Manneken Pis, Hitler und ein fetter Bär – Fünf Beispiele von Pareidolie (Hineinsehen)

In Hannover hat es den ganzen Tag geschneit. Der Schnee verdeckt derweil so manches, wovon man lieber nichts wissen möchte. Auf dem geräumten Bürgersteig liegt eine dünne Schneedecke, darauf Schuhabdrücke, durch die der schmutziggraue Bürgersteig zu sehen ist. Plötzlich starrt mich aus einem Absatzabdruck ein alter Indianer an, und dann bin ich auch schon drüber weg. Typischer Fall von Hineinsehen, denke ich, denn es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass im Bürgersteig unter der dünnen Schneedecke wirklich ein Indianer liegt und sich etwa mit der Hand ein Fensterchen in den Schnee gewischt hätte. Indianer, deren Gesicht gerade mal so groß ist wie ein Schuhabsatz, so kleine Indianer gibt’s vermutlich nicht.  Zudem sind Indianer meines Wissens in Hannover niemals heimisch gewesen. Hier lebten einst die Altsachsen, davor vielleicht Kelten und noch früher die mysteriösen Bandkeramiker. Wenn diese Menschen aus dem Osten zugewandert sind, dann könnten sie durchaus slawische Gesichtszüge gehabt haben, und ich habe nur gedacht, da glotzt mich ein Indianer an. Es wäre nicht erfreulich, wenn unter dem Schnee noch mehr von diesen Leuten herumliegen. Wer weiß, was beim nächsten Tauwetter alles hoch kommt? Stehen dann überall in der Stadt steinalte Bandkeramiker auf, setzen sich auf den Bordstein und töpfern was? Zum Glück soll es weiterhin schneien.

Reden wir lieber über das Hineinsehen, die Pareidolie. Sie ist vermutlich schon den alten Bandkeramikern bekannt gewesen, obwohl ich jetzt nicht weiß, ob sie die Zukunft aus den Eingeweiden geschlachteter Tiere gelesen haben. Die Hieroskopie (Eingeweideschau) war jedenfalls in der Antike verbreitet. Vegetarier müssen aber nicht traurig zur Seite stehen. Für sie gibt es Kaffeesatzlesen und Bleigießen.

Vor Jahren habe ich das mal gemacht, denn meine damalige Freundin hatte ein Bleigieß-Set zu Silvester mitgebracht. Wir habens aber falsch gemacht, in der Silvesternacht vergessen zu gießen und am Neujahrsmorgen nachgeholt. Auf der Anleitung hatte gestanden, man dürfe kein Teelicht verwenden, wir hatten aber nur Teelichter. Über dem Teelicht schmolzen die Bleiförmchen nur langsam, aber da wir schon bald zum Bahnhof mussten, waren wir ungeduldig und haben die halbgeschmolzenen Formen ins Wasser gekippt. Da kam natürlich nichts Richtiges raus, also keine völlig freien Formen, die aus dem Zufall der Kräfte entstanden waren, sondern so Irgendwiedinger.
CamelIn meinem Fall einigten wir uns darauf, die Figur wäre eine Fackel, was sie nie und nimmer war, aber „Fackel“ stand wenigstens in der Liste der möglichen Formen. Das bedeutet „Langes Leben“. Sechs Monate später wäre ich beinah versehentlich gestorben. Gelegentlich erlangen Fälle von Hineinsehen eine gewisse Berühmtheit. Eingeweihte, Raucher wie Nichtraucher, sehen allzeit im linken Vorderbein des Camel-Kamels das Brüsseler Manneken Pis.

chaplin-hitlerIm Jahre 1964 erschien in der Briefmarkenserie „Deutsche Bauwerke aus 12 Jahrhunderten“ der Deutschen Bundespost eine 50-Pfennig-Marke, gestaltet von P. Nowraty, die Altnazis wie Nazigegener gleichermaßen erfreute. Je nach Disposition sieht man im Geäst neben dem Türmchen Hitlers Totenschädel mit gekreuzten Knochen oder Charlie Chaplin als „Der große Diktator“ (größer: bitte klicken!)

Toblerone bär

Marsgesicht
Abbildung unten: Im Logo der Schokoladenmarke Toblerone sieht man einen fetten aufrecht stehenden Bären.
(Nachweis Merzmensch – größer: bitte klicken!)

Abbildung links:
Marsgesicht. Im Juli 1976 fotografierte die Raumsonde Viking I aus 1873 Kilometern Höhe eine Felsformation von 3 mal 1,5 Kilometern Größe auf dem Mars, die an ein menschliches Gesicht erinnert.

(Nachweis: Wikipedia, Pareidolie)

Rostfleck-JesusDie englische Krankenschwester Alex Cotton glaubte in einem Rostfleck auf ihrem Regenrohr ein Abbild von Jesus, seinen Bart und den Dornenkranz zu sehen. Teestübchen berichtete hier.
Nachweis: de redactie (VRT)

Über Nachweise weiterer Beispiele von Pareidolie freue ich mich.

19 Kommentare zu “Manneken Pis, Hitler und ein fetter Bär – Fünf Beispiele von Pareidolie (Hineinsehen)

  1. Bis auf das Marsgesicht, sind mir die Beispiele von dir neu gewesen. Schade, dass du den Indianer nicht festgehalten hast. Ich hinterlasse im Schnee Abdrücke von Blumen. Wie bescheuert oder betrunken muss der Designer der Winterstiefel-Sohlen sein? Ein fetter Bär im Toblerone Schneeberg würde viel besser passen.

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    • Schön, dass ich dir noch was Neues zeigen konnte. Irgendwann im Winter vor mehr als 20 Jahren hatte mein ältester Sohn ein Paar Schuhe, auf deren Ledersohlen ein Text eingeprägt war. Mich faszinierte die Idee, dass er beim Gehen die Biographie des Schuhmachers in die Welt trug, leider spiegelverkehrt. Ich erinnere mich, dass ich damals die neue Sohle mit Linoldruckfarbe eingewalzt und auf Papier gedruckt hatte.
      Dass du Blumen in die Welt trägst, passt zu dir. Mach doch mal einen Abdruck.

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    • Freut mich. Ich habe die Marke tatsächlich in meinem Briefmarkenalbum, kann leider nichts mehr über den Gestalter finden und was er zu seiner Schöpfung sagt.

      Es fällt schwer, sich von einer einmal gewonnenen Vorstellung zu lösen.

      Wolkenbilder zählen dazu. Danke für das schöne Beispiel eines Napoleons über Berlin.

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    • O ja, das ist gruselig! Dankeschön für den Nachweis. Auch wenn das Teufelsgesicht durch die Weltpresse ging, hatte ich nie davon gehört. Ich traue mich gar nicht, das Bild zu zeigen. Es gehört gewiss CNN oder sonst einer TV-Anstalt

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  2. Pingback: Es bleibt cool - Coole Blogbeiträge #2/2016 - Always sunny

  3. Das ist interessant 🙂
    Die Iraner behaupteten kurz nach der Revolution, dass das Gesicht des Ayatollah Khomeini im Vollmond zu sehen sei, was ein Beweis für… keine Ahnung, Irgendwas Tolles sei. Seitdem gucke ich immer in den Vollmond, wenn ich ihn sehe, und mit viel Phantasie KANN man da natürlich ein Gesicht sehen, aber nicht dieses. Mein Mann kann es sehen. Er sagt dann immer, siehst du nicht den Bart, aber neee… echt nicht… könnte auch Jesus sein. Oder Bugs Bunny.

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  7. Danke für den Link! Im Briefmarkenbaum
    Ist eindeutige Charly Chaplin mit Zylinder abgebildet, hinzu kommen weitere vier Köpfe, neben Charly ein Profil, die anderen drei en face. Hitler sehe ich zum Glück nirgendwo. Der Dämon im Rauch der brennenden Türme ähnelt dem. den ich in jener Nacht vor dem Ereignis malte.

    I

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