In der Not wächst das Rettende auch – Keine Börsenverluste! Wenigstens unser gutes Geld ist sicher!

Ein Stein polterte mir gestern Morgen vom Herzen, als ich im Tagesschau.de-News-Reader diese Meldung fand: „Börsen stecken Pariser Terroranschlag rasch weg.“ Ich bin sicher, dass ein Seufzer der Erleichterung durch ganz Deutschland zog, als die mindestens 150-Millionen deutschen Anleger, deretwegen die ARD jeden Abend vom Börsengeschehen berichtet, das lasen. Schon morgens nach dem Aufstehen fragten wir uns bang: „Wie geht’s wohl dem Dax? Hat er auch keinen Furz quer sitzen?“Aber dann  war ein glückliches Stammeln allüberall: „Wenigstens unser gutes Geld ist nicht betroffen, wenigstens keine Vernichtung von Kapital. Sie können Leute erschießen, Flugzeuge vom Himmel holen, Einkaufszentren in die Luft sprengen, solange sie nur unser gutes Geld nicht antasten #PrayforParis #PrayForDax.
börsenWie gut, dass die ARD keinen „Brennpunkt Börse“ machen muss. Natürlich habe ich den Bericht auf Tagesschau.de lesen wollen, um den wohligen Schauer zu spüren, weil:  Dem Dax geht’s gut „Keine Panik an den Börsen“. Ach, und noch was wärmt mein Herz, den Gemütsmensch im Bild zu sehen, der es verstanden hat, mit dieser Nachricht ein helles Licht in finsteren Zeiten zu entzünden. Er heißt Stefan Wolff und sieht genauso aus wie der Unsympath, der schon in der Oberstufe mit dem schweinsledernen schwarzen Aktenkoffer durch die Gegend gelaufen ist und, wenn er auch keine Freundin hatte, sich tröstete, dass er sich nach dem BWL-Studium die hochnäsigen Miezen schon würde kaufen können.
gemütsmensch
Da konnte er „relativ gelassen“ abwarten wie seine Freunde, die „Anleger“, die nicht mehr in Panik verfallen wie damals bei Nine-Eleven, weil sie inzwischen wissen, dass Terror und „Krieg gegen den Terror“ der Wirtschaft gut tun, denn für Meucheln, Morden, Vergewaltigen und Brandschatzen werden Waffen gebraucht. Da laufen die Geschäfte glänzend. Auch der Terrorist hebt das Bruttoinlandsprodukt, ätschbätsch! Und das ist doch mal eine wirklich tröstliche Nachricht für alle mit dem Gemüt eines Fleischerhunds.

20 Kommentare zu “In der Not wächst das Rettende auch – Keine Börsenverluste! Wenigstens unser gutes Geld ist sicher!

  1. Wenn eine Reduzierung der Firmenbelegschaft durch … durch, egal durch was auch immer, da ist der Börsianer weder wählerisch noch zimperlich … zustande kommt und die Indizes neuen Höchstständen entgegen streben, weil wieder Arbeitskräfte, nun ja, „eingespart“ (der DAX liegt immerhin zum Zeitpunkt meines Kommentierens mit 1,83% im Plus), dann weiß der Börsianer, dass seine Welt die allerbeste aller nur denkbaren Welten ist …

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    • An die Reduzierung von Belegschaften hatte ich noch gar nicht gedacht. Vor Jahren habe ich gestaunt, als ich las, dass sogar Verkehrsunfälle das Bruttoinlandsprodukt heben. Die schaffen Arbeitsplätze in Kliniken und in Autowerkstätten, Medikamente, Verbandsmaterial und Prothesen werden gebraucht, und das alles und noch mehr gilt nach einem Terroranschlag. Der Krieg gegen Terror bringt noch mehr, wie man sich denken kann, so dass die Vorstände in der Waffenindustrie die Sektkorken knallen lassen, wenns wieder mal irgendwo Krieg gibt, um Krieg zu beenden, was natürlich nicht funktioniert, weshalb jeder Waffengang neue Konflikte, neuen Terror heraufbeschwört mit dem Egebnis siehe oben.

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  2. Ich frage mich auch jeden Tag, für wen die Börsenberichte gedacht sind. Vielleicht könnten auch noch die Notierungen der Rohstoffbörsen ausführlich vorgestellt werden. Dann wüsste ich allabendlich, was die Schweinehälften gerade kosten. Für Vegetarier wie dich ist das natürlich ebenfalls vertane Zeit, aber wie wäre es mit den Hoch- und Niedrigwasserzeiten und den Wasserständen an Elbe, Ems und Oder? Interessieren auch nicht alle, aber einige bestimmt.
    Dass die Börse sich vom aktuellen Wirtschaftsgeschen längst verabschiedet hat und der Zufluchtsort für herumvagabundierendes Kapital ist, das zeigt sich in solchen Situationen immer wieder. Und du hast natürlich Recht: Das Bruttoinlandsprodukt steigt, ob wir nun in die Luft gesprengt werden oder mehr Flüchtlinge aufnehmen. Aber jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir…

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    • Hab gerade mal recherchiert, sieben Prozent der Deutschen haben Aktienbesitz. Ich glaube mehr Deutsche sind Mitglied im Kaninchenzüchterverband. Was Schweinehälften gerade auf dem Weltmarkt bringen, wollen ja die 4 Millionen Hartz-IV-Empfänger dringend wissen, damit sie sich auf dem Weltmarkt mit dem Sonntagsbraten bedienen können. Keiner kann sagen, was die ARD treibt, uns allabendlich mit den Börsenberichten zu erfreuen.Ich hatte einen Kollegen, der plötzlich täglich die Börsenberichte in der FAZ las, um zu sehen, ob sein Geld tüchtig für ihn „gearbeitet“ hatte, es war schon widerlich genug, und jetzt dieses tägliche Hochamt für „marodierendes, vagabundierendes Kapital“ auf Arbeitssuche, hehe.

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  3. Die Ard ist überhaupt sehr feinfühlig: Eine für die nächsten Wochen geplante Ausstrahlung einer „Tatort“-Doppelfolge wurde verschoben, weil darin ein Terrorakt vorkommt, das könne man den Zuschauern nicht zumuten. Stattdessen werden einfache „Tatorte“ gezeigt, mit nur wenigen Allerweltsmorden, da weiß der Zuschauer sofort: Das ist ja wie in der Nachbarschaft, das verkrafte ich leicht. Die Terrror-„Tatorte“ sollen dann im Januar gezeigt werden, wenn die Bomben woanders fallen, also da, wo sie uns nichts angehen und die Menschen ja auch eine andere Kultur und Hautfarbe haben, da kennt man sich ja eh nicht so aus, vielleicht gehört das bei denen dazu.

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  4. Ich drücke „gefällt mir“, obwohl es mir mir nicht gefällt was du da thematisierst. Aber das es da steht und mich über die Sinnlosigkeit der permanenten Berichterstattung der Aktienmärkte nachdenken lässt, das gefällt mir dann doch wieder.
    Wem es dient? Dem durchschnittlichem Anleger kaum. Der dürfte zwei Drittel davon eh nicht verstehen. Aber es klingt natürlich toll, wenn die Börsen nicht verrückt spielen. Es klingt nach, alles gut. Und dass immer auch einer verliert, wenn einer gewinnt, darüber muss man ja nicht unbedingt nachdenken.

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    • Sieben Prozent der Deutschen haben Aktien, das sind also bei 80 Millionen, 5,6 Millionen, davon ein Drittel wären etwa 1,8 Millionen, (ist die Rechnung ok, Mitzi?, ich bin Germanist), die überhaupt was vom Börsenbericht haben. Die Hälfte davon lässt sich vom eigenen Finanzberater informieren, da bleibt nicht viel. Aber inzwischen hat der Hessische Rundfunk eine Börsenredaktion. Da arbeiten Leute mit Pensionsansprüchen, die vermutlich noch gewerkschaftlich organisiert sind und überhaupt eine starke Lobby haben. Denen kann man nicht einfach den Job wegnehmen. Also geht der Quark unendlich weiter. Dass Börsenspekulation sowieso eine unmoralische Angelegenheit ist, zeigt sich schon, wenn man deine Schlussbemerkung bedenkt.

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  5. Najaaaa, wie soll man es jetzt so ausdrücken, ohne dass sich unmittelbar der Höllenschlund vor einem auftut und Cerberus in’s Haxl beißt…

    zum einen macht es sich halt beispielsweise im Café oder vor allem am Flughafen und in der Firmenkantine zwischen den ganzen Akten-Koffern viel besser, wenn man sich irgendso ein großformatiges Blattl mit den ganzen Kursberichten vor die neue Designerbrille hält, als eine banale Autozeitschrift.

    Und zum anderen – jetzt wird herumgedruckst, weil aussprechen will es keiner, aber denken tun sie es alle, die Koffer – waren es dann vielleicht doch nicht sooooo wahnsinns-spektakulär viele Opfer wie bei 9/11. Und die Häuser stehen auch alle noch, zumindest die in Paris. Die weiter unten, bei denen mit der bombigen Kultur, die sind eh wurscht. Drum sind die Koffer alle noch entspannt – oder vielleicht auch nichtentspannt, je nachdem, was gepokert wurde.

    Sorry. Ich hör jetzt lieber auf zu schimpfen, sonst gibt’s gar noch einen lauten Rumpler und ein großes tiefes Loch im Fußboden, wenn ich mir in der Küche Kamillentee kochen geh…

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    • Das Börsengeschehen zu interpretieren ist wie Kaffeesatzlesen. Aber mit deiner Vermutung könntest du Recht haben. Es traf bei 9/11 zudem das Welthandelszentrum, das hat in der Wahrnehmung von Börsianern sicher eine andere Dimension als ein Musikschuppen.
      Ich hoffe, du konntest dir in Ruhe einen Kamillentee machen. Dass du Zuflucht bei Kamillentee suchst, hat etwas liebenswert Altmodisches.

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