Enkel ohne aufsicht – kaffeeplausch mit frau Nettesheim

Trithemius
Wissen Sie, wozu ich mich entschieden habe, frau Nettesheim?

Frau Nettesheim
Woher denn?

Trithemius
Ich schreibe von jetzt an gemäßigte kleinschreibung.
Frau Nettesheim
Heißt?

Trithemius
Satzanfänge und eigennamen groß-, sonst immer kleinbuchstaben.

Frau Nettesheim
Sie werden Ihre Gründe haben. Aber ich sehe keinen Grund, also lassen Sie mir die amtlich gültige Groß- und Kleinschreibung.

Trithemius
Natürlich. Aber vielleicht kann ich Sie überzeugen. Historisch sind großbuchstaben und kleinbuchstaben großeltern und enkel. Die enkel sind inzwischen auch keine kinder mehr, sondern etwa 1200 jahre alt. Müssen sie da noch von den großeltern beaufsichtigt werden? Sie wollen diese ewigen mahnungen nicht mehr, von wegen: „Klettere nicht zu hoch!“, „Mach einen schönen Diener!“, „Das gute Händchen!“, „Husch, husch ins Körbchen!“ Und immer diese wichtigtuerei. Kaum entwickelt sich in der schrift ein gedanke, drängen sich die groß geschrieben substantive gravitätisch nach vorn und reißen die bedeutungen an sich. Ich bin sicher, deshalb haben wir das unselige amtsdeutsch mit seiner hauptwörterits. Ich finde, die enkel dürfen sich auch mal herumtummeln und so den textsinn hervorbringen.

Frau Nettesheim
Geht es auch ohne Anthropomorphismus? Will sagen, ich verstehe den Sinn Ihrer Ausführungen, aber die Vermenschlichung zu übersetzen, ist ziemlich mühsam.

Trithemius
„Anthropomorphismus!“, ich bitte Sie, frau Nettesheim! Kein mensch käme auf die idee, so ein wort zu benutzen, wenn es sich nicht mit dem großen A schmücken würde. Das bringt mich zu meinem zweiten argument: Die meisten großbuchstaben haben keine richtung, stehen steif und unbeweglich in den texten rum, wie die alten eben. Man kann nicht mal entscheiden, ob sie vorwärts oder rückwärts wollen.

Frau Nettesheim
Ihre Entscheidung gegen die Großschreibung ist also eine Stilfrage oder schlicht eine von Altersdiskriminierung?

Trithemius
Frau Nettesheim! Für diese blutgrätsche gibt es die gelbe karte! Ich finde viele großbuchstaben sogar hübsch und wäre traurig, wenn es sie nicht gäbe. Aber sie passen einfach nicht zu den kleinbuchstaben. ALLEINE KÖNNEN SIE GERNE AUFTRETEN.

Frau Nettesheim
Lesbar ist anders. Außerdem gelten Texte in Großbuchstaben im Internet als Schreien.

Trithemius
Klar, weil die alten schlecht hören, müssen sie laut werden. Aber im ernst: Das ist internetquatsch. Viele sprechblasentexte in comics sind mit großbuchstaben gelettert. Und oft zeigt der abspann US-amerikanischer filme großbuchstaben. Also alles an seinem platz. Ich will es erstmal versuchen.

Frau Nettesheim
Und wenn es kontraproduktiv ist, weil’s mehr Arbeit macht?

Trithemius
Werde ich zum radikalen kleinschreiber.

Frau Nettesheim hat angeblich Jahrestag gefeiert

Ein dubioser Zählalgorithmus teilt mit, wir hätten uns vor 11 Jahren auf WordPress registriert. Es hat den gestrigen 2. März zum Jahrestag unseres kleinen Weblogs ausgerufen, Frau Nettesheim.

Frau Nettesheim

Wieso „dubios?“

Trithemius
Der „Jahrestag“ deckt sich nicht mit meinen biografischen Daten und hat auch keine Nachweise im Blog. Die erste Veröffentlichung gibt es hier am 25. August 2015. Vorher habe ich ja, wie Sie wissen, auf einer eigenen Website veröffentlicht. Das Blog hieß seit Blog.de-Tagen „Teppichhaus Trithemius.“ Ich erinnere mich noch, dass der neue Name „Teestübchen“ und besonders der anfängliche Untertitel „Deutschlands erste Frauenzeitschrift für Männer“ mir konzeptuelle Probleme machte.

Frau Nettesheim
Welcher Art?

Trithemius
Ich dachte, ich müsste mich an den Inhalten der Frauenzeitschriften orientieren, demgemäß Kochrezepte, Mode, Lifestyle und Lebenshilfe thematisieren.

Frau Nettesheim
Sie haben ja auch gar keine Vorurteile.

Trithemius
Nö. Die Rubriken in Brigitte, Barbara, Petra, Tina und wie sie alle heißen, sind Fakt. Ist ja nicht meine Schuld, wenn Frauenzeitschriften so spießig angestaubt sind wie die Vornamen, nach denen sie heißen. Mein erstes Kochrezept sprengte jedenfalls Grenzen. Sie erinnern sich? Weiterlesen

Ein Lob für den Teestübchen-Bibliothekar

Trithemius
Es geschieht ja schon mal, dass ich was vergesse, hohe Frau.

Frau Nettesheim
Konkret?

Trithemius
Mir geht ein Thema durch den Kopf. Ich setze mich hin und schreibe einen Blogbeitrag, lade ihn hoch, und der unbestechliche WordPress-Assistent zeigt mir stehenden Fußes einen alten Beitrag zum gleichen Thema an. Der digitale Bibliothekar muss auch nicht lange suchen; die Metapher „stehenden Fußes“ trifft auch nicht zu, denn obwohl ich die Vorstellung hübsch finde, der digitale Bibliothekar würde sich an die Stirn schlagen und rufen: „Da war doch was!“ Dann würde er losflitzen, um den alten Beitrag zu finden, fände ihn irgendwo ganz hinten in der Bibliothek, wo lange Zeit keiner gewesen ist, würde ein verstaubtes Dokument aus dem Regal kramen, und haste nicht gesehen, steht der Kerl vor mir und reibt mir das Dokument unter die Nase.

Frau Nettesheim
Die letzte Vorstellung gefällt mir nicht; ein unter ihrer verschnupften Nase verriebenes Dokument möchte ich lieber nicht anfassen.

Trithemius
Sie müssten ja auch nicht damit hantieren. Vor allem wäre es nicht Ihre Schmach, dass der frühere Beitrag meistens besser ist als der neu geschriebene.

Frau Nettesheim
Das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen. Wenn sie Ihren Text nach langer Zeit noch gut finden, obwohl die erste Liebe zu ihm längst erkaltet ist.

Trithemius
Jetzt kommt’s. Erinnern Sie sich, Frau Nettesheim, dass ich kürzlich die Reisedokumentation meiner Radtour von Hannover nach Aachen aus dem Jahr 2010 erneut veröffentlicht habe?

Frau Nettesheim
Ist ja erst vier Wochen her.

Trithemius
Weil die Beiträge gern gelesen und rege kommentiert wurden, habe ich bedauert, dass die gedruckten Exemplare vergriffen sind. Nicht mal im Nachlass meines Freundes Coster fanden sich noch Bücher. Dabei hatte er mir gut 20 Exemplare abgekauft. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, das Buch nochmals aufzulegen. Doch gestern stellte ich erfreut fest, dass es davon immerhin ein E-Book gibt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das erstellt habe , aber es existiert!

Frau Nettesheim
Was Wunder? Sie hätten ja nur auf Ihre eigene Seite „Büchermarkt“ gehen müssen. Da hätten Sie es gefunden. Und dort gibt es sogar eine schöne Rezension.

Trithemius
Ich kann das e-book Pataphysikalische-Geheimpapiere jedenfalls wärmstens empfehlen, zumal es alle Folgen enthält, auch die ersten drei vor der Etappe Gütersloh und die fehlende Etappe aus Aachen. Zudem enthält es alle Texte des Programms meiner Lesungen.

Träumerei von Cannabis

Trithemius
Du liebe Zeit, Frau Nettesheim. Derzeit gleicht mein Schreiben dem Pflügen eines steinigen Ackers. Das Gespann besteht aus Pferd und Ochse, und die bringen ja bekanntlich am Ende der Furche das Geschirr durcheinander.

Frau Nettesheim
Wie kommt es, der Herr?

Trithemius
Bin blockiert, nachdem ich aus der Not geboren eine ganze Serie alter Texte neu veröffentlicht habe und erfreut war über den lebendigen, lockeren Stil.

Frau Nettesheim
Mit der Lockerheit dank THC vermutlich.

Trithemius
Zweifellos. Ist es nicht tragisch, dass Kiffen bald erlaubt sein wird, und ich darf nicht mehr?

Frau Nettesheim
Zum Schluss wirkte es doch bei Ihnen gar nicht mehr. Sie haben mehrfach den Gewöhnungseffekt beklagt.

Trithemius
Ist auch wahr. Aber ich vermisse das Abenteuerliche, wenn ich von Hannover zum Easy going nach Maastricht fuhr oder ins Quiam in Eygelshoven, um Gras zu kaufen. Einmal war ich in Maastricht gewesen und lernte nach einem Zugausfall eine blonde Frau kennen. Wir waren auf dem Stolberger Bahnhof gestrandet, und hinfort saß sie im Ersatzzug neben mir. Sie war eine Zollbeamtin und wollte nach Berlin zu einem Lehrgang. Nachdem ich das erfahren hatte, kam ich ins Schwitzen, denn aus der Innentasche meiner Jacke stiegen immerzu die Dünste von Northern Lights auf.

Oder wie ich Gras kaufte in einem inzwischen geschlossenen Coffieshop hinter einer einsamen Aachener Grenzstation. Es war ein Abend im Herbst. Dunkler Nachthimmel und Sturm. Die Straße lag wie ausgestorben, und in der kurzen Häuserzeile auf holländischer Seite brannte nur ein schwaches Licht. Da war der Coffeeshop. Ich presste die Türklingel. Ein finsterer Typ öffnete und wies mich in einen Raum, wobei er die Tür hinter mir abschloss. Der Raum war voller Gerümpel, und einige Schränke standen im Weg. Dahinter hockten zwei weitere Gestalten an einem Tisch und musterten mich. Sie waren ordentlich tätowiert, das musste ich ihnen lassen. Einer von ihnen ging nach hinten und holte das Gras. Der von der Tür kassierte mich ab. Ich war heilfroh, dass er mir nur abnahm, was ihm zustand. Ach, wie schön war, hinaus in diese stürmische Herbstnacht zu treten, nachdem ich gerade nicht ausgeraubt wurde.

Frau Nettesheim
„.. worden war.“ Sie romantisieren. Ging es nicht eigentlich darum, dass Ihnen Schreiben derzeit viel Mühe macht?

Trithemius
Ja, ich sitze seit Tagen über einer Gruselgeschichte und kann nicht einen Satz gelten lassen, schreibe drei Wörter und lösche vier.

Frau Nettesheim
Haben Sie einfach mehr Geduld mit sich.

Plausch mit Frau Nettesheim über das Recht zu klagen


Frau Nettesheim
Steile These, Trithemius, dass Reiche sich nicht über Teuerung beklagen dürfen, wie Sie in Ihrem Text von gestern behauptet haben.

Trithemius
Dürfen sie immer. Es wirkt nur lächerlich.

Frau Nettesheim
Vor einigen Jahren haben Sie selbst auf Seneca hingewiesen, der den antiken Philosophen Bion zitiert: „Gleich lästig ist es für solche mit Glatze wie für solche mit vollem Schopf, wenn ihnen Haare ausgerissen werden.“

Trithemius
Bions Gleichnis trifft es – und auch wieder nicht, Frau Nettesheim. Einer, der sein volles Gebiss hat, kann verschmerzen, wenn ihm ein Zahn gezogen wird. Er erlebt den gleichen Schmerz wie der, dem schon viele Zähne fehlen. Aber der mit reichlich Zähnen im Gebiss kann hernach noch alles beißen, der andere nicht.

Frau Nettesheim
Aber warum soll der mit reichlich Zähnen über seinen Verlust nicht klagen dürfen? Vielleicht ist’s ein Schneidezahn. Und wenn er lacht, sieht man die Lücke.

Trithemius
Weil er immer was zu beißen hätte, sonst würde er nicht lachen. Dem Armen fehlt alles, also sollte der Reiche ihm nicht auch noch die Klage stehlen.

Plausch mit Frau Nettesheim – Herbstliche Trägheit


Trithemius
Mir fehlen die Herbststürme, Frau Nettesheim.

Frau Nettesheim
So, warum?
.

Trithemius
Früher hat’s doch manchmal im Herbst gestürmt, der Sturm blies die Regentropfen gegen die Fensterscheiben, dass es nur so prasselte. Mit den Oberschenkeln an den Heizkörper gelehnt, schaute ich hinaus in die langsam herabsinkende Dämmerung und dachte: Wohl dem, der jetzt ein Dach über dem Kopf hat. In meiner Nachbarschaft, wo die Straße die alte Bahnlinie überquert, wohnte mal ein Obdachloser unter der Brücke. An den und seine zugige Bleibe dachte ich. Er hatte wohl ein Dach überm Kopf, doch es fehlten mindestens drei der vier Wände, die den Unterschied ausmachen zwischen behaust und unbehaust.

Frau Nettesheim
Sie haben irgendwann geschrieben: „Wer Licht wahrnehmen will, muss auch Schatten haben. Wo nur Licht ist, erkennst du nichts, weshalb die nah am Licht sich den Schatten holen, indem sie das Elend der unter ihnen betrachten.“

Trithemius
Das Weib versucht, mich mit den eigenen Worten zu schlagen. Glauben Sie wirklich, ich wäre so unverschämt nah am Licht, dass es mich blendet, Frau Nettesheim? Ich versuchte nur die herbstliche Stimmung zu schildern, die mir fehlt. Einst war genau das die Zeit, in der ich kreativ wurde. Aber jetzt steht der Herbst einfach nur da und ich sitze genau so antriebslos herum, freue mich nach dem Frühstück schon auf den Mittagsschlaf.

Frau Nettesheim
Kommen auch wieder andere Zeiten.

Plausch mit Frau Nettesheim – Schmunzeln über die Kinzig-Murg-Rinne


Trithemius
Gestern habe ich durch Selbstbeobachtung ein neues Phänomen entdeckt, Frau Nettesheim.

Frau Nettesheim
Und das wäre?

Trithemius
In der Titanic-Rubrik „Briefe an die Leser“ las ich online folgenden Brief, über den ich sehr lachen musste:

Frau Nettesheim
Sie mussten lachen. Ist das Ihr neuentdecktes Phänomen?

Trithemius
Quatsch! Nachdem ich so lachen musste, las ich in Klaus Grafs Archivalia-Blog: „Ortenau-Website hat neue Heimat“, klickte den Link zur Ortenau-Website an und las: „Die Breite der Rheinebene in der Ortenau beträgt 10 bis 12 km. In die Niederterrasse hat der Rhein seinen Lauf gegraben. Entlang des Rheins verlief einstmals ein weiterer Fluß, in den Schutter, Kinzig, Rench, Acher, Bühlot (auch Sandbach genannt), Oos, Murg, Alb u.a. flossen und der nach seinen 2 größten Zuflüssen Kinzig-Murg-Rinne genannt wird und bei Hockenheim in den Rhein mündete. Einzelne Abschnitte dieses Flusses bestanden noch in historischer Zeit und wurden von den alamannischen Siedlern ausgespart. (…)“ Da hab ich zwar nicht schallend gelacht, aber musste schmunzeln, weil mir alles wie ein Witz vorkam.

Frau Nettesheim
Das würde den Ortenauern wohl kaum gefallen.

Trithemius
Aber denken sie, Frau Nettesheim, weil die Komik des Briefs der Eintrittspunkt meines Denkens war, las ich das Folgende auch als Witz. Es war quasi „Übersprung-Interpretation.“

Frau Nettesheim
Hat nicht der maltesische Kreativitätsforscher Edward de Bono schon etwas Ähnliches beschrieben? Ihr Übersprungseffekt ist die Beeinflussung eines Urteils durch vorherige Erfahrungen.

Trithemius
Hat er Ihr de Bono auch gesagt, dass es abhängt vom langsamen Fließen der Säfte? Nein. Das habe ich nämlich in einem anderen Zusammenhang entdeckt: Wenn ich glaubte, etwas verloren zu haben und zu Hause meinen Irrtum bemerkte, weil friedlich auf dem Tisch lag, was ich verloren glaubte, bei diesen Gelegenheiten habe ich beobachtet, dass sich zwar Erleichterung einstellt, aber das Verlustgefühl nicht sofort weicht. Offenbar werden bei einem vermeintlichen Verlust Botenstoffe ausgeschüttet, die sich erst langsam abbauen. Es ist plausibel, dass Botenstoffe sich über den Blutkreislauf langsamer bewegen als der Gedankenfunke von Synapse zu Synapse springt. Demgemäß sind unsere tiefen Gefühle langsamer als unsere Gedanken. Das gilt natürlich auch für die Anlässe der Heiterkeit. Die Botenstoffe der Heiterkeit werden nur langsam abgebaut und bewirken die Übersprung-Interpretation. Da sind sie platt, was, Frau Nettesheim?

Frau Nettesheim
Nicht ganz. Demnach hätten Sie das linguistische Psychodoping beschrieben.

Trithemius
Aber Vorsicht! Ist wie jedes Doping illegal.

Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Wonach man sich zu richten hat

Trithemius
Denken Sie nur, Frau Nettesheim, ich will ins Teestübchen, um mit Ihnen zu plaudern, da verstellt ein Depp mir den Weg und fragt: „Haben Sie die Nachrichten der letzten Woche aufmerksam verfolgt?“ Bevor ich „Nö, wieso?“antworten kann, will er ein Quiz mit mir zu machen.

Frau Nettesheim
Sie belieben mal wieder, in Bildern zu sprechen, Trithemius. Was konkret ist passiert?

Trithemius
Mir ging am Morgen unser Dialog durch den Kopf. Ich habe den Rechner eingeschaltet, um ihn aufzuschreiben, da ploppt diese blöde Bing-Seite auf, Sie wissen schon, die mit dem Postkartenkitsch. Und mitten im Bild erscheint direkt beim Anmeldefeld: „Haben Sie die Nachrichten der letzten Woche aufmerksam verfolgt?“

Frau Nettesheim
Und? Haben Sie?

Trithemius
Warum um Himmels Willen? Warum soll ich wissen, ob ein Minister namens Lindner auf Sylt geheiratet hat oder wie es den wegen Brandstiftung auf Mallorca inhaftierten „Kegelbrüdern“ geht? Soll ich mir mit all dem Dreck den Kopf zukleistern lassen und in einem Quiz nachweisen, dass ich ein braver Infotainment-Trottel bin?

Frau Nettesheim
Das verlangt ja niemand. Aber ein grober Überblick über die Nachrichten scheint mir ganz nützlich zu sein.

Trithemius
Aha „nützlich.“ Sie wissen doch, hohe Frau, was das Wort „Nachricht“ eigentlich bedeutet.

Frau Nettesheim
„Wonach man sich zu richten hat.“

Trithemius
Ganz genau. Welche von den sogenannten Nachrichten enthalten Handlungsaufforderungen von Belang?

Frau Nettesheim
Der Wetterbericht, Veranstaltungshinweise und die Börsennachrichten.

Trithemius

Obwohl die Börsennachrichten für mich unwichtig sind, da ich keine Aktien besitze, ist das Thema nicht unwichtig. Als Aachenerin wissen Sie doch, womit die heute weltgrößte Nachrichtenagentur Reuters begonnen hat.

Frau Nettesheim
Der Bankkaufmanns Julius Reuter versandte die neusten Börsenkurse zwischen Aachen und Brüssel mittels Brieftauben.

Trithemius
Genau. Und noch heute macht Reuters über 90 Prozent seines Umsatzes mit Aktienhandel, genauer Hochgeschwindigkeitshandel. Das Nachrichtengeschäft ist nur Beifang. In diesen Kontext passt, was mir ein Freund letztens erzählte. Er meinte, die verlässlichste Zeitung sei das Handelsblatt. Dort werde schon frühzeitig über weltpolitische Entwicklungen berichtet, weil die Anleger eine Orientierungshilfe bräuchten, wo sie ihr Geld investieren oder besser abziehen sollten. Das sind relevante Nachrichten.

Frau Nettesheim
Aber sollten Sie nicht auch wenigstens Bescheid wissen, was geschieht in der Welt?

Trithemius
Sie meinen, was Medien berichten. Das weltweit Angebot von Agenturen und Zeitungen ist ja tendenziell endlos. Das Medieninstitut, für das ich mal gearbeitet habe, empfiehlt „selektives Lesen.“ Aber das führt ja dazu, dass man nur liest, was einem in den Kram passt. Ich empfehle „interessengeleitetes Lesen“, halte mich fern vom täglichen Tuten und Blasen, und wenn ich eine Frage habe an die Welt draußen, schaue ich nach, was mir die verschiedenen Medien dazu anbieten. Das hält mir den Kopf frei und ich werde nicht zugemüllt mit aufgebauschten Marginalien.

Frau Nettesheim
Aber Ihr Weltbild?

Trithemius
Speist sich wie bei allen aus innerer Einsicht und Alltagserfahrungen.

Plausch mit Frau Nettesheim – Aus dem Kopf abgetippt

Trithemius
Liebe Frau Nettesheim, mein Kopf ist ganz leer.

Frau Nettesheim
Do mäht mer en Kölle kein Finster för op.

Trithemius
Aha! Dafür öffnet man in Köln kein Fenster. Sie finden meine Gedankenleere also unwichtig?

Frau Nettesheim
Ich wundere mich nicht, weil ich Sie lange genug kenne. Unwichtig ist dieser Hinweis nicht. Sie sollten schon ein paar Gedanken im Kopf haben, wenn Sie sich bemüßigt fühlen zu schreiben.

Trithemius
Wollen Sie damit sagen, dass vor dem Schreiben schon alles im Kopf parat liegen muss, so dass man es hurtig vom inneren Schreibtisch abtippen kann?

Frau Nettesheim
Für Schopenhauer sind das die seltenen Denker. Die meisten seien „solche, die während des Schreibens denken.“

Trithemius
Ich schätze Schopenhauer, aber seine Geringschätzung des schreibenden Denkens ist vermutlich eine kleine Bosheit gegen Berufskollegen. Echte Philosophen wie er fangen erst an zu schreiben, wenn sie eine Sache gedanklich durchdrungen haben. Schlechte Philosophen sortieren ihre Gedanken erst beim Schreiben. Doch literarisches Schreiben ist anders. Man kann sich schreibend etwas ausdenken und wundersame Texte verfassen.

Frau Nettesheim
Schreibendes Denken als kreativer Prozess?

Trithemius
Gedanken lassen sich nicht herbeizwingen. Sie schießen einem in den Sinn, wie sie lustig sind. Sie von vorneherein auszuschließen, verarmt das Schreiben. Wer sich schon alles im Kopf zurechtgelegt hat, bevor seine innere Tippmamsell zu Werke geht und alles abtippt, muss jeden plötzlich auftretenden Gedanken verscheuchen.

Frau Nettesheim
„Tippmamsell“ ist wohl herabsetzend.

Trithemius
Wenn die Dame höchsteigen in meinem Kopf ist, kann ich sie nennen, wie ich will, auch „mein inneres Maschinenfräulein.“ Und sie soll sich nicht erfrechen, den Kopfhörer aufzusetzen und „Schopenhauer, Schopenhauer“ zu trällern, wenn ich mit einem neuen Gedanken daher komme.

Frau Nettesheim
So leer wie Sie eingangs geklagt haben, ist Ihr Kopf wohl gar nicht. Da sitzen immerhin eine Tippmamsell und ein Maschinenfräulein, das seinen Schopenhauer gelesen hat.

Plausch mit Frau Nettesheim über ein kaputtes T

Frau Nettesheim
Warum haben Sie im Header das T kaputtgemacht?

Trithemius
Ist ja nicht ganz kaputt, nur gebrochen wie mein Unterschenkel.

Frau Nettesheim
Ihre beiden Frakturen sind nach über drei Monaten hoffentlich verheilt.

Trithemius
Das Wadenbein schon, aber der Spiralbruch war’s nicht, weshalb der Aachener Chirurg in der zweiten OP die Statik des Nagels und dessen Verschraubung innerhalb des Beins verändert hat. Es soll mehr Druck auf den Bruch. Darum durfte ich anschließend voll belasten. Wie es jetzt aussieht, erfahre ich erst Mitte Oktober. Denn mit den Worten eines unbekannten Automechanikers: „Man steckt nicht drin.“

Frau Nettesheim
Irgendwie doch.

Trithemius
Natürlich, Eure Spitzfindigkeit. Wäre ich jünger, würde alles besser heilen. Als ich 18 war, ist mir eine Rolle Rotationspapier auf den Mittelfuß gefallen. Alle Knochen waren glatt durch. Ich bekam für sechs Wochen einen Gehgips. Mit dem war ich sogar in der Diskothek zum Tanzen.

Frau Nettesheim
Muss gruselig ausgesehen haben.

Trithemius
Na. Bei jungen Menschen wird’s akzeptiert, und jede drängt sich, auf dem Gips zu unterschreiben. Ein älterer Mensch mit OP und Krücken wirkt gleich hinfällig, und die Leute machen einen Bogen um einen.

Frau Nettesheim
Interessantes Wort „hinfällig.“ Inzwischen wird’s metaphorisch gebraucht. „Die Pläne sind hinfällig.“ Aber man erkennt noch den einstigen Wortinhalt. Ein durch Krankheit geschwächter alter Mensch neigt zum Hinfallen. Er ist gebrechlich.

Trithemius
Genau wie „gebrechlich.“ Wenn sie fallen, brechen sich viele Alte den Oberschenkel. Der Oberschenkelhalsbruch war einst ein Todesurteil. Meine Oma ist daran gestorben. Heute wird ein solcher Bruch operiert, und die Leute müssen nicht liegen, bis sie durchdrehen, sondern laufen herum.

Frau Nettesheim
Frakturen sind ein blödes Thema. Da gefällt mir ein Gespräch über die Frakturschrift schon besser.

Trithemius
Mir auch! Wissen Sie, dass ich Wochen vor meinem Unfall nah beim Pflegeheim einen hölzernen Wegweiser mit geschnitzter Frakturschrift gesehen habe?

Frau Nettesheim
Gähn! Er mal wieder.