Acht Tage hingekritzelt

01.08.2017 – Begegnung im Zug
Im Zug saß mir eine sehr traurige junge Frau gegenüber. Sie war im Ruhrgebiet eingestiegen und hatte sich gleich in die Fensterecke geknüllt. Meistens schlief sie. Da stand etwas in weißer Schreibschrift auf ihrem schwarzen T-Shirt, verdeckt von bunten Zöpfchen und einer Strickjacke. Ich wollte wissen, was da stand. Bevor es unschicklich wurde, konnte ich drei Wörter lesen. Den Rest habe ich ergoogelt. Es war ein Zitat von Sophie Scholl: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt!“

02.08.2017 – Evolution
Im ICE ein junger Mann vom Servicepersonal, der den Kaffee rundbrachte. Er hatte vom immer wieder Hinunterbeugen zu sitzenden Bahnkunden so einen prächtig runden Dienerrücken, wie es gewiss ein evolutionärer Vorteil ist in einer Dienstleistungsgesellschaft. Der Buckel wird sich hoffentlich vererben.

03.08.2017 – Traumkritik
Total langweilig geträumt, so dass ich im Traum dachte, das ist der GAU, meinen Träumen geht die Phantasie aus.

04.08.2017 – Lob der Fensterscheibe

Derweil ich im Marktcafé am Fenster meine Suppe löffle, gucke ich auf drei Leute, zwei Männer eine Frau, die sich angeregt unterhalten. Zum Glück kann ich nicht Lippenlesen, sonst hätte ich nie Ruhe.

05.08.2017 – Perfekte Krümmung

Im Marktcafé gibt es zwei Sorten Löffel. Eine davon passt exakt in das Rund der Suppenschüssel, so dass man mit ihm bequem an der Innenwandung entlang schaben kann. Wer das berechnet hat, bei dem hat sich das Mathematikstudium echt gelohnt. Andererseits, „Ich berechne die Krümmung von Suppenlöffeln“, was ist das für ein Beruf?

06.08.2017 – Wo ist Ann?
Blogfreundin Ann (Sternchen) hat offenbar ihr Blog gelöscht und ist zu meinem Bedauern sang- und klanglos verschwunden. Sehr schade.

07.08.2017 – Große Enttäuschung
Eine Gruppe Touristen vor dem Café K. Die Stadtführerin verkündet: „Und es gibt auch keine Himbeertorte!“ Im Vorbeifahren höre ich ein vielstimmiges enttäuschtes „Ooch!“ und einen Mann rufen: „Was ist denn JETZT passiert?!“ Eine Welt bricht zusammen.

08.08.2017 – Ausgeräumte Schriftmythen

Erfreut stelle ich fest, dass nach Blogfreund Lo noch jemand für „Buchkultur im Abendrot“ eine Rezension geschrieben hat.
„[..] Zu fast allen Fakten der Schriftgeschichte streut der Verfasser neben dem anschaulich dargestellten Basiswissen kuriose Details ein, womit das Werk spielerisch über ein Basiswissen hinausgeht. „Selbst beim Fachpublikum dürfte hier mit manchen Schriftmythen und -irrtümern aufgeräumt werden.“ Feinfein!

10 Kommentare zu “Acht Tage hingekritzelt

    • Ab jetzt immer montags, liebe Mitzi. Das neue Format im Teestübchen zwingt mich, regelmäßig mit der Hand zu schreiben. Weil da nach kurzer Zeit ein Handkrampf droht, wirds automatisch nie lang. Anns Verschwinden offenbart mal wieder das Fatale reiner Internetkontakte. Man kann ja gar nichts tun. Sie war immer so zurückhaltend mit ihren Daten, dass es nie eine E-Mailadresse gab.

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      • Eine schöne neue Rubrik. Gute Besserung für die Hand. Ich drück die Daumen, dass das regelmäßige Schreiben zu einer Besserung führt.
        Vielleicht hören wir, wo Ann steckt. Ich hoffe es ist nur eine kurze Pause.

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  1. Ich neige inzwischen dazu, auch kleinere Beobachtungen direkt mit der Notzibuchfunktion des Handys zu erfassen. Dann kann ich sie zuverlässig lesen, was bei meinen handschriftlichen Skizzen nicht immer gelingt. Das aber nur zur Form der Erfassung. Deine Be- und Anmerkungen machen Spaß!

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    • Freut mich, danke! Ich habe mir vorgenommen, unterwegs immer handschriftlich zu notieren, bevor ich die Handschrift ganz verliere. Fehlende Geläufigkeit hat mir nämlich immer schon nach kurzer Zeit einen Chirospasmus besorgt. Wenn sich die Notizen auf dem Smartphone an den Computer senden und verarbeiten lassen, ist das natürlich eine Arbeitserleichterung.

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  2. Soooo krakelig sieht dein „Kritzelkrakel“ doch gar nicht aus, lieber Jules! Ich persönlich werde mich mit elektronischen Notaten, insbesondere biografisch relevanten, nie anfreunden. Da müssen sich irgendwo in der Wohnung, oder im Keller – und sei es in Kisten – Kladden und kleine Notizbücher auffinden lassen, über die man irgendwann beim Aufräumen/Suchen stolpert, in die hinein man sich spontan vertieft um etwas über die Abgründe des vergangenen Lebens zu erfahren. Neulich sah ich übrigens das Foto eines Schriftstellers, der kleine Zettelchen, auf die er Einfälle notiert hatte, an Wäscheleinen quer durch die Wohnung spannte (!) Prima Idee, deine neue Rubrik!

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    • Das sagst du, mein Lieber, aber für mich ist es dramatisch. Schließlich habe ich mir als Erwachsener mühevoll eine passable Handschrift angeeignet, sogar kalligraphiert und mich wissenschaftlich mit Handschrift beschäftigt, zehn Jahre handschriftlich Tagebuch geführt und drohe sie jetzt zu verlieren, weil ich in den letzten Jahren nur noch Tasten getippt habe.Tagebücher aus der Vorzeit des Computers offenbaren eine Welt, in der es erstaunlicher Weise auch Leben gab, wobei Zettelwirtschaft nie besonders dauerhaft war. Ich erinnere mich noch an die Anschaffung des ersten Computers in unserem Haushalt. Als wir Anfang der 1980-er Jahre darüber sprachen, dass ich meinem ältesten Sohn einen Homecomputer kaufen wollte, fragte seine Mutter, was man denn alles machen könne mit dem Computer. Viel ist mir nicht eingefallen. Ich sagte: „Äh, Spritkosten berechnen zum Beispiel.“ Dass ich durch ihn die Handschrift fast aufgeben würde, daran hätte ich nie gedacht.
      Die neue Rubrik gibt meinen handschriftlichen Notizen wieder Bedeutung.

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