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Der nächste Pächter war ein bedächtiger Mann aus Köln. An der Bar bediente seine Lebensgefährtin, eine zauberische Frau. Ich saß oft bei ihr an der Theke. Und deshalb bedauerte ich besonders, als die beiden nach kurzer Zeit wieder aufgeben mussten. Alles begann damit, dass ich einen Drink spendiert bekam, von dem ich noch nicht wusste, dass ich ihn teuer bezahlen würde, dass er mich genau 250 Deutsche Mark kosten würde, was damals ein ganzer Wochenlohn war. Es war an dem Abend, als mich die zauberische Frau mit ihrer warmen Stimme fragte, ob ich Schwierigkeiten hätte, vielleicht mit meiner kleinen Freundin? Da sagte ich irrigen Glaubens, ich hätte keine Schwierigkeiten, schon allein, um ihr zu imponieren. Plötzlich brachte der Wirt ein junges Paar mit hinter den Tresen, das er als Geschäftsfreunde vorstellte.
Die beiden kannte ich. Sie hatten eine Kneipe in Köln, nahe der Firma, in der ich damals arbeitete. Diese Kneipe besuchten wir an jedem Freitagmittag, wenn wir die Lohntüten bekommen hatten, tranken einige Gläser Kölsch und überzogen die Mittagspause, weil doch die Wirtin so hübsch war. Wir alle hatten ein Sparfach von der Sparkasse dort, in einem Blechkasten seitlich der Theke mit kleinen nummerierten Türchen und einem Sparschlitz unter der Nummer. Da wurden nur Heiermänner eingeworfen. Als mir die Barfrau einen Drink hinstellte und sagte, die Kölner Wirtsleute hätten ihn spendiert, da ahnte ich noch nicht, dass ihre Kneipe eine Woche später geschlossen sein würde. Die beiden hatten sich abgesetzt und unser Erspartes mitgenommen. Das hatten sie nämlich niemals an die Sparkasse abgeführt. Leider ging auch an der Bar in Meuters Saal das Licht aus. Diesmal für immer. Offenbar war unser Diskothekenwirt ebenfalls von seinen Geschäftsfreunden betrogen worden.
Man war auf den Dörfern nicht traurig, als Meuters Saal eines Nachts bis auf die Grundmauern niederbrannte. Der Kanonenofen allerdings stand noch. Als ich ihn sah, war ich noch spät mit Föppes unterwegs, und wir beide waren betrunken. Da ragte der Ofen schwarz und irgendwie albern aus einer dünnen Schneedecke. Wir stiegen die drei Treppenstufen hinauf, machten Fußspuren auf der ehemaligen Tanzfläche und alberten über Meuters Fluch. Dann sagte Föppes, er wolle den Ort exorzieren und versuchte, ein Pentagramm in den Schnee zu pissen, was aber zu seinem Unglück misslang. Später hat er sich mit seinem neuen BMW um einen Chausseebaum gewickelt.
Editorische Notiz: Die Geschichte beruht auf wahren Gegebenheiten, ist aber kein Tatsachenbericht. Ich habe mir literarische Freiheiten erlaubt, einiges erfunden, manches zusammengezogen, verdichtet und überhöht, damit es eine runde Geschichte wird. Eine frühe, leicht abweichende Fassung von „Meuters Fluch“ habe ich erstmals im Jahr 2014 veröffentlicht im E-Book „Das Verzeichnis – vier unheimliche Geschichten.“ Die Urfassung habe ich jedoch schon 1981 geschrieben. Inzwischen hat sich der Text durch Bearbeitungen stark verändert; so musste ich wegen der Veröffentlichung in Folgen einbauen, was in den Kommentaren von Ann und dem Kollegen castorpblog kundig Cliffhanger genannt wird. Trotz Cliffhanger ist die Veröffentlichung einer längeren Erzählung im Blog ziemlich sperrig und war für mich ein Experiment, was an den Zugriffszahlen gemessen weitgehend gelungen ist. Ich danke für aufmerksames Lesen, Liken und Kommentieren und hoffe, es war vergnüglich. (Fotos der Titelgrafiken und Ende-Grafik: JvdL)
Ein „Pentagramm in den Schnee zu pissen“ – das geht ja wohl gar nicht. Stelle ich mir mindestens genauso schwer vor wie das „Haus vom Nikolaus“. Wenn nicht sogar noch schwerer.
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Prinzipiell schon, weils ja eine Endlosfigur ist, die man ähnlich dem Kreuz schlagen kann
Vom Herzen zur Stirn
zur rechten Brust
zur linken und
zur rechten Schulter
und zurück zum Herzen
Wenn mans kann, ist eigentlich beliebig, wo man ansetzt, anders als beim Nikolaushaus, das nur gelingt, wenn man rechts oder links unten beginnt. Näheres hier: https://trittenheim.wordpress.com/2015/12/06/nikolais-39-haeuser/
Ich habe gesehen, dass du ein Pentagramm als Amulett trägst, lieber Dieter, und wollte dich immer schon fragen, was es für eine Bewandtnis hat.
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Das mit der Endlosfigur wusste ich nicht, beziehungsweise nur vom Nikolaushaus. Also danke Dir für den interessanten Kommentar. Das Pentagramm ist für mich vieldeutig und hat eine lange und abwechslungsreiche Geschichte seit den Kelten. Für mich ist es seit Jahren ein persönlicher Talisman ohne Verweis auf irgendeine Religion oder sonstige Gruppenzugehörigkeit. Ich finde es einfach schön.
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Danke für die Aufhellung. Auf den Kopf gestellt, gilt das Pentagramm bekantlich als schwarzmagisch. An der Marktkirche in Hannover befindet sich ein großes Pentagramm mit der Spitze unten (Drudenfuß), dessen Bedeutung weiterhin ungeklärt ist. Auch was hier behauptet wird
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Hannovers-Geheimnisse-werden-verraten
überzeugt nicht so recht. Manche sagen, die Maurer hätten sich dafür gerächt, dass man ihnen Lohn vorenthalten habe. Das glaube ich schon eher, denn man muss ja ein Pentagramm nur um wenige Grad drehen, schon steht es Kopf.
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In Hildesheim sprach mich vor drei Wochen in einem Restaurant eine junge Frau wegen meines Pentagramm-Anhängers an. Welche Bedeutung er für mich habe. Ich sagte: „Nur so, weil’s mir gefällt. Und Du?“ Darauf schob sie einen Ärmel zurück und zeigte mir ihr Pentagramm-Tattoo auf dem Unterarm. Sie glaube an weisse Magie, sagte sie.
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Danke für den interessanten Kurzbericht. Im Volksglauben ist das Pentagramm noch geläufig, in beiderlei Hinsicht, schwarz- oder weißmagisch oder wie bei dir einfach ein antikes Glückssymbol.
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Pingback: Meuters Fluch – Gruselerzählung in Folgen (5)
Der vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci ist für mich auch so ein Fünfeck-Beispiel. Hat wohl auch noch was mit Goldenem Schnitt zu tun. Meine Halbbildung. Gefällt mir jedenfalls beides, der Vetruvianische und das Pentagramm.
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Ausdrücklich aufs Pentagramm hat der Universalgelehrte Agrippa von Nettesheim die männliche/menschliche Gestalt bezogen.
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Perfektes Konzept meiner Meinung nach. Die Storyteile waren nicht zu lang, diese gelungen getrennt, zeitnah veröffentlicht und am Ende noch ein wenig Dan Brown 😉 LG Ann
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Dankeschön, liebe Ann. Am Gelingen hast du deinen Anteil, indem du regelmäßig kommentiert hast. Was wäre das Bloggen ohne positive Rückmeldung?
LG Jules
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Ein starker letzter Satz, lieber Jules. Einer der einschlägt und der dieser Geschichte mehr als angemessen ist.
Ich habe sie mit großem Vergnügen gelesen. Unabsichtlich und weil ich viel unterwegs war in zwei Tranchen. Bei spannenden Geschichten ist das dann manchmal ganz schön, wenn man mehr lesen kann. Wobei ich den Reiz einer Fortsetzungserzählung in ruhigen Zeiten sehr genießen kann.
Herzlichen Dank, lieber Jules.
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Dankeschön fürs Lob und fürs aufmerksame Lesen, liebe Mitzi. Das Experiment kann ich also als gelungen ansehen.
Schönen Sonntag, meine Liebe.
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