Neue Wörter

Das neue Wort „Mansplainig“ meint das toxische Verhalten von Männern, die glauben, Frauen die Welt erklären zu müssen. Ein ulkiges Beispiel rauschte letztens durchs Internet, neudeutsch „ging viral.“ Ein Handyvideo zeigt auf TikTok die Profigolferin Georgia Ball, beim Üben ihres Abschlags. Aus dem Off kritisiert ein Mann ihre Technik und bläht sich auf mit den Worten: „Ich spiele seit 20 Jahren Golf.“ Georgia Ball hört ihn höflich an und bedankt sich, scheint zu denken: Ja, red‘ du nur. Diese Strategie gegen mansplaining wäre kontraproduktiv. Eigentlich müsste sie den Kerl in die Schranken zu weisen. Stattdessen führt sie ihn auf TikTok vor. Weil er im Off bleibt, kommt er davon.

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„Bis nano!“, verabschiedet sich nano-Moderator Ingolf Baur albern am Schluss der pseudowissenschaftlichen ZDF-Sendung Nano, bevor er aus dem Bild geht. Selbst mit der Reichweite des ZDF im Vorabendprogramm wird ihm nicht gelingen, eine Sprachmode zu schaffen. Anders: Der erste, der sich irgendwo und wann mit „Bis nano!“ verabschiedet, den soll der liebe Gott beim Scheißen erschlagen. Aber nicht Ingolf Baur. Der ist mit seinem Vornamen gestraft genug.

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Im Internet Listen von Synonymen für „Weicheier“ als da sind:
Sitzpinkler
Schattenparker
Beckenrandschwimmer
Badekappenträger
Bahnsitzplatzreservierer
Sicherheitskopie-Ersteller
2-Runden-Kreisverkehr-Fahrer
Airfresh-nach-dem-Kacken-Sprüher
Mit-„Wir bleiben doch gute Freunde“-Zufriedengeber
Moment-ich-hab’s-passend-Zahler
Spagettikleinschneider
Handy-am-Gürtel-Träger
Gyros-ohne-Zwiebel-Besteller
Rückwärtseinparker
Warmduscher
Teletubbie-zurückwinker
bei-Bambi-weiner
Fußkettchenträger

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„Wir bleiben doch gute Freunde“-Zufriedengeber kommt in diversen Listen vor. Die Wendung scheint mir der besonders problematischen Haltung zu entsprechen, eine Trennung nicht zu akzeptieren, wie sie in täglichen Fällen von Femizid zum Ausdruck kommt.

Aufregung um gekrönte Häupter

Warum ich das Pendeln zwischen Aachen und Hannover aufgegeben habe und nach Hannover gezogen bin: Ich konnte tagelang nichts schreiben, wenn mich ein ICE von da nach dort gerissen hatte. Der ICE brauste in vier Stunden von Stadt zu Stadt, aber mein Seelchen ging zu Fuß. Für die Strecke von etwa 350 Kilometern brauchte es sieben Tagesmärsche. Wenn ich damals nur eine Woche in Hannover blieb, musste es hin- und herhetzen. Erst nach zwei Wochen war ich wieder komplett. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Pendler das besser hinkriegen und vermute, dass die Dinge des Lebens größtenteils von Leuten erledigt werden, die nicht beisammen sind.

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Große Aufregung bei den Königstreuen. Das Foto von Prinzessin Kate im Kreis ihrer Kinder, das die Royals zum Muttertag veröffentlicht hatten, weist an neun Stellen Ungereimtheiten auf, die auf Bildmanipulationen schließen lassen. Nachdem einige Bildagenturen das Foto zurückgezogen hatten, weil es gegen ihre strengen Bearbeitungsregeln verstieß, gestand Kate, das Foto bearbeitet zu haben. Das tat sie, mit Verlaub, reichlich stümperhaft, was sich sagen lässt, ohne das Original zu kennen. Die in Frage kommenden Stellen sind nämlich für den Gesamteindruck völlig unwichtig.


Die Regeln der Bildagenturen besagen, dass nur eine Form der Bildbearbeitung akzeptabel sei, nämlich der Bildausschnitt. Aber gerade der Bildausschnitt kann im hohen Maß manipulativ sein. Mich beschäftigen nicht die unwichtigen Manipulationen im Foto, sondern die Frage, warum die beiden Söhne die Münder so unnatürlich weit aufreißen. Vermutlich hat man zwei Bratwürste an Stöckchen gebunden und den beiden hingehalten. Und nachher schön weggeschnitten. [Bildquelle: Süddeutsche Zeitung]

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Ein Foto von meinem Bericht über den Jakobsweg wäre nachzureichen. Im Schluss heißt es: „Da finden wir doch lieber eine Antwort auf eine Frage, die wir nicht gestellt haben: Zweiundvierzig. Bitteschön, hier geht’s lang“, nämlich die Treppe hoch (zum Aachener Königshügel, Hausnummer 42). Im Roman/Hörspiel „Per Anhalter ins All“ von Douglas Adams ist „42“ die von einem Supercomputer errechnete Antwort auf die „endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.“

Zweimal fünf

„Traurige Menschen handeln eher moralisch als gut gelaunte Personen“, titelt die Süddeutsche Zeitung und schreibt über eine Studie von Sozialwissenschaftlern der Rennes School of Business. „Wie die Wissenschaftler im Journal of Business Ethics berichten, handeln traurige Menschen eher moralisch als gut gelaunte Personen. Ein Zustand milder Niedergeschlagenheit reduziere auch die Wahrscheinlichkeit, sich egoistisch zu verhalten, so die Forscher.“ Wer hätte für die Erkenntnis eine Studie gebraucht? Sie ist etwa so überraschend wie das Ergebnis einer Studie skandinavischer Forscher zur Frage, ob sich Weihnachtsbäume länger halten, wenn man sie in Wasser stellt. Ja, und wir haben es gewusst.

„Traurige Menschen handeln eher moralisch als gut gelaunte Personen“ Wer würde von einem gutgelaunten Arschloch so etwas wie Empathie erwarten? Jeder sieht, dass in ihm ganz andere Säfte regieren. Bevor er merkt, dass jetzt Moral und Mitgefühl angebracht wären, haben ihn die besoffen feiernden Endorphine johlend und fähnchenschwingend an seinen darbenden Mitmenschen vorbei getragen.

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Gestern holte mich Exkollege Karl mit dem Auto zum Exkollegentreffen ab. Auf die Frage, wie viele kommen würden, meinte er doppelt so viele wie Gernhardts fünf. Dann deklamierte er aus dem Kopf:

Robert Gernhardt, Deutung eines allegorischen Gemäldes

    Fünf Männer seh ich
    inhaltsschwer –
    wer sind die fünf?
    Wofür steht wer?

    Des ersten Wams strahlt
    blutigrot –
    das ist der Tod
    das ist der Tod

    Der zweite hält die
    Geißel fest –
    das ist die Pest
    das ist die Pest

    Der dritte sitzt in
    grauem Kleid –
    das ist das Leid
    das ist das Leid

    Des vierten Schild trieft
    giftignass –
    das ist der Hass
    das ist der Hass

    Der fünfte bringt stumm
    Wein herein –
    das wird der
    Weinreinbringer sein.

Guter Mann das. 😉

Gekritzelt – Nachtrag Pferdefleischskandal

Im Sommer 2011 hielt ich mich zur Reha am Starnberger See auf und traf dort auf einen bekennenden Pferdefleischesser. Auszug aus meinem Text „Post vom Starnberger See“ aus dem Teppichhaus Trithemius auf Trithemius.de:
Dem großen dicken Franz haben sie sei Pferdewürschtl gestohlen. Am Morgen vor dem Frühsport hat er sie noch stolz mit „Trap-trap!“ hergezeigt, und am nächsten Tag sind sie gestohlen. Aus dem Patientenkühlschrank, obwohl sei Name wohl hat draufgstanden. Vielleicht hat der Dieb dem Franz sei Namen gar nicht als Eigentumsmarke erkannt, sondern gedacht, das Pferd, von dem die Würschtl stammen, hätt Franz geheißen.

Wie einmal im Münchner Biergarten am Flaucher ein ganzer Ochse am Spieß gesteckt hat, der im Leben „Werner“ geheißen, was ja auch nicht gerade ein typischer Ochsenname ist. Man sieht daran, dass die Verdinglichung des Viehs noch nicht bis Bayern vorgedrungen ist. Von wegen, die Ochsen tragen heutzutag nur noch eine Nummer im Ohr oder gar einen RFID-Chip unter der Haut. Bayrische Ochsen tun „Werner“ heißen oder sicher auch manchmal „Franz“. Ein dampfendes Stück Werner oder Franz auf dem Teller zu haben, hat etwas Kannibalistisches, wie überhaupt durch die Vergabe von Menschennamen an Tiere eine Sorte Gemeinsamkeit der Arten hergestellt wird, die ja zumindest bei Rindviechern und Schweinen ohnehin besteht. (…)

Bücher und Leser

Als an Gendern und an Book on demand noch kein Denken war, am 20. Dezember 1993, schrieb ich in mein Tagebuch:

    „Immer mehr Bücher stehen einer gleichbleibenden Zahl von Lesern gegenüber. Werden die Leser in Zukunft mehr lesen, eifriger, fleißiger als zuvor? Nein, sie sind satt und müde, immerzu müde. Sie finden auch, dass die Bücher zu leichtfertig gemacht sind, lesen deshalb eher weniger. Das bedeutet: Auf die ständig wachsende Zahl von Büchern wartet eine kleiner werdende Schar von Lesern. Irgendwann werden Bücher nur noch jeweils wenige Leser finden, und am Ende wird es Bücher geben, die keiner je lesen wird.“

Zwar hat das Kinderbuch von Susanne Braun und mir einige Leserinnen und Leser. Aber sie haben geschenkte Exemplare gelesen und gelobt. Gemessen am Verkauf unseres Buches „Linus und der Fuchs“ ist der 1993 prophezeite Zustand erreicht: Wir haben grad mal zwei Exemplare verkauft. Vielleicht habe ich nicht genug geworben? Drum gebe ich hier einen Einblick, ohne freilich den Schluss zu verraten.

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Wenn Sie ein Kind erfreuen wollen, warum nicht mit diesem Buch? Es ist mit Herzblut gemacht, trotz des Fehlers auf Seite 16. Auf Wunsch schicke ich das fehlende „n“ per Einschreiben,

Nachlese: Unendlich-1

Im Jahr 2013 sah ich in München auf der Fensterbank einer Parterrewohnung einen runden Stein, in den war eingeritzt: „Auch die Ewigkeit besteht aus Augenblicken“. Der Spruch hat mich eine Weile beschäftigt, denn ich kann überhaupt keinen Sinn in dieser vermeintlichen Erkenntnis finden. Der Ritzer des Steins meinte wohl, dass eine Folge von Augenblicken in der Summe unendlich ergeben könnte. In meiner Nachbarschaft gibt es einen großen Lego-Laden, der Neuware verkauft, aber auch gebrauchte Legosteinchen ankauft. In den Fenstern liegen sie in Kisten in schier unendlicher Zahl. Wenn diese Legosteinchen einer aufeinander steckt und ständig Nachschub eintrifft, kann er dann einen unendlich hohen Legoturm bauen? Man wird die technische Durchführbarkeit bezweifeln und muss bald einsehen, dass unendlich unerreichbar ist. Also kann auch eine Folge von Augenblicken keine Ewigkeit ergeben. Anders gesagt: Ziehe ich von Unendlich einen Augenblick ab, erhalte ich dann Endlich? Da denk mal drüber nach.

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Von meinem Bett sah ich auf die sturmgepeitschte See. Sah die Wogen heranrollen und aufspritzen, wenn sie unten unten gegen die Kaimauer trafen. Ihr Tosen, gemischt mit dem Heulen des Sturms hörte ich nur gedämpft.
Dieses Fragment aus dem letzten Jahr fand ich gespeichert unter dem Titel „Vom Stuhl aus“, habe aber keine Erinnerung daran, wie es weitergehen sollte.

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Ein Witz über die notorische Arbeitslosigkeit von Soziologen:
Was sagt ein Soziologe ohne Arbeit zu einem Soziologen mit Arbeit?
„Einmal Pommes mit Majo bitte!“

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Im ausklingenden alten Jahr ist mir das Schreiben zunehmend schwergefallen. Das wird ja nicht ewig so weiter gehen (siehe oben), habe ich mich getröstet und stattdessen grafische Arbeiten auf der Festplatte sortiert, alte Grafiken wiederentdeckt und mich mit Gif-Animationen beschäftigt. Da stöberte ich auch eine mit Kugelschreiber skizzierte Bildfolge auf, die man bald gar nicht mehr verstehen wird, weil es kaum noch Festnetztelefone gibt. Sie zeigt, wie jemand sehnsüchtig auf einen Anruf wartet und darüber verzweifelt, spiegelt dabei eine Lebenssituation, in der mich mich etwa im Jahr 2008 (Ja, auch damals gab es Zeit) befand. Ich habe daraus eine Gif-Animation gemacht und zeige sie noch rasch:

Gekritzelt – Gruseliges

Wenn ich vom Lindener Markt kommend mit dem Rad beim Café K in die Davenstedter Straße einbiege, ist seitlich der Straßenbahnschienen zu wenig Platz, so dass ich lieber ein Stück zwischen dem Gleis fahre. Dann stelle ich mir vor, links und rechts der Schienen wäre ein Abgrund. Es ginge da gut 100 Meter hinunter. Es gibt vielleicht todesmutige junge Männer, solche, die Downhillrennen bestreiten, die da fahren könnten, ohne zu zaudern und ins Schlingern zu geraten. Aber ich könnte das nicht, würde selbst nicht wagen abzusteigen und zu schieben, obwohl die Spurweite der Stadtbahn Hannover, also der Luftraum zwischen den Schienen 1435 Millimeter beträgt. Da ist Platz genug.
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Ebenso gruselig wäre die Umsetzung einer Idee, die mir heute Morgen beim Radfahren kam. Ich trug die Winterjacke, die einen hohen Kragen hat, so dass meine Ohren daran scheuern, was so angenehm tönt wie zerbröselndes Styropor. Da mir auf dem Rand der Ohren blöderweise Haare wachsen, die überdies stachelig sind, wenn sie sich nach Rasur erneut hervor schieben, dachte ich, meine Haare könnten wie die Nadeln beim Plattenspieler sein und im Kragen wären Tonrillen, so dass ich wenigstens eine Melodie höre. Dann allerdings müsste man beim Kauf aufpassen, damit man sich nicht vergreift. Pech wäre, der Kragen würde nur Rudimente von Helene Fischers „Atemlos durch die Na … atemlos durch die Na …“ spielen, und so weiter und so weiter, bis mir die Ohren bluten.
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„Kostenlose digitale Zeitungen und Magazine im ICE Portal!“ offeriert mir die Deutsche Bahn. Da fällt mir auf, dass ich das DB-Magazin Mobil schon länger nicht gesehen habe. Die Recherche ergab: Die Printausgabe DB Mobil wurde im Januar 2023 eingestellt. Als letzte Papier-Ausgabe lag die Dezember-Nummer von 2022 in den Zügen. Die gedruckte DB Mobil wurde von einer Tochterfirma von Gruner+Jahr produziert und hatte eine Druckauflage von 463.000. Man könnte dem hinterherweinen, aber ich hänge ja schon mit blutenden Ohren in Hundert Metern Höhe zwischen den Schienen der Üstra-Linie 9 fest.

Pesto gegen die Inflation

Eben erst durch den englischen Text im Gravatar-Profil des Kollegen Don Esperanza herausgefunden: Die im Deutschen strunzblöde Schwallformel „am Ende des Tages“, der vornehmlich „Fußballer“ verfallen sind, ist wohl ein echter Anglizismus: „at the end of the day.“
„Ich habe Rücken“, ist kein Anglizismus, sondern ein geflügeltes Wort von Horst Schlämmer, der Bühnenfigur des Komikers Hape Kerkeling. Der Rücken ist der Grund dafür, dass ich derzeit nur kurze Texte schreiben kann, wobei ich laut Tagebucheintrag mich schon in den 1990-er Jahren gefragt habe, ob in meinen Kopf nur kleine Dinge hinein passen. Was natürlich gar nicht stimmt. Ich kann nämlich ziemlich große Butterbrote essen.

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Erbärmlich
Um die Schlichtrockband Rammstein habe ich immer einen Bogen gemacht, nicht zuletzt, nachdem ich im Jahr 2013 im flämischen Musiksender Studio Brussel gehört hatte, wie die Band sich präsentiert. Das Fachmagazin Rolling Stone hat es wieder ausgegraben, was mir die Darlegung erspart:

    „Für eine Special Edition ihres Albums „Liebe Ist Für Alle Da“ hatten sich Rammstein vor rund zehn Jahren etwas ganz Besonderes einfallen lassen: In einem limitierten Aluminiumkoffer waren nicht nur das Album, sondern – neben Handschellen und Gleitgel – auch sechs Dildos als spezielle Merchandise-Beilage enthalten. Damit, so die Beschreibung der offiziellen Website, sollte man den skandalträchtigen Videoclip zur Single „Pussy“ (Spoiler: Es geht um Pornografie) nachspielen können. Mehr noch: Gerüchteweise soll es sich bei den Dildos sogar um Nachbildungen der tatsächlichen Geschlechtsteile der Band gehandelt haben.“

Bei derlei Attitüden wundert nicht, was jetzt der von den Medien offengelegte Hosenstall des Rammstein-Sängers Till Lindemann zeigt: ein schäbiges, erbärmliches Sexualleben.

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Alles muss man selber machen
Dass die Preisunterschiede bei Produkten derzeit extrem hoch seien, sagte gestern ein Ökonom im Fernsehen. Und der Kunde habe es in der Hand, die Inflation zu bekämpfen, indem er die überteuerten Produkte nicht kauft, sondern auf die preiswerteren Angebote zurückgreift. Tatsächlich sah ich heute im Supermarkt Pesto zu 3,45 Euro und fand weiter unten im Regal Pesto zu 1,90 Euro. Danach bückte ich mich trotz Rücken.
Nimm das, Inflation!

Petje af

Kaum rollt mein Rad Richtung Lindener Markt, da weht der Wind mir die Kappe vom Kopf. Ich halte, stelle mein Rad ab, gehe zurück und hebe die Kappe auf, denke noch an die Radsportkäppis, die getragen wurden, bevor die Helmpflicht kam, so ein Käppi (nl. petje) hatte nur einen kleinen Schirm, dass der Wind nicht darunter fahren konnte und es vom Kopf reißen, wie es mir eben passiert ist. Ich setze die Kappe verkehrt herum auf. Sieht vielleicht blöd aus, ist aber der Funktion geschuldet. Im Weiterfahren entdecke ich im Fenster der Kindertagesstätte gegenüber ein kleines Mädchen. Es sitzt im Erdgeschoss auf der Fensterbank, lässt die Beinchen herausbaumeln und hat mich still beobachtet.

Im Vorbeifahren frage ich: „Hast du gesehen, was der freche Wind getan hat?“ Es antwortet nicht, ruft fröhlich: „Tschöhö!“, und winkt mir zum Abschied zu.

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Anfang der 1990-er Jahre, sonntägliche Trainingsfahrt mit einer wilden Horde. Man hatte sich um 10 Uhr am Beginn der Burtscheider Jägerstraße versammelt. Von dort ging es durch Belgien über mir unbekannte Wege. Es wollte sich kein gleichmäßiges Tempo einstellen. Immer wieder wurde geruckelt. Grad ging es hektisch über einen ansteigenden Wirtschaftsweg auf einen Höhenrücken. Plötzlich riss sich ein Kerl das Käppi vom hochroten Kopf und warf es mit Schwung in die Botanik. Hinter ihm erstauntes Schweigen. Dann sagte einer: „Das habe ich bisher nur bei der Tour de France gesehen.“
Die Zeiten ändern sich. Inzwischen gibt es bei allen Radrennen eigens ausgewiesene Wastezonen. Wer seinen Abfall, leere Verpackung oder leere Trinkflaschen außerhalb der Wastezone wegwirft, zahlt ein Bußgeld in Schweizer Franken.

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Hast du schon mal eine Kuh husten gesehen?
Die Schwarzbunte liegt wiederkäuend im Gras, wedelt ab und zu mit den Ohren, mit dem Schwanz und ist ein Bild der Ruhe selbst. Plötzlich, ganz unvermittelt streckt sie den faltigen Hals, hebt die Nüstern, öffnet das Maul und hustet kurz und trocken. Sie stößt einen weißen Ball warmen Atems in die Kühle des Morgens. Der rollt über das in der Morgensonne feucht glitzernde Gras und zerstäubt. (22. Mai 1992, beobachtet aus dem Klassenraum der 5a, während die Kinder eine Klassenarbeit schrieben)

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Unten auf dem Fußweg gehen zwei Frauen mittleren Alters nebeneinander. Beide haben ein Smartphone am Ohr, und es wirkt, als würden sie miteinander telefonieren. Das machen sie natürlich nicht. Sie führen doch kein Telefongespräch miteinander, bei dem ihre Worte in digitale Sequenzen zerhackt und als Datenpakete zum Server des Providers gesendet, von dort um den Erdball, hinauf zu einem Fernmeldesatelliten geschickt würden, wieder hinab, zur Serverfarm des anderen Providers, weiter ins Smartphone der jeweils anderen. Frauen in diesem Alter sind gewiss zu vernünftig für derlei Unsinn. Jetzt bleiben sie stehen und zeigen einander was auf ihren Displays.

Schlechte Leisten

Dampfplauderei
Der Mensch sagt viel, wenn der Tag lang ist, weiß manches nur ungefähr und redet oft ins Unreine. Das Drauflosschwätzen, landläufig Dampfplauderei genannt, ist im privaten Umfeld harmlos, doch problematisch, wenn es beispielsweise im Fernsehen geschieht, denn das Fernsehgerät ist ein Multiplikator, bringt unterschiedslos Hochgeistiges und Quatsch unter die Leute. Den Quatsch verbreitete es unter anderem am 9. Juni in der WDR-Sendung „Hier und heute“. Moderatorin Anne Willmes plauderte mit einer Installateurin, die medial aufgefallen war, weil sie nebenher modelt und ein Kinderbuch herausgebracht hat.

„Bella Baumädchen: Du kannst alles sein!“ soll Mädchen Mut machen, es ihr gleich zu tun und einen Handwerksberuf zu ergreifen. Die junge Frau berichtete, dass sie als Kind im elterlichen Installationsbetrieb früh schon Gefallen am werkeln gefunden habe. Sie könne nicht kochen, aber Bäder bauen. Zu Hause habe man „die besten Armaturen, die besten Toiletten …“
Frau Moderatorin Anne Willmes unterbrach: „Also nicht so, wie man sagt: Der Schuster hat die schlechtesten Leisten!“
Yo, dachte ich, und die liegen bei Hempels unterm Sofa.

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Kontrolle ist besser
Wer sich antun möchte, was ich mir antun musste, um den Wortlaut korrekt wiedergeben zu können: Hier noch abrufbar in der Mediathek.

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Blinder Alarm
Zum 2. Mal spinnt ein Rauchmelder in einer frisch renovierten, leerstehenden Nachbarwohnung. Wer soll dem Ding jemals noch vertrauen.

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Zweiklassenmedizin
Ich benötige einen Termin in der Augenklinik für eine harmlose Sache. Die Helferin am Telefon sagt, sie habe nur Mitte August frei, nimmt aber meine Daten auf, fragt auch nach der Versicherung. Als sie erfährt, dass ich als Beamter privat versichert bin, hat sie plötzlich einen anderen Termin für mich, vier Wochen früher. Ich beschwere mich nicht, davon zu profitieren, aber dieses Zweiklassensystem ist einfach ungerecht.

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Am Ende des Tages

Nie mehr Falschgeld

„Warum ist das Leben so kompliziert geworden?“, mault die Sprechstundenhilfe mich am Telefon an.
„Fragen Sie ernsthaft mich? Ich bin schuldlos, wünsche mir nur eine korrekt ausgefüllte Verordnung.“
Inzwischen frage ich mich, ob ich wirklich schuldlos bin. Sie hat gewiss recht. Das Leben ist komplexer geworden, aus meiner Sicht, weil die Menschheit zu viel Information austauscht. Und am Aufbrausen der weltweiten Schwatzhaftigkeit bin ich natürlich beteiligt, indem ich schreibe und publiziere. Informationsökologie wäre angezeigt, schon allein, weil die Serverfarmen, die den weltweiten Informationsaustausch ermöglichen, mehr Strom verbrauchen, als alle Haushalte zusammen.

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Die Verkäuferin schiebt meinen Fünf-Euro-Schein durch ein Prüfgerät.
„Müssen Sie sogar fünf Euro auf Echtheit prüfen?“
„Ja, die werden auch gefälscht.“
„Lohnt sich ja kaum, bei der kleinen Wertigkeit.“
„Man rechnet nicht damit. Darum werden sie gefälscht. Letzte Woche hatte ich meinen ersten gefälschten Zehneuroschein.“
„Haben Sie den erkannt oder das Gerät?“
„Ich habe es gesehen. Der sah aus wie verwaschen und hier“, sie nimmt einen aus der Kasse und deutet auf die Stelle, „stand etwas in Türkisch.“

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In den 1980-er Jahren habe ich mir ausgedacht, wie sich Geldscheine fälschungssicher machen ließen, ohne dass besondere Sicherheitsmerkmale nötig wären. Damals dachte ich, dass die dabei anfallenden Datenmengen nicht zu händeln wären. Heute wäre es kein Problem. Drum:

    Geldscheine werden in mehreren Nutzen gedruckt, das heißt, auf einem großen Papierbogen sind mehrere Scheine nebeneinander und untereinander angeordnet. Die bedruckten Bögen werden mit einer Schneidemaschine auf Format geschnitten. So ein Schneidemesser nutzt sich beim Schneiden ab und muss regelmäßig nachgeschliffen werden, was bedeutet, dass unter dem Mikroskop kein Schnitt wie der andere aussieht. Man braucht nun die vergrößerten Schnittkanten jedes Geldscheins nur zu scannen und zu speichern. Zu jedem Schein gibt es dann mehrere Nachbarn. Prüfgeräte müssten die Daten der Schnittkanten nur vergleichen. Ein Schein, der keinen in der Datenbank gespeicherten Nachbarn hat, ist gefälscht.

Voilà. Wie es technisch umzusetzen wäre, müssten sich andere ausdenken.