nie sonderlich aufgefallen, das schwöre ich auch. Verflixt, jetzt habe ich mir schon wieder auf die Zungenspitze gebissen!

Ich hätte es gerne unbillig

„Die haben mich gesagt, ich soll dich das in der Briefkasten stecken“, radebrecht der junge Postbote. Ich zeige ihm den gedruckten Adressaufkleber: „Hier steht doch eindeutig: „Absender!“ Er schaut hin, aber versteht nicht. Ach, wie schön die Zeiten, als Postboten noch Beamte waren und ihren Beruf mit Sachverstand ausübten, als Postzustellung noch als hoheitliche Aufgabe galt, die nicht von ungelernten Aushilfskräften erledigt wird, die den Unterschied nicht kennen zwischen Anschrift und Absender. Damals gab es noch den Ehrgeiz, eine Sendung richtig zuzustellen.

Das leistete die Post, selbst wenn die Anschrift unvollständig oder schlecht lesbar war. Für solche Fälle gab es eigens eine Abteilung, die mit detektivischer Akribie nachgeforscht hat. Auch ist man den Ursachen einer Zustellungspanne auf den Grund gegangen, beschied nicht achselzuckend: „Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte!“ Das erfuhr ich bei der Lindener Deutsche-Post-Filiale, von wo ich den Umschlag abgeschickt hatte, der tags darauf an mich zurückgegangen war. Das Porto wird immer teurer, aber der Service wird immer schlechter. Es gilt für alle ehedem Staatsbetriebe, die zum Segen von Anteilseignern privatisiert worden sind. Weil überall Wegelagerer und Zolleintreiber zugelassen wurden, brauchen wir ein Deutschland zum Spartarif, das schäbige Kind von Schröder und Merkel. Beispiel? Bevor der Fernmeldesektor privatisiert wurde, war ein Anruf bei der Auskunft kostenlos. Private Anbieter klagten dagegen wegen unlauteren Wettbewerbs, so dass auch die Telekom verpflichtet wurde, Gebühren für die Auskunft zu erheben. Privatisierung ist nichts als eine moderne Form der Wegelagerei und für unser Sozialleben so vernichtend wie Glyphosat für jedes natürliches Pflänzchen. Deutschland zum Spartarif, das ist „der größte Billiglohnsektor Europas“, wie Schröder einst stolz verkündete. Wer will das? Nur die Ganoven, die sich durch Ausbeutung billiger Arbeitskräfte eine goldene Nase verdienen. Die Frau von der Citypost hat nichts zu lachen, wie sie da friert im T-Shirt in der Nasskälte.

Nicht lustig – T-Shirt im Regen – Foto: JvdL


Aber ist nicht alles schön billig? Ja, herrlich, denkt sich die Fachärztin, die nur Privatpatienten behandelt, ihre Rechnungen aber mit der Citypost versendet. Würde man allen gerechten Lohn bezahlen, bräuchten wir kein Deutschland zum Spartarif und der Fachärztin ginge es keinen Deut schlechter.

„In der Kaffeebud“, sangen die Bläck Föös 1978 und schildern das heute längst verlorene Idyll der Frühstückspause von Arbeitern in einem Kiosk. Da treffen sich Schreiner, Putzer, Polizist und Postbote, um gemeinsam Kaffee zu trinken. Daran muss ich oft denken, wenn ich den armen Citypostboten sehe, der seine Pause bei jeder Temperatur draußen auf einer Bank macht. Bei Regen steht er unter einem Vordach, ein noch junger Mann ohne die Perspektive je genug zu verdienen, dass er eine Familie gründen könnte. „Deutschland zum Spartarif?“ Das ist doch hässlich.

Ich hätte es gerne unbillig.

Die Neue in der Teestübchenredaktion

Chefredakteur Julius Trittenheim steht verzückt lauschend in der Teestübchenredaktion und sagt: „Horchen Sie mal, Herr Schmock! Sie auch, Frau Kirchheim-Unterstadt! Horchen Sie nur! Hören Sie die wundersame Musik der Tastatur aus meinem Büro? Das nenne ich
Die Kunst des Tippens – kurz gleich einem Regenschauer aus Buchstaben.

„Wer tippt denn da“, fragt Frau Kirchheim-Unterstadt erstaunt, „ich dachte, Frau Erlenberg hat sich krank gemeldet.“

„Sie hören unsere neue Aushilfe, Frau Dr. Cornelia Wittlich geborene Klüsserath. Sie wird für mich die Schreibarbeiten erledigen, solange Frau Erlenberg ihre Sehnenscheidentzündung auskuriert. Frau Dr. Wittlich ist Ethnologin und hat promoviert zum Thema ‚Das Verzehrverbot von tätowierten Schafsohren im Hunsrück des 18. Jahrhunderts.’ Überdies kann sie perfekt Maschinenschreiben, tippt 450 Anschläge pro Minute. Ein Glücksgriff für mich, Frau Kirchheim-Unterstadt! Leider spricht Frau Dr. Wittlich nur Moselfränkisch, und davon einen ganz seltenes, schier unverständliches Platt. Ihre Hochsprache ist Luxemburgisch, also Letzeburgisch, und weil ich das leider auch nicht kann, gibt es da eine kleine Sprachbarriere zwischen mir und Frau Dr. Wittlich. Trotzdem hoffe ich, mit ihrer Hilfe heute noch eine Fortsetzung von Einiges über die Magie der gesprochenen Sprache zu schreiben.“

„Wie soll das gehen, wenn Sie ihr diktieren und Sie nichts versteht, Herr Trittenheim?“

„Nun seien Sie doch nicht gleich so skeptisch. Frau Kirchheim-Unterstadt. Frau Dr. Wittlich und ich werden uns schon irgendwie verständigen.“

„Das wird was werden.“

„Sie als Fitnessbeauftragte der Teestübchenredaktion werfen sich bald mit Frau Dr. Wittlich anfreunden, Frau Kirchheim-Unterstadt. Ihretwegen hat Frau Dr. Wittlich gleich ihren Sitz- und Gymnastikball mitgebracht.

Von heimtückischen Dingen und lahmer Evolution

Ich musste in einem sehr alten Buch lesen, das überdies in Fraktur gedruckt war, um der Tücke des Objekts auf die Spur zu kommen. Dabei meine ich die Begrifflichkeit, nicht, dass mir die Tücke der Objekte unbekannt wäre. Erst gestern habe ich mit einer widerspenstigen Rolle Paketklebeband gekämpft, habe wirklich mein Möglichstes getan, sie nicht falsch zu behandeln, dass sie etwa Anlass hätte, mir Schwierigkeiten zu machen. Vergeblich. Erst war es schier unmöglich, ihren Anfang zu finden. Ich musste in meinen Fingerkuppen quasi seismologische Sensibilität aufwenden, um das Ende zu ertasten, das sich im Satz zuvor unpassender Weise „Anfang“ genannt hat, wobei jeder verständige Mensch unmittelbar verstehen wird, dass sich der Anfang am unzugänglichen Rollenkern befindet. Hatte ich also das Ende erahnt, haben meine Fingernägel lange Zeit nichts aber auch gar nichts ausrichten können, so dass in mir erstmals der Gedanke keimte, dass die Tücke der Objekte zunimmt, die menschliche Evolution aber nicht Schritt gehalten hat. Dass also das praktische Handgeschick, die einzige Handhabe gegen die Tücke der Objekte, weit hinter dem Anwachsen der Objekttücke hinterherhinkt.
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Einheimische Socken, verzweifelt gesucht

Es kann leicht passieren, dass einer durchs Leben geht, ohne je von Chloë Grace Moretz (21) etwas zu hören oder gehört zu haben. So einer wäre ich, wenn nicht die Süddeutsche Zeitung irgendwann im letzten Oktober jungfräuliche Teile meines Gehirns mit Chloë Grace Moretz bekannt gemacht hätte. Zum Glück habe ich das in mein Notizbüchlein geschrieben, quasi zur Beweissicherung. Heute dachte ich ganz arglos was daher, und plötzlich ging es nicht mehr voran: Da lagen Socken im Weg, und ich fragte mich, wo kommen denn die her und wieso liegen die hier rum?

Mein Notizbuch beweist: Die SZ hat die zurückgelassen. Sie hat geschrieben: „Chloë Grace Moretz (21) amerikanische Schauspielerin ist eine einfallslose Schenkerin. ‚Ganz ehrlich, ich schenke immer nur Socken‘, sagte sie der InStyle. ‚Socken sind das beste Geschenk. Jeder kann welche brauchen, und sie kommen einfach immer gut an.‘ Wenn sie auf Reisen sei, halte sie immer nach landestypischen Socken Ausschau.“
(Süddeutsche Zeitung (SZ) 11.10.2018)
Donnerwetter! Ist grad mal 21 Jahre und schon eine ausgewachsene Philosophin, so dass Deutschlands Qualitätsmedien sie begeistert zitieren. Doch wie kommt die SZ auf das Attribut „einfallslos“, wenn Chloë Grace so etwas Kompliziertes schenken will wie „Landestypische Socken?“ Es gab gewiss Zeiten, als Socken selbstgestrickt wurden, eventuell mit regionalen Motiven oder in den Landesfarben. Auch heute wird’s noch getan. Das Internet ist voller Anleitungen, Socken zu stricken. Aber landestypisch ist das nicht. Landestypisch sind bei uns Socken aus Südostasien. Man kauft sie im Pack für wenig Geld, denn unsere Socken sind Wegwerfware. Chloë Grace Moretz (21) müsste demnach am besten die Socken bei C&A oder Primark kaufen. Aber davon muss ich doch wirklich nichts wissen.