Über die zwei Richtungen einer Hand

kategorie Mensch & NaturKeine Hand dem Patienten! Mit einer ähnlich lautenden Empfehlung seiner Standesorganisation begründete letztens ein mir bis dato unbekannter Orthopäde, dass er mir den Handschlag verweigerte. Ich war so befremdet, dass ich beim Abschied nachfragte, weil ich nicht mehr wusste, ob er die Ärztekammer oder die Kassenärztliche Vereinigung als Quelle genannt hatte. „Ja, ja, lieber keine Hand geben“, wiederholte er. Gestern erzählte ich das meiner Hausärztin, nachdem sie mir wie gewohnt die Hand gereicht hatte. Sie sagte: „Die Hand des Arztes ist natürlich das perfekte Übertragungsmedium, aber nicht, wenn man sie regelmäßig desinfiziert.“

Sie hatte noch nichts von der Empfehlung gehört, würde sich auch nicht daran halten wollen, denn am Händedruck des Patienten könne sie einiges ablesen, sei er schwach oder fest, sei die Hand heiß oder kalt, feucht oder trocken. Für mich könnte die Hand meiner Ärztin ebenfalls ein nonverbales Kommunikationsmittel sein, aber erstens könnte ich sie nicht deuten und zweitens geht es mir primär um die vertrauliche Geste. Die Rollen sind in dieser Situation klar verteilt. Wenn ein Patient zum Arzt kommt, geht es um sein Befinden. Demgemäß fragte die Ärztin mich: „Wie geht’s Ihnen?“, aber ich fragte nicht zurück: „Und selbst?“ Derweil wir über mögliche Schmerzmittel gegen meinen Hexenschuss sprachen, stellte ich hingegen fest, dass sie diesmal einen überaus feschen Kittel trug, und es drängte mich, es ihr zu sagen, bevor ich ging. Dass ich wieder Lust hatte, meine attraktive Ärztin ein bisschen anzuflirten, sagte ebenfalls etwas über meine Befindlichkeit, dass ich nämlich auf dem Weg der Besserung bin. Ganz sicher hat sie das auch so verstanden, als sie sich fürs Kompliment bedankte. Es lag quasi auf der Hand.