Die Metapher „kennt die Gegend wie seine Hosentasche“ trifft auf mich nicht zu, selbst wenn mir eine Gegend vertraut ist. Sich in einer einzigen Hosentasche auszukennen, ist keine Kunst. Meine neue Winterjacke hat einen Überfluss an Taschen, auch ein verstecktes Fach auf der rechten Seite, oberhalb zweier Seitentaschen. Im Fährschiff nach Norderney zahlte ich Getränke und steckte mein Portemonnaie gedankenlos in diese Tasche. Später fand ich es nicht mehr. Da die Reise mit unglücklichen Ereignissen begonnen hatte, glaubte ich sogleich, ich hätte mein Portemonnaie verloren. Ich fragte telefonisch bei der Reederei nach und in einem Restaurant, in dem wir am Vorabend gegessen hatten.
Nach diesen vergeblichen Versuchen ließ ich meine Bankkarte sperren. Das ging rasch – per Telefonat mit der Sparkasse Aachen. Ich bin bei diesem Geldinstitut seit über 40 Jahren Kunde, war schon Kunde, als es noch Kreissparkasse Aachen hieß, wo ein Geist von ausnehmender Kundenfreundlichkeit herrschte. Dieser Geist hielt sich auch nach der Fusion mit der Stadtsparkasse zur Sparkasse Aachen. Bei meiner Binnenmigration nach Hannover behielt ich mein Konto dort. Es ist wie ein Anker, der mich noch mit der alten Heimat verbindet. Zudem wurde ich als Kunde bislang zuvorkommend behandelt, nur eben jetzt nicht.
Kurz nachdem ich die Karte hatte sperren lassen, entdeckte meine Reisebegleiterin mein Portemonnaie im oben erwähnten versteckten Fach. Der Urlaub war gerettet, zumal ich noch nicht ahnte, wie schwierig das Entsperren der Karte sein würde. Ja, wäre ich nach Tagen nicht zurück nach Hannover gereist, sondern nach Aachen, wäre es im Handumdrehen zu erledigen gewesen. Aber beweise mal aus der Ferne deine Identität. Die Dame an der Telefonzentrale der Sparkasse Aachen riet mir, meinen Personalausweis zu fotokopieren und die Kopie zusammen mit einem eigenhändig unterschriebenen Brief einzuschicken. Das tat ich, telefonierte am nächsten Tag mit meiner Kundenberaterin und erfuhr, meine Briefsendung reiche nicht. Ich hätte ja nur die Ausweisvorderseite kopiert. Darum solle ich in Hannover zu einer Sparkasse gehen, mir dort meine Identität bestätigen lassen und die Bestätigung per E-Mail schicken.
Unglücklicher Weise hatten beide Filialen in meiner Nähe am Mittwochnachmittag geschlossen. Warum wohl, sind es insgeheim Apotheken? Nach meinem vergeblichen Fußweg kopierte ich die fehlende Ausweis-Rückseite, sandte sie mit dem Hinweis auf die geschlossenen Filialen per E-Mail und bat herzlich um Entsperrung meiner Karte. Die Dame Kundenberaterin reagierte nicht. So blieb mir nichts, mich heute Morgen fein zu machen und zur Lindener Filiale der Sparkasse Hannover zu gehen. Dort kopierte man meinen Ausweis erneut, sandte eine Mail nach Aachen und telefonierte hinterher, um die Entsperrung sicherzustellen. Nach fünf Minuten konnte ich endlich wieder Geld abheben und war gerettet.
Das ganze Verfahren sollte wohl sicherstellen, dass kein Unbefugter meine Bankkarte benutzen könnte. Es bereitete mir aber nur Schwierigkeiten, ohne das zu leisten. Denn angenommen, mein Portemonnaie wäre in falsche Hände geraten. Dann hätte der Eigentümer dieser Hände auch meinen Ausweis besessen. Die Sachbearbeiterin bei der Sparkasse Hannover sah mich nur mit Maske, konnte mein Gesicht also nicht mit dem Ausweisfoto abgleichen. Auf dem Foto bin ich zudem gut 12 Jahre jünger, gleiche darauf mehr meinem Onkel Heinz, dem jüngsten Bruder meiner Mutter, als mir.
Die Aachener Dame Kundenberaterin erreichte mich bei einem Rückruf unter der bei der Sparkasse gespeicherten Nummer. Ich konnte ihr auch meine Mobilfunknummer nennen, schrieb ihr eine Mail von meinem Account. Das hätte ein Unbefugter nicht gekonnt, denn er hätte sich mit meiner Bankkarte weder einen Zutritt zu meiner Wohnung verschaffen können noch meinen E-Mail-Account benutzen können. Durch diese Umstände wäre schon meine Identität bewiesen gewesen. Die umständliche Entsperrung meiner Karte hat mich gut acht Stunden Lebenszeit gekostet. Den Geist der Kundenfreundlichkeit hat die Dame Kundenberaterin vermissen lassen. Hat wohl vorher bei der Post gearbeitet.
Gabs denn nicht auch noch ne Entsperrungsgebühr zu bezahlen? Für die unvorhergesehene und doch recht umfangreiche Arbeit, die man mit dir aus Sicherheitsgründen auch haben wollte und musste? Hat man dich vielleicht doch auch wie einen alten Idioten behandelt? das tun die Jungs und Mädels gerne an den Schaltern, wenn sie sich cool und karrierebewusst fühlen wollen?
Ich neige in meinen alten Tagen zum Bargeld und Deposit meines Guthabens und meines Ersparten unter meiner milbenfreien Bettmatratze. Mache mich beim Bezahlen mit Bargeld verdächtig bis lächerlich. Auch ich kann mich an so manches Entsperrungsprozedere erinnern, die mich zum Geldverkehr des 19. Jahrhunderts zurückkehren lassen.
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Ich glaube, eine Gebühr gibts nicht. Die Kundenberaterin ist ihrem Foto gemäß schon im vorgerückten Alter. Sie wollte mich wohl ein bisschen schulmeistern, Da ich als Beamter privat versichert bin, bekomme ich alle Arztrechnungen und bin demgemäß auf Online-Banking angewiesen. Sonst bevorzuge ich auch Bargeld.
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Das einzig Gute, lieber Jules, an einer solchen Geschichte ist, dass du sie uns erzählen kannst. Und wir die sie lesen, sind heilfroh dass dieser Kelch an uns vorbeigegangen ist. Wahrscheinlich kennt jeder den Wahnsinn in ähnlicher oder gleicher Form. Schön das du es doch in relativ kurzer Zeit geschafft hast, die Karte wieder benutzen zu können. 😉
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Du hast Recht, liebe Mitzi, obwohl ich lieber etwas Besseres geschrieben hätte, als ein Beispiel dieses zeittypischen „Wahnsinns“ zu berichten. Derlei Kalamitäten waren mir zuvor noch unbekannt.
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Diese versteckten Fächer in Jacken und Taschen sind des Teufels! Ich habe mal Blut und Wasser schwitzend lange Zeit mein Portemonnaie gesucht, weil ich es gedankenverloren ins „Geheimfach“ meines kleinen Rucksacks gesteckt hatte, und nicht in die gewohnte Tasche!
Ich neige auch immer mehr dazu, an einem gut gesicherten Ort zuhause Geld anzuhäufen. Kann jetzt nicht sagen, dass man mich bei meiner Bank schlecht behandeln würde, im Gegenteil, bei den seltenen Besuchen dort ist man stets sehr freundlich. Aber irgendwie rät mir das leise innere Stimmchen dazu.
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„… des Teufels“ ist gut gesagt. Danke für deinen Kurzbericht. Kürzlich fand ich in meinem Rucksack nach drei Jahren noch ein verstecktes Fach. Bargelreserve zu Hause aufzubewahren, ist hilfreich, wenn man in die von mir geschilderte Situation kommt. Ich konnte grad noch mein Essen kaufen. Ansonsten bin ich auf Online-Banking angewiesen, gerade jetzt nach dem Beinbruch hat mir jeder Arzt, der mir nur mal zugewinkt hat, eine Rechnung geschrieben. 😉
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ich versuche mich ja immer mal in positiver betrachtungsweise im sinne von „hätte schlimmer kommen können“. aus meinem bekanntenkreis kenne ich solche geschichten, die mehrfach damit ausgingen, dass die geldkarte futsch im sinne von „entsperrung geht nicht mehr“ war und der ganze kladeradatsch (beantragung einer neuen karte etc.) ewig lange dauerte bis alles wieder war wie zuvor.
im übrigen beneide ich die herren der schöpfung um ihre vielfältigen innentaschen. frau muss sich glücklich preisen, wenn sie auch nur eine hat. gestern in einem film sah ich einen herrn, dessen innentasche so groß war, dass ein gestandener handwerkerhammer hinein passte! (auch haben will!)
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Schlimmer geht immer, da hast du Recht. MIr reichte es aber, da ich drei Tage damit beschäftigt war. Ist es wahr, dass Damenjacken nur eine Tasche haben? Wie ungerecht. Ihr solltet euch auch drin verlieren können 😉
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eine tasche? nein, zwei. an jeder seite eine außentasche. was ich so schmerzlich vermisse, sind die innentaschen, in denen man eben diese wichtigeren dinge verstauen kann. früher, als frauenjacken noch wenigstens eine innentasche hatten, steckte ich da meine geldbörse rein. das war schön und ich brauchte keine handtasche/ keinen rucksack. die hammertasche wäre ein prima gimmick.
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Unser Hausschlüssel war nicht da, wo er sich immer befand, wenn wir unterwegs waren: in meiner Hosentasche. Also musste er wohl von innen stecken. Wir fuhren nicht direkt in Urlaub, sondern erst zu unserer Tochter, die uns ihren Schlüssel überließ. Natürlich tauchte der Schlüssel in einer Jackentasche auf, in einer, in die er nicht gehörte und die ich deshalb auch nicht prüfte. Zum Glück sind Töchter meistens freundlicher als Bankbedienstete.
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Welche ein Glück, wenn es solche Auswege gibt wie den zu eurer Tochter. Sie hat euch vermutlich erkannt und sich nicht zuerst die Ausweise zeigen lassen 😉
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Sparkasse Aachen? Ich glaub´s nicht! Da war ich am Anfang meiner Öcher „Karriere“ vor 44 Jahren. Wurde immer mieser und teurer. Dann Postbank viele Jahre. Das wurde im Laufe der Zeit das allerletzte aus dem Gülle-Eimer der deutschen Servicewüste.
Seit 15 Jahren bin ich bei der DKB. Es gibt zwar keine Zinsen mehr auf´s Tagesgeldkonto aber es gibt auch KEINE Gebühren für gar nichts. Alles für ömme. Weltweit mit der Visakarte z.B. an allen Automaten dieser Erde Geld abheben ohne Gebühren etc. pp.
„Kostenlos Geld abheben
Mit der Visa Debitkarte hebst du in Deutschland, im Euroraum und mit dem Aktivstatus (monatlicher Eingang von mind. 700,00 €) weltweit kostenlos Geld am Automaten ab.“
Beste Bank jemals und mit hohem sozialem Engagement.
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Die DKB, habe ich gesehen, ist eine hundertprozentige Tochter der Bayerischen Landesbank, wo ich mein Haus-Darlehen hatte. Wie du gelesen hast, lieber Peer, bin ich aus Gründen noch bei der Sparkasse Aachen. Den Link habe ich übrigens rausgenommen, weil Werbung.
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Und absolut ursprünglich war die heutige DKB sogar früher die Staatsbank der DDR :-).
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na, hoffentlich mach die das nicht heute noch wie damals mit meinem ost-geld. ich bringe einen betrag hin und kriege ihn halbiert wieder. 😉
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Spaßiger Bericht über unspaßigen Sachverhalt! Möglicherweise hättest Du mit Deiner Maske besser einfach die Bank ausgeraubt….
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Ich musste schmunzeln. Leider haben die Banken ja gar kein Geld in den ehemaligen Kassenräumen, weshalb sich Banküberfall nicht mehr lohnt. Dafür stehlen manche Banken selbst, wie wir seit dem Cum-Ex-Skandal wissen.
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Ich sach ja: früher war mehr Lametta…
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Nun gut, 8 Stunden Lebenszeit klingen nicht viel, setzt man dein (vermutetes) Alter in Relation… 😉
Dennoch hätte man sich den Ärger sparen können. Aber wer weiß, vielleicht nützt einem die gewonnene Erfahrung noch irgendwann…
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Diese acht Stunden verteilten sich auf drei Tage, das heißt, ich war drei Tage mit dem Problem beschäftigt. 🙂
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