Eine Ärztin kommt vorbei und grüßt mich mit Namen. Gegenüber sitzt Herr H., ein Physiotherapeut, der mich gerade im Gehen unterwiesen hat, und macht ein Päuschen. Ich sage: „ Wissen Sie, was ein schlechtes Zeichen ist, Herr H.?“
„Nein.“
„Wenn Ärzte und die Mitarbeiter in der Apotheke Sie mit Namen begrüßen.“
„Warum?“
„Weil es zeigt, dass Sie nicht gesund sind.“
Da bricht Herr H. in schallendes Gelächter aus. „Das muss ich mir merken.“
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Wie die Dinge in einer Institution, in einem Unternehmen oder in einer sozialen Gruppe gehandhabt werden, ist ein heimlich bestehender Plan, der unabhängig von den Mitgliedern wirksam ist und auch bei deren sukzessivem Austausch fortbesteht. Dieser Geist existiert als Struktur unabhängig von den handelnden Personen. Wer neu hinzukommt, muss sich anpassen und wird fast nichts an der vorgefundenen Struktur ändern können. Demgemäß ist die Struktur mächtiger als alle Beteiligten, und da wir sie nicht wirklich sehen können, existiert sie über unseren Köpfen. Die Auswirkung einer solchen Struktur beobachte ich auch im Mikrokosmos Speisesaal. Dort gibt es eine Ecke der Großsprecher mit zwei Tischen. Inzwischen sind die alten Platzhalter längst abgereist, aber ihre Nachfolger zeigen das gleiche Verhalten, gebärden sich laut und großspurig. Wer sich freilich nicht über Bayern München, Fußballergagen und Ähnliches unterhalten will oder kann, setzt sich dort nicht hin.
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Gehört, wie eine ältere Frau eine der umhereilenden dienstbaren Geister “Frollein!“ rief. Wie aber sollte sie besser rufen? Früher war manches einfacher.
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Diesen Schriftzug mit einem typografischen Fehler habe ich täglich vor Augen. Er gehört zum Logo der Kurklinik und ist auf allen Schriftstücken und Aushängen zu sehen. Der stört mich ungemein, denn er zeigt, dass der Gestalter des Logos ein Stümper war. Kürzlich war ich froh, dass meine Tochter, eine diplomierte Grafik-Designerin, den Fehler auch auf Anhieb sah. Es geht um den viel zu geringen Abstand zwischen I und F. Wie kam es dazu?
Der Abstand zwischen allen Buchstaben des Logos ist rechnerisch gleich. Beim Zusammentreffen der Buchstaben V I A L IF E entstehen ungewollte optische Lücken. Das tritt auch auf bei Kombinationen von A V, A O, T A. Dieser Eindruck entsteht durch den Leerraum seitlich der Buchstaben, in der Typographie „Fleisch“ genannt. Buchstaben mit wenig Fleisch scheinen näher zusammen zu stehen. Beim Logo bilden I und F eine ungewollte Einheit. Im Computersatz lässt sich das ganz einfach ausgleichen. Man muss freilich den Sachverhalt kennen.
Wer mehr über das Thema wissen will: Teppichhaus Trithemius, Typopgraphischer Lehrbrief: Vom Fleisch der Buchstaben.
Musiktipp
Royal Blood – Figure It Out
Wenn wir doch überall mehr Menschen hätten, die mit Augenmaß für Ausgleich sorgten! 😉 Ich muss übrigens zugeben, dass ich das Original auf den ersten Blick nicht so störend fand, die Verbesserung nach deinem kleinen Eingriff allerdings frappierend.
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Sehr schön, wie du dem typografischen Problem metaphorische Bedeutung und damit Bedeutungstiefe gibst.
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Mir wäre das nicht aufgefallen, aber tatsächlich, die zweite Version sieht fließender aus … Abgesehen davon, dass ich den Namen nicht mag 😉
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Die Klinik heißt so seit ihrer Privatisierung. Untertitel „Dein Weg zur Gesundheit“ 😉
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Naja ……
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Jetzt fehlt nur noch der Kreis ums A, dann wärs perfekt. Denn wie mans dreht und wendet: dieses breitbeinig dastehende A braucht einen Extraraum.
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Die populäre Schrift heißt Futura, gestaltet um 1927 von Paul Renner. Deren Prinzip sind die Grundformen Kreis, Quadrat, Dreieck. Darum steht das A so breitbeinig. Das A im Kreis ist ja anarchistische Symbolik.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchistische_Symbolik
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Merkwürdig. Irgendwie stört mich das I an der Stelle. Es ist zuviel ungenutzter Raum dazwischen.
Was ist mit dem V und dem A? Wenn sie nebeneinander ständen (stünden?), bräuchten sie nicht weniger Zwischenraum, weil die beiden Balken parallel sind?
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Kommt auf die Schrift an. Manche Druckschriften haben weniger Fleisch und sind als Versalzeilen leichter auszugleichen. Der Schriftgestalter Herb Lubalin hat i den 1970-er Jahren mit seiner Schriftart Avant Garde versucht, bessere Lödungen zu finden. Es wirkt aber sehr manieristisch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Avant_Garde_(Schriftart)
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Deine Version sieht wirklich sehr harmonisch aus.
Spannend 😊
Aber den Kliniknamen selbst find ich etwas gequält – Hauptsache was mit Leben und Weg drin
Liebe Grüße
Sabine
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Freut mich, danke für deinen Kommentar. Beim Kliniknamen bin ich auch bei dir, kann aber darüber hinweg sehen. Die Reha hat wirklich Qualität, weil die Mitarbeiter kompetent, motiviert und freundlich zugewandt sind.
Lieben Gruß
Jules
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Das freut mich sehr 😊 dass du in so einer guten Reha gelandet bist 🌹🌞
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Ich musste die Logos sehr lange betrachten. Letztendlich, ja, das zweite wirkt besser.
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