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Eintrichtern
Man weiß als Außenstehender nichts von dem, was man die Studenten lehrt. Ständig ändern sich die Erkenntnisse, und daher müssen Inhalte und Lehrmethoden angepasst werden. Was man dich vor 30 Jahren lehrte, dafür schnippst heute der unterste der unteren Assistenten nicht einmal mehr seine Kippe weg. Ich kann also nicht erklären, was ich in diesem Raum sah. Man nahm mich auch nicht zur Kenntnis. Deshalb war ich den Studierenden nicht böse, denn wenn man den Kopf in einem Trichter hat und von oben beschallt wird mit den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft, kann man nicht auf zufällige Besucher achten. Ich hätte nur gerne gefragt, seit wann es diese neue Lehrmethode gibt. Später gebe ich mir selbst die Antwort. Man zappe einmal durchs TV-Programm oder lese eine große Tageszeitung. Dann weiß man, diese Lehrmethode gibt es schon lange.
Ach, ich bin noch nicht zu Hause. Im Geiste sah ich mich den Aufzug betätigen, hinabfahren, aussteigen und das Gebäude verlassen. Es ist ein mächtiger Aufzug, geeignet die Modelle ganzer Stadtteile zu transportieren. Ich habe Platz hin und her zu gehen, während ich gleichzeitig nach unten fahre. An der Aufzugswand ein Graffito, über das ich schmunzeln muss: „Hier sind nur Faulenzer“. Na gut, denke ich, dann nichts wie nach Hause. Der Aufzug rumpelt und zeigt mir das Erdgeschoss an. Doch indem ich die Tür aufstoßen will, wird er wieder nach oben gerufen. Da vergeht mir das Schmunzeln. Die zweite und dritte Etage ziehen vorbei. Bitte, ich will nicht mehr so hoch hinauf!
Der Aufzug hält. Eine Sekunde wartet die Tür, dann schwingt sie zur Seite. Da ist eine weitere Metalltür. Ich warte darauf, dass sie aufgerissen wird.
Ohnmacht
Hoch über mir im Aufzugschacht springt der Motor wieder an. Die Tür schließt sich, und es geht erneut hinab. Ich trete nah an die Tür. Diesmal werde ich rascher sein.
Ja, ich bin rasch. Trotzdem ist die Tür ein bisschen schneller als ich. Ich sehe sie auf mich zu schwingen, und dann explodiert mein Kopf. …
Erwachst du aus einer plötzlichen Ohnmacht, dann wäre es recht schön, wenn eine schmucke Frau sich zu dir niederbeugen würde, dich früge, ob alles in Ordnung sei. Und hast du tapfer genickt, dann hilft sie dir auf. Du spürst ihre Wärme, und da du selber kalt bist bis in die Zehen, ziehst du gierig ihr die Wärme ab. Welche Freude ist es da, wieder bei Sinnen zu sein, und lange lässt du dich in dem Glauben, du wärest im Paradies.
So hübsch war mein Erwachen leider nicht. Es war kalt und schnöde. Nur der Schmerz in meinem Kopf ist irgendwie grell. Auf dem Flur hat man das Licht gelöscht. Und läge ich nicht in der offenen Aufzugtür, wäre da nur die bittere Finsternis. Die Aufzugsleuchte wirft einen Lichtblock auf den Boden, doch ich weiß nicht, welche Flure sich da links und rechts im Dunkeln verlieren.
Nur ein Traum, ein Traum
Ich kann nicht ewig in der Aufzugstür sitzen. Gebe ich sie frei, nur so zum Versuch, da schnappt sie auch schon zu, und das Licht zieht in den Keller.
Sag, hast du schon einmal gehört, wie ein trockenes Ahornblatt wispert? Du gehst die nächtliche Straße entlang, und plötzlich wispert es hinter dir. Ach, denkst du, es ist nur ein Blatt. Doch bist du nicht aufmerksam genug, ja, dann werden aus dem Ahornblatt leise Schritte. Du weißt, es ist nur der Wind. Er schiebt das Blatt vor sich her. Warum aber muss es klingen, als wäre dir jemand auf den Fersen?
Und kannst du mir plausibel erklären, wie ein Ahornblatt einen Weg auf diesen finsteren Flur gefunden hat? Ist es bei Tag zur offenen Tür hereingeweht, die Treppen hoch und dann in den Flur hinein? Spürst du hier einen Luftzug, der das Blatt vor sich hertreiben kann, so dass du denken könntest, da ist dir jemand auf den Fersen?
Der Gang ist finster, und da du dich nur langsam vortasten kannst, erscheint er dir unendlich lang. Wohin er dich führt, und ob das Wispern dich bald erreichen wird, weißt du nicht. Ich rate dir gut, wenn dir etwas Ähnliches im Leben widerfährt, dann denke ganz fest an eines: Es ist alles nur ein Traum.
Ende
Gute Nacht