Es war Nacht, und mein Sessel knarzte.
„Ich bin nicht einverstanden damit, Coster, dass Sie meinen Schreibtischsessel wieder zum Knarzen gebracht haben.“
„Zounds! Begrüßt man einen Freund mit derlei albernen Vorwürfen?“
„Einer meiner Söhne war unlängst eigens aus dem fernen Hamburg angereist, um den Sessel zum Schweigen zu bringen. Und jetzt haben Sie sich darin materialisiert und bringen den Sessel erneut zum Ächzen.“
„Was jammerst du? Schließlich ist aus dem Ächzen ein Buchtitel entstanden.“ Coster wies auf die kleine Sammlung meiner Werke in der Bücherwand.
„Aus der Not geboren. Wer weiß, zu welchen literarischen Höchstleistungen ich mich hätte aufschwingen können, wenn mir das Ächzen erspart geblieben wäre.“
„Träume weiter, Trithemius!“
„Wenn mir einer sagt, ich solle weiter träumen, erwache ich, aus purem Widerspruch. Und wenn ich erwache, sind Sie weg, Coster.“
„Das wäre schön blöd, denn ich wollte nicht so bald verschwinden, sondern mit dir über das Verschwinden der Knöpfe reden.“
„Das Verschwinden der Köpfe? Am Hemd?“
„Quatsch, Bedienknöpfe! Wir beide kennen noch Röhrenempfänger, die Radiogeräte mit den großen Knöpfen links und rechts, links für die Lautstärke und rechts für die Senderwahl. Namentlich den zu drehen, war eine wahre Lust, weil er so weich rollte, derweil der Zeiger über die erleuchtete Skala glitt, worauf die Namen ferner Städte wie Paris, Prag, Warschau standen.“
„Nur besagten sie gar nichts, denn deren Sender bekam man nicht rein. Da nutzt der schönste Knopf nichts.“
„Trotzdem bot die Bedienung das wahre Knopferlebnis.“
„Wenn man eine gewisse Sinnlosigkeit ignoriert.“
„Dein Defätismus nervt, Trithemius.“
„Weil mein Interesse an Knöpfen gering ist, um nicht zu sagen, sie sind mir gerade schnurz. Aus gutem Grund, wenn ich mich hier umsehe.“
„Du hast in deiner Wohnung keine Bedienköpfe mehr“, stellte Coster fest, „nicht am Fernsehgerät, nicht an Computer und Drucker, nicht an deinem neuen Induktionsherd, überall Touchscreens.“
„Manche Geräte haben noch Tasten, quasi die Vorläufer.“
„In den 1970-er Jahren gab es für Kinder solche Activity-Center, Plastikpaneelen, auf denen verschiedene Bedienelemente angebracht waren, damit Kinder der westlichen Welt sich in die Betätigung diverser Gerätschaften einüben könnten. Es schulte zudem ihre Feinmotorik, forderte beispielsweise das geschickte Drehen von Knöpfen mit Daumen und Zeigefinger. Diese Fähigkeit wird nicht mehr benötigt, weil nur das infantile Betatschen reicht.“
„Sie meinen, es gibt eine Infantilisierung der Gerätebedienung?“
„Und eine daraus folgende Infantilisierung des Menschen. Denk mal darüber nach“, befahl er, quietschte ausgiebig mit meinem Schreibtischstuhl und verschwand.