Heute machte die hannoversche Neue Presse mit einem fast ganzseitigen Symbol auf, das in den letzten Tagen durch die sozialen Medien geisterte. Dieses Symbol lehnt sich formal an das Zeichen der Atomwaffengegner an, das auch als allgemeines Friedenszeichen Verwendung findet, und ist eigentlich die Forderung nach nuklearer Abrüstung. Es wurde 1958 vom britischen Designer Gerald Herbert Holtom entworfen. Die Form erinnert an die germanische Todesrune, ist jedoch nicht daraus erklärbar. Ihr liegen die Buchstaben N und D des internationalen Flaggencodes zugrunde. N D steht für Nuclear Disarmament (dt.: Atomare Abrüstung). Formal ist das Zeichen eine Binderune (zwei Zeichen an einem senkrechten Ast). Man muss sich die beiden Figuren hintereinander stehend vorstellen. In der Praxis stand jedoch der Signalgast auf Deck des Schiffes und gab die Zeichen nacheinander.
Nuclear Disarmament, entwickelt aus dem internationalen Flaggenkode – Grafik und Animation: Trithemius
Wie geht ein Symbol für nukleare Abrüstung mit den Terroranschlägen in Paris zusammen, abgesehen von der groben Ähnlichkeit mit einem stilisierten Eiffelturm? Zum Glück haben radikalisierte Muslime die Welt noch nicht mit Atomwaffen bedroht, auch Saddam hatte keine, obwohl der Besitz von chemischen und atomaren Massenvernichtungswaffen von den USA und ihrer Koalition der Willigen als Grund angegeben wurde, den Irak mit Krieg zu überziehen, in dessen Folge 150.00 Zivilisten getötet wurden. Nicht hundert, einhundertfünfzigtausend Männer, Frauen und Kinder! Inzwischen wissen wir, dass dieser Kriegsgrund vorgeschoben war. Tony Blair, als Premierminister verantwortlich, dass Großbritannien sich an dem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligte, hat sich kürzlich dafür entschuldigt und eingestanden, dass dieser Krieg erst „den Aufstieg der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ begünstigte.“ (FAZ, 25.10.2015)
Man hat in Deutschland noch keine Lichterketten gesehen, mit denen dieses sinnlose Blutvergießen betrauert wurde. Haben wir denn wirklich geglaubt, die Leute im Irak würden sich und ihre Familien so einfach abschlachten lassen? Was jetzt wie religiöser Fanatismus daher kommt, ist aus Wut und Verzweiflung entstanden, aus ohnmächtiger Verzweiflung über Raketen und Bomben, die Hochzeitsgesellschaften zerfetzen, die aus hoffnungsfrohen Kindern blutige Klumpen machen.
Angesichts der Toten von Paris fühlen wir uns hilflos. Wie würden wir uns fühlen, wenn wir zufällig Iraker wären und es die eigene Familie getroffen hätte? Würden wir dann zustimmend nicken und sagen, musste leider sein, weil der Westen ja geopolitische Interessen hat? Oder würden wir uns für das uns angetane Leid rächen wollen? Und wer produziert all die schrecklichen Waffen, mit denen der ganze Erdball in blutiges Leid und Entsetzen getaucht wird? Ist nicht Deutschland führend bei den Waffenexporten, weil ja Arbeitsplätze und fette Gewinne für Aktionäre daran hängen, und was fällt unseren Politikern ein, wenn es darum geht, das sinnlose Sterben im Irak, in Syrien und weltweit zu beenden? Neue Waffen hinschicken und Grenzzäune gegen Kriegsflüchtlinge. Moment, ich muss grad ein bisschen kotzen.
Eigentlich habe ich sowieso fertig. Solange sich unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl nur artikuliert, wenn es welche von uns trifft, bleibt jede Betroffenheitsbezeugung Heuchelei.
Auf den Punkt gebracht. So ist es. Leider.
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Danke für die Zustimmung.
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Richtig, trotzdem bleibt die Hilflosigkeit. Was wollen wir? Was kann getan werden? Wie geht man mit einer unerträglichen Situation um? Wegschauen? Zeuge sein – und später sagen müssen, ja, wir haben es gewusst und nichts getan?
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Ein Anfang ist gemacht, wenn wir endlich in Zusammenhängen denken, und im 2. Schritt müssen wir von unseren Politikern verantwortungsvolles Handeln verlangen.
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Da ist soooo ein langer Weg. Fangen wir an bei der Bildung, wir brauchen erst mal mündige und gut informierte Bürgerinnen und Bürger, um überhaupt eine Politik einfordern zu können, die über kurzfristige Wahltaktik und langfristige Wirtschaftsinteressen hinaus zu handeln bereit ist. Aber wemist denn daran gelegen? Ein Prof. am Institut für Niederlandistik – ein Flame – erzählte: Ein Unternehmer sagt zum Pastor: Halt du sie dumm, dann halt ich sie arm.
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Toller Spruch. Das Schlimme ist, dass unsere Leitmedien inzwischen die Rolle des Pastors gerne übernommen haben, weil sein Einfluss ja schwindet. Darum muss ich mich hier unbeliebt machen, statt was Lockerflockiges zu veröffentlichen.
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Ich glaube nicht, dass du dich hier unbeliebt machst.
Auf Facebook aber, würde man dich mit diesem Text zerfleischen.
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„Zerfleischen“? Mitzi. Dazu bin ich schon zu erfahrener Blogger, blöde Kommentare lese ich einfach nicht.
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Dann würden es die kommentierenden unter sich machen, das zerfleischen. Anders kann man das nicht nennen. Tut hier eigentlich nichts zur Sache. Entschuldige. Ich lese nur gerade parallel Meinungen zum Thema auf WordPress und Facebook.
Wenn man denkt bei „Schwiegertochter gesucht“ sei das Niveau am Boden, wird man auf Facebook schnell eines besseren belehrt.
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Da fürchte ich um deine seelische Unversehrtheit, liebe Mitzi. Ich weiß schon, warum ich mich von Facebook fernhalte.
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Was ich eben von dir gelesen habe, spiegelt in großen Teilen auch meine Meinung wieder. Jeden Abend wären Lichterketten angebracht und die Gewöhnung mit der auf Nachrichten aus Syrien, dem Irak, Gaza oder wo auch immer reagiert (oder nicht reagiert) wird ist kaum zu rechtfertigen. Paris alleine zu beweinen und nicht über die Stadt und die Zusammenhänge nachzudenken ist ignorant und zu einfach.
Die Hilflosigkeit, das Mitgefühl und das Entsetzen, mit dem auf Paris reagiert wird und das sich in dieser Zeichnung von Jean Jullien findet, empfinde ich trotzdem als angebracht. Heuchlerisch wirkt sie im nachhinein, wenn das Facebook Profilbild wieder geändert und gedankenlos zum Tagesgeschäft übergegangen wird, ohne auch auf die anderen zu blicken die noch immer täglich sterben oder die Gründe zu Ursachen zu hinterfragen.
Und dann bin ich wieder ganz bei dir. Ich muss ein bisschen kotzen. Und weinen.
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Mitgefühl ist angebracht, da stimme ich dir zu. Wenn sich zum Gefühl dann auch noch Nachdenken über Ursachen gesellt, so dass die Reaktionen über modischen Aktionismus hinausgehen, der morgen schon vergessen ist, wie du am Beispiel der Facebook-Profilbilder ansprichst, entwickelt sich ein gutes politisches Bewusstsein. Das ist dringend erforderlich, weil überall in Europa die falschen Propheten auftreten, die einfache Lösungen versprechen bis hin zum AfD-Heini aus NRW, der auf Flüchtlinge an unseren demnächst mit Zäunen gesicherten Grenzen schießen lassen will.
Danke, dass du nachgetragen hast, wer das Paris-Symbol entwickelt hat. Ich konnte mich nicht dazu überreden, danach zu recherchieren, was gewiss falsch war. Ist doch gut, dass da immer noch eine kluge Mitzi ist und Aspekte aufzeigt, die ich geschlabbert habe.
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Du hast recht, 132 Tote in Paris sind nicht schrecklicher oder mehr „wert“ als eine zerfetzte Hochzeitsgesellschaft oder tote Kinder oder abgestürzte Touristen irgendwo anders. Man neigt halt auch dazu, auf Dinge umso schockierter zu reagieren, je näher die Einschläge kommen. Ich glaube, das ist nur menschlich, sonst müsste man verzweifeln.
Hass sät nur immer noch mehr Hass. Amerikanische oder britische Bomben, schöngeredet durch Lügen, sind durch nichts zu rechtfertigen. Barbarische Angriffe auf europäische Werte, die nur darauf aus sind, Tod, Leid und Terror zu verbreiten auch nicht.
Mir macht die Spirale aus brutaler Zerstörung von allem, wofür wir stehen, aus Gewalt und Blut, die sich immer schneller und wahnwitziger dreht, mehr Angst als die steigende theoretische Wahrscheinlichkeit, selbst mitten hinein zu geraten in eine solche Apokalypse, wo wir uns doch bislang auf einer Insel der Seligen wähnten. Es ist nicht Heuchelei, die seit Tagen alles beherrscht, sondern diese Angst. Dafür steht Paris. Bis irgendwo anders auf unserer seligen Insel neue Bomben hochgehen.
Heuchelei ist das Betroffenheitsgetue eines Herrn Obama und wie sie alle heißen. Die Syrienkonferenz in Wien fand im teuersten, luxuriösesten Hotel des Landes statt, während freiwillige Helfer an der Grenze für die Flüchtlinge aus Syrien Suppe kochen und die Stammtische aller Länder die erschöpften Familien mit den Terroristen in einen Topf werfen. Da kriege ich Brechreiz.
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Leider sind die meisten Europäer ethnozentrisch, was ihr Mitgefühl angeht, und es reicht ihnen ein bisschen Sprachkosmetik. Da dürfen ruhig Menschen im Mittelmeer ersaufen, solange wir sie nicht Neger nennen, ist’s schon OK. Wir können die ja sowieso nicht alle aufnehmen. Die räumliche Entfernung oder Nähe spielt sicher eine Rolle. Ich war übrigens gestern erschüttert, als ein sogenannter Terrorismusexperte im TV mehrmals ungefragt darauf hinwies, dass die Terroristen nicht aus Syrien kämen, und die Moderatorin ihm sekundierte, es wäre ja naheliegend, dass der IS den Flüchtlingsstrom als Einfallsschneise nutzen würde. Wohlgemerkt, die Attentäter von Paris waren Franzosen und kamen vermutlich aus dem verwahrlosten Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Wenn derart fahrlässig der Verdacht auf Kriegsflüchtlinge gelenkt wird, muss man sich über dummes Stammtischgerede nicht wundern.
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Das Schlimme ist: die Tatsache, dass es Franzosen und Belgier sind oder waren, ist schon ausgeblendet. Alles stürzt sich auf den syrischen Pass, der gefunden wurde und vielleicht seinen Weg durch Europa gefunden hat. Wäre ich IS, würde ich genau so eine Spur legen – für das ultimative Horrorgefühl in Europa…
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Achja, und wir haben was Wichtiges vergessen: die sollen doch bitt’schön „da unten“ bleiben und ihr Land aufbauen. Womit? „Wir ham ja auch nix g’habt, uns schenkt auch keiner was!“. Spricht der 40jährige, lehnt sich in seiner gut beheizten Gemeindewohnung am weichen Sofa zurück und beißt in’s Schnitzelsemmerl, während er den nächsten Sozialhilfeantrag ausfüllt.
*würg*.
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…ist schon alles zusammengefasst: nach dem Schock der Brechreiz…Danke für Deine Recherche, Jules und die Darstellung (so hab sogar ich das kapiert ;-)) ..Einen schönen Abend für Dich
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Schönen Abend, meine Liebe!
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Danke 🙂
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Du sprichst mir aus der Seele
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Dann ist es hoffentlich ein bisschen entlastend.
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Vor allem stärkend ist es.
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Seh ich alles genau so.
Gerade eben habe ich im ZDF den stellvertretenden Leiter der Anstalt gesehen, der sagte, man würde bevorzugt darüber berichten, was den Zuschauern nahe sei, und das sei nun mal eher Paris als Syrien. Zynismus pur – und das Schlimmste ist: Er schien es noch nicht einmal zu merken.
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Die öffentlich-rechtlichen Leuteverdummer! Sonst schwafeln sie von Globalisierung, aber die emotionale Globalisierung ist nicht ihr Thema. Nicht anders ist, wenn die ARD den 20. „Brennpunkt“ zu den Anschlägen macht mit einem Informationswert gleich null, dann geht es darum, die Menschen emotional aufzuheizen und Angst zu schüren, damit man ihnen später üble Dinge wie Einschränkungen der Freiheitsrechte wie Vorratspeicherung oder Grenzzäune schmackhaft machen kann. Dass Journalisten den Zynismus ihres Handelns nicht mehr wahrnehmen, scheint einem Schutzmechanismus zu entspringen. Sonst könnten sie so nicht arbeiten.
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Je suis pacifiste.
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