Wenn man sich mal für einen Augenblick vorstellt, Schreiben wäre wie Pflügen, dann geht es diesmal nicht hurtig voran. Im Gegenteil, es ruckelt und stockt erbärmlich. Der Acker ist steinig, das Gespann will nicht – es besteht vermutlich aus Pferd und Ochse, und die bringen ja bekanntlich am Ende der Furche das Geschirr durcheinander, weil das Pferd auf der Stelle kehrtmacht, aber es dauert, bis der Ochse was merkt, und dann bequemt er sich unfassbar langsam. Wer hier weiter liest, ist selber schuld, Reklamationen nehme ich nur nach diesem ersten Absatz entgegen.
Kaum habe ich gestern ein bisschen in der Sonne gesessen, schon bin ich heute unfassbar müde. Ich trank am Lindener Markt vor der Bäckerei einen Kaffee und dachte, dazu könntest du eigentlich den Obstplunder essen, den du für zu Hause gekauft hast. Keine gute Idee, ein dicker Flatsch Pudding oder was es war, tropfte mir auf die Jacke. Derweil ich meine liebe Mühe hatte mit dem zerfallenden Obstplunder, kam eine Mutter mit Kinderwagen daher, sah mich und fand die Idee gut, in der Sonne zu sitzen.
„Man muss sich die Getränke wohl selbst holen?“, fragte sie.
„Ja.“
„Könnten Sie dann solange auf mein Kind aufpassen?“
„Ich habe zwar gerade einen Puddingunfall, aber gerne.“
Bald saßen wir einträchtig in der Sonne, sie trank ihren Kaffee und schmuste glücklich mit ihrem kleinen Mädchen, und ich bin sicher, auch sie beglückwünschte sich zur Idee, die Sonnenstrahlen zu nutzen.
Da rollte ein SUV vorbei und zog einen kleinen Anhänger mit kastenförmigem Aufbau. Auf dessen Plane stand ein Firmenname und in Schreibschrift der Slogan: “Wir haben die Ideen.“ Ich dachte: Pah! Was werden das schon für Ideen sein, wenn sie auf deinen blöden Anhänger passen? Ideen wie die, in der prächtigen Frühlingssonne mit einem SUV und einem Ideenanhänger durch die Stadt zu cruisen? Die möchte ich nicht mal geschenkt.
Heute jedoch ist wieder Schietwetter und ich fühle mich schon beim Aufwachen, als wäre ich in der Nacht unglücklicher Weise vom Himmel gefallen, obwohl ich eigentlich in diesem Sektor des Weltalls nichts verloren habe, sondern irgendwo im Sonnensystem Beteigeuze erwartet werde. Das kommt davon. Einmal zur Unzeit Frühjahrssonne getankt, schon wird man innerlich umgebaut oder in technischer Terminologie – man kriegt die Sommerreifen aufgezogen. Nun habe ich zwar seit fünf Uhr heute morgen die Winterreifen schon runter von den Felgen, allein wo die Sommerreifen sind, scheint keiner zu wissen. Folglich war ich heute mit einem Notrad unterwegs und wurde mit diversen Fehlleistungen bestraft. Allerdings konnte ich heute Sachen, für die Zirkusartisten lange üben müssten. Als ich zurückkam und die Haustür aufschloss, klebte auf dem Handschuh bewehrten Ringfinger das Etikett von einer Banane.
Zirkusnummern kann ich nebenher, aber die kleinen Alltagsdienste werden unzuverlässig erledigt, dachte ich, nachdem ich in einen klassischen Fall von gestörter Kommunikation geraten war. Ich sollte in der Bäckerei 3,04 Euro bezahlen und lege der Bäckereifachverkäuferin 4,05 Euro in die Hand, in der begründeten Hoffnung, sie gäbe mir einen Euro und einen Cent zurück. Sie aber schaut meine Münzstückelung zweifelnd an und wiederholte ihre Forderung: „Drei Euro vier!“ „Ja“, sage ich, und zeige auf mein Geld. Während ich sie für ein bisschen blöd im Kopf halte, grabscht sie aus den Kassenfächern 97 Cent kleinteilige Münzen, und aus ihrer Miene lese ich, sie hält mich noch für viel blöder.
Erst jetzt wird mir langsam klar, dass ich ihr vermutlich nicht fünf Cent obendrauf gezahlt hatte, sondern zwei Cent, denn diese beiden Münzen kann ich ohne Lesebrille nur schlecht auseinander halten. Das zu verstehen, hat höchstens vom geschilderten Ereignis bis zum Schluss dieses Textes gedauert.
Oh, welch eine allegorische Schatzkiste!
Ich hatte heute auch einen durchwachsenen Tag, der bisher glimpflich verlaufen ist weil größtenteils mit geschlossenen Augen…
Jedenfalls wünsche ich dir und uns dass wir über den fehl platzierten Puddingtag bald herzhaft lachen können! Hast du den Beitrag hier gelesen?
http://mynewperspective.site/2018/03/06/wenn-die-innere-sonne-laechelt/
Btw: wordpress algorithmisiert eine Pferdesegnung mit deinen Beitrag. Das kommt davon! 😉
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Ich hab mich dann tatsächlich auf dem weg zu einer geburtstagsfeier noch zweimal mit der u-bahn verfahren… manche tage dürfen dann auch einfach zu Ende gehen… gute Nacht/guten Morgen
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Guten Morgen, dann bin ich froh, dass du trotzdem nach Hause gefunden hast und nicht nach deiner Irrfahrt in der Inneren Mongolei gestrandet bist. 😉
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Weder gegen die Innere Mongolei noch gegen die innere Mongolei hätte ich was einzuwenden gehabt…
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Du machst also gerne Fernreisen.
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Jein, dazu hab ich ja schon mal was geschrieben. Aber innere Reisen können ja auch sehr weit gehen…
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Ich erinnere mich.
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Immerhin hast du mit schlafwandlerischer Sicherheit „allegorisch“ in deinen aktiven Wortschatz übernommen, was du dir ja vorgenommen hattest vor einigen Tagen. Dankeschön für das „Schatzkästchen.“ Zum Lachen sind diese jahreszeitbedingten Fehlleistungen wirklich. Selbst mein kluger Freund, der Quantenphysiker hatte gestern damit zu tun, wie er mir am Abend im Glüxkind bestätigte. Der algorithmisierte Bezug ist das Pflügen mit Pferd und Ochse, hier besser erklärt;
Danke für den Link. Den Text kannte ich nicht, aber er gab mir eine Ahnung vom Sommer.
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nachdem ich socopuks kommentar las, blickte ich in die vorschlagskiste und fand auch die interessensgemeinschaft für blinde pferde…
das schöne bild mit dem bekleckerten herrn und der kindsmutter im sonnenschein darf aber bleiben.
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Der Bezug zum Pferd kam übers Pflügen. Drum setzte ich auch für dich den Link, den ich Kollegin socopuk gab. Ich habe darüber schon in der Buchkultur geschrieben, aber hier noch einmal, was Pflügen mit unserem Schreiben zu tun hat: https://trittenheim.wordpress.com/2015/10/28/ethnologie-des-alltags-schreiben-wie-der-ochse-pfluegt/
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wie meistens, sehr erhellend!
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Dankeschön.
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Gute Idee, jetzt Plunderteilchen im Freien zu essen – jedenfalls, wenn es nicht gerade mal wieder schneit. Die Zeit, wann man den Kuchen wieder nicht draußen essen kann – wegen der Wespen – kommt gewiss. Irgendwas ist immer.
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Wespen habe ich im letzten Jahr übrigens kaum gesehen.
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…ich vermisse die Wespen… und pardon, dass ich mich einklinke, denn ich vermisse hier auch Vögel und wo keine Wespen mehr, da auch keine Vögel und das liegt am Gift auf den Feldern. Es ist beängstigend wie wenige Wespen es nur noch gibt und ich Grüße inzwischen jede und stelle im Sommer kleine Naschsachen für sie auf meinen Balkon, hänge sogar ein Insektenhotel auf. Das obwohl ich Riesenangst vor den Tieren habe. Leider können sie gefährlich für mich werden. Schon eine einzige, die sticht.
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Ich schon. Was man immer seltener sieht, sind Bienen.
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Lieber Jules, ich teile das Gefühl. Einmal Sonne und ich komme mit dem Winter nicht mehr klar. Hier liegt Schnee. Ist das zu glauben? Schrecklich. Nur der Gedanke bald in der Sonne zu sitzen hält mich aufrecht. Da wäre es mir auch egal, wenn ich mir Pudding auf die Jacke kleckere.
Übrigens….vielleicht hatte die Verkäuferin keine Brille auf und du hast ganz korrekt 5 Cent hingelegt. Das halte ich für nicht unwahrscheinlich 😉
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Liebe Mitzi,
Du erweist dich mal wieder als liebenswürdig, die Fehlleistung ihr statt mir anzuhängen. Auf solche Ideen komme ich gar nicht, sondern glaube sofort, das es mein Fehler war, weil ich mich kenne: https://trittenheim.wordpress.com/2016/11/29/vergesslich/
Der Frühling kommt ja von Süden durch die Flusstäler. Ich hoffe für dich, dass München bald Sonne satt abbekommt.
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Lieber Jules, er ist da. Der Frühling. Er hat seine Ankunft ja schon einmal angetäuscht und sich dann wieder zurück gezogen, aber heute, heute glaube ich ist er wirklich angekommen. Die Sonne scheint so stark durch mein Fenster, dass ich mich schäme, es so dreckig zu sehen. Das ist ein untrügliches Zeichen für Frühling 😉
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Guten Morgen, lieber Sommerbereifter, ich las was von begrünender Hoffnung, meine Fee stotterte, spotzte und sprang an, schon etwas in die Jahre gekommen. Dann las ich noch, ah, na klar: ich wieder. Lese alles falsch. Du hast falsch gelesen, meckerte mein gestern von der Sauna verflüssigtes und eingedampftes Puddinghirn. Dann las ich weiter und jetzt kullern lauter lustige und zerfallende Obstplunderkrümelchen in die Mäuler von Ochs und Pferd. Sie dienen brav und gegen Streit hilft ein Zückerli auf die Zunge. Meinetwegen auch Obstplunderkrümel. Kann man so was essen? Hab ich noch nie. Aber Kaffeeglück. Kann man auch mit Bananen gleichzeitig verputzen. Marzipan und Banane. Legger! Dann die Frau, der SUV und den Plunder bitte gerüttelt, nicht geschürt, Danke, Du vor Ideen Sprühender. Es war mir ein Lese- und Kommentiervergnügen und ich wünsche Dir einen schönen Frei(a)tag 🧚♀️✨
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Hallo, liebe Fee,
Obstplunderteilchen kann man essen, aber nicht von der Hand, wie ich gestern feststellen musste. Pferd und Ochs, jetzt mal ganz ernst, die streiten nicht, sondern kommen sich ins Gehege, weil das Pferd im Halftere geht, der Ochse im Joch, wie du hier nachlesen kannst
Freut mich, dir ein Lesevergnügen bereitet zu haben. Dankeschön für deinen funkelden Kommentar und lieben Gruß
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Ein sehr vergnüglicher Text. Tja, manchmal will einem nix gelingen. Mir geht es beim Schreiben oft so … 😉
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Vielen Dank Herr Ösi. Ja, Schreiben ist oft ein Kampf und sähe man dessen Spuren im fertigen Text, wärs ein ziemliches Durcheinander.
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Keine Reklamation – der Text ging so sämig herunter wie vermutlich der Pudding auf Dein Hemd tropfte. Die Vorstellung machte mir Vergnügen – komisch,ich bin sonst eigentlich nicht so. Vielleicht ist es nur Neid, denn ich habe mir weiterhin vorgestellt, daß Du bananenjonglierend auf einem Ersatzrad durch den Winter fährst, ohne einen Unfall zu verursachen, das schafft nicht jeder. Und dann hast Du mir auch noch leid getan (alles drin in diesem Text, Komödie, Tragödie) – die Kassiererin hat Deine Verwirrung ausgenutzt und Dich um 1 Cent betrogen! (4,02 – 3,04 = 0,98 Euro). Den kannst Du abschreiben.
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