Das Wahrsagen mit einem Hahn ist ganz aus der Mode gekommen, vermutlich weil männliche Küken gleich geschreddert werden, bevor sie zum Hahn heranreifen können. Ich will die Methode trotzdem vorstellen, falls sich in unserer Irrsinnswelt doch noch ein junger Hahn auftreiben lässt. Wie die Alectryomantie geht, hat Rabelais in Gargantua und Pantagruel fein beschrieben. Pantagruels Freund Panurge, der sich über Für und Wider einer Heirat den Kopf zerbricht, mag einfach nicht glauben, dass eine Heirat ihm nichts Gutes bringen würde.
Er sucht den Universalgelehrten, Arzt und Magier Agrippa ab Nettesheim auf, und der bietet ihm einige Dutzend Methoden der Wahrsagekunst an, also auch die Alectryomantie: „Da mache einen Kreis und teile ihn vor deinen Augen in vierundzwanzig gleiche Teile. In jeden davon schreibe ich einen Buchstaben des Alphabets und lege auf jeden Buchstaben ein Gerstenkorn; dann setze ich einen jungen Hahn, der noch über keiner Henne gewesen ist, in den Kreis und schwöre darauf, daß er die Körner fressen wird, die auf den Buchstaben H,A,H,N,R,E,I* liegen. So gewiß wird er dies tun, wie der weissagende Hahn einst Kaiser Valens, der den Namen seines Nachfolgers wissen wollte, die Körner von den Buchstaben Θ, ε. Ο, δ* wegfraß.“
* Hahnrei = der Mann, der von seiner Ehefrau betrogen wird, dargestellt mit Hörnern. Auf den Feldern der Buchstaben hätten aber immer mehrere Gerstenkörner liegen müssen, denn Hahnrei braucht schon zwei H.
* griech. Theod, Anfangsbuchstaben von Theodius, der Valens auf den Thron nachfolgte.