Zeit meines Lebens habe ich mir bei anderen etwas abgeschaut, besonders in Beziehungen. Eine Exfreundin hatte die Gewohnheit, Münzgeld in einem großen Glas zu sammeln. Da hatte sie immer eine leichte Geldbörse und musste an der Kasse nie nach Kleingeld kramen. Bevor sie nach München umzog, schleppten wir ihre Sammlung von Euro-Centmünzen zur Sparkasse in der Nachbarschaft, wo man einen Zählapparat hatte, in den die Münzen hineingekippt werden konnten. Das war noch in Aachen. Das Verb „schleppen“ ist hier angemessen, denn Münzgeld hat ein ordentliches Gewicht. Inzwischen haben die Sparkassen diesen Service eingestellt.
In Hannover bietet ihn nur noch die Filiale der Bundesbank an. Sie liegt im Bankenviertel an der oberen Georgstraße, also in der Nähe des Stadtzentrums, was für mich eine weite Anfahrt mit dem Fahrrad bedeutet. Ich sammle das Kleingeld in einer Kaffeedose. Diesmal hatte ich zu lange gesammelt. Die Kaffeedose quoll über, und ich musste für den Transport weitere Behältnisse organisieren. Die Sammlung war so schwer, dass ich fürchtete, der Tragbügel meiner Radtasche würde reißen. Wie in den Jahren zuvor fuhr ich mit meiner Sammlung zur Filiale der Bundesbank. Man muss in diesem martialischen Bauwerk, das mal die Deutsche Reichsbank beherbergt hat, an einem Pförtner hinter Panzerglas vorbei. Er grüßte schon von weitem, brannte wohl auf den inneren Vorbeimarsch, mir sagen zu können, dass Zutritt nur nach Anmeldung im Internet möglich wäre. Außerdem wäre die Kasse schon zu. Es war gerade elf Uhr! Er gab mir einen Zettel mit einer Webadresse für die Terminvorgabe. Zu Hause stellte ich fest, dass sie nicht funktioniert bzw. mich auf die Seite der Bundesbankzentrale leitete. Nach einigen Fehlversuchen fand ich die Option Terminvergabe auf der Seite der Hannoverschen Bundesbank. Man kann in einem Kalender freie Termine suchen, für die Zeit von werktags 9 Uhr bis 11 Uhr. Der nächstmögliche Termin ist der 3. November!
Die geschilderten Schwierigkeiten hängen wohl mit dem Bestreben zusammen, das lästige Bargeld abzuschaffen. Die Option des Münzeintauschs wurde nach meiner Beobachtung von Menschen aus allen Schichten genutzt, auch von Obdachlosen, Straßenmusikanten, Straßenmalern und anderen Kleinkünstlern. Menschen vom unterem Rand der Gesellschaft wird durch die Onlineterminvergabe der Zutritt erschwert. Überhaupt wird ihr Geschäft ohne Bargeld unmöglich gemacht. Digitales Bezahlen wird immer bequemer, und die Gesellschaft wird immer hässlicher. In der schönen neuen Welt des Digitalen ist kein Platz für die Bewohner der Randzonen.