Die schönsten Ausflüge beginnen nicht als Ausflug. Ich fahre los, um nahe beim Landtag ein absurdes Wahlplakat der FDP zu fotografieren, über das ich schreiben will. Es war aber schon abgebaut. Man soll sowieso nicht auf jemanden eintreten, der schon am Boden liegt, tröstete ich mich und lenke mein Rad hinunter zum Weg, der stromaufwärts an der Leine entlang führt. Das Wort „stromaufwärts“ täuscht, denn die Leine strömt hier nicht. Weiter südlich wird ein Großteil ihres Wassers über den Schnellen Graben in den Bach Ihme abgeleitet, wodurch die Ihme schlagartig zum Fluss wird. Was der Leine noch an Wasser bleibt, lässt sie zahm und träge erscheinen. Heute scheint sie sich kaum bewegen zu wollen, als hätte die Hitze des frühen Nachmittags sie gelähmt. Zwischen Büschen und Bäumen blinkt schwarz ihre kaum bewegte Wasseroberfläche. Einige Blätter schwimmen obenauf, liegen beinahe unbewegt. Da beginnen sie zu schaukeln. Ein Paddler pflügt mit seinem Kanu den Wasserspiegel. Ich beneide ihn nicht. Mich kühlt wenigstens der Fahrtwind. Ich fahre rasch, genieße das Knirschen und Britzeln, das Wegspringen der Steinchen des harten Wegs unter den prall aufgepumpten Reifen meines Fahrrads. Wo die Leine scharf nach rechts abknickt, teilt sich der Weg. Nach links geht es über eine Brücke, dann auf einen asphaltierten Fahrradweg Richtung Maschsee. Im Café an der Ecke brennt bereits eine Kette mit Glühbirnen. Es liegt komplett im Schatten der Bäume, die das Ufer der Leine säumen. Die tiefstehende Sonne ist greller zu dieser Jahreszeit, die Schatten sind schwärzer, fast zu schwarz für meine Sonnenbrille. Beim raschen Wechsel von Licht und Schatten, fahre ich öfters wie blind, einfach auf Verdacht und im Vertrauen auf glückliche Umstände. Schon blinkt silbrig vor mir der prächtige Maschsee.
Obwohl er beinah mitten in der Stadt liegt, ist er kein Tümpel. No, Sir! Ich will ihn im Uhrzeigersinn umrunden. Das ist eine Strecke von sechs Kilometern. Meist habe ich den Weg gegen den Uhrzeigersinn genommen. Der ist natürlich nicht kürzer. Man fährt halt nur linksrum, weil es einer natürliche Neigung des Menschen entspringt. Auch wer sich verirrt, läuft intuitiv links rum, angeblich weil er seinem Herzschlag folgt. Den spürt man links, aber das Herz liegt in der Mitte. Also kann ich mich frei entscheiden. Ich überquere den Kurt-Schwitters-Platz und fahre erst mal geradeaus. Linker Hand thront auf einer Anhöhe das Sprengelmuseum. Es beherbergt eine beachtliche Schwitters-Sammlung, weshalb man die verkehrsreiche Kreuzung zum Platz erklärt hat. Die Wahrheit ist: Hannover hat keinen richtigen Platz für Schwitters.„Das Museum thront, beherbergt“, man verzeihe mir die Phrasen. Das ist Schreiben ohne Denken. Aber ich bin so herrlich denkfaul, während ich durch die Allee am See entlang rolle. Alle Bänke stehen noch in der prallen Sonne. Weiter südlich finde ich eine freie Bank im Schatten. Ich blättere in einem Büchlein und muss leise lachen über eine fiktive Goethe-Anekdote von Eckhard Henscheid:
Wie genau du deine Umwelt beobachtest und beachtest. Nie gehst oder fährst du gedankenversunken durch die Gegend. Oder etwa doch?
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Ich danke dir für das Lob. Es gibt Tage, da könnte die Beobachtung genauer sein. Manchmal hält sich mein Verstand mehr im Auge auf, manchmal geht mir ein Gedanke durch den Kopf und ich bin, was die Außenwelt betrifft, kaum empfänglich.
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Lieber Jules,
Du bringst mich morgens schon zum Lachen? Toll…Das Springt wie Kieselchen unter prall gepumpten Fahrradreifen zur Seite, kniept in die Wade und freut sich linksherum über thronende Museen und himmlische Phrasen wegen hitzebedingter Denkfaulheit und Tagträumerei, doch nicht ohne Goethe und dem seligen Rest, denen es allesamt zu warm im frühhochsommerherbstelnden Lande wurde, weswegen sie lieber im kühlen schattigen Totenreich weiterdiskutierten. Die FDP wermuttröpfelte anfänglich und endlich dazwischen – auch kein Idyll wie der Maschsee ist gänzlich ohne. Doch was ist schon gänzlich ohne außer reinsten Extrakten?
Ich wünsche dir noch viele solch erbaulicher Fahrten und einen schönen Tag, mit oder ohne FDP auf dem Fahrrad oder ohne
Viele Grüße von der Fee ✨
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Das freut mich, liebe Karfunkelfee. Du bist ja, wie ich neulich las, selbst eine begeisterte Radfahrerin und kannst so eine Tour gewiss gut nachempfinden. Dankeschön auch für die lieben Wünsche und viele Grüße zurück,
Jules
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Kennst Du den schon?
‚The bicycle, the bicycle surely, should always be the vehicle of novelists and poets‘
(Christopher Morley, Parnassus on wheels)
✨
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Schönes Zitat. Vielen Dank dafür! Erinnert mich an die Zeit, da ich als mit dem Fahrrad reisender Internetdichter unterwegs war:
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Die nächst Wahl kommt bestimmt … und da gibt es mit Sicherheit noch einige peinliche Plakate zu fotografieren.
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Da nehmen wir so lange das:
Fotomontage: Hanno P. Schmock – Slogan: Videbitis – (größer: Klicken)
im Original auch fotografiert am Maschsee:
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Klasse!
Tatsächlich habe ich gerade überlegt, ob so ein Plakat in „Echt“ möglich wäre … und habe die Frage mit „JA“ beantwortet … 🙂
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