Als tourist auf der linie 13

Ich sollte das nicht schreiben, wirklich nicht. Ich sollte wie angekündigt nichts tun. Nach der physiotherapie heute morgen fragte mich der therapeut: „Und was haben Sie heute noch schönes vor?“ Ich sagte “rekuperieren, nachdem ich gestern zum mausoleum des grafen Von Alten gewandert bin, vielmehr zur ruine.“ Ich liebe das wort rekuperieren. Es lässt sich unschwer lat. recuperare (erholen) darin erkennen. Ich sage es mit stolz ob meiner gestrigen leistung. Andere leute würden nicht von einer wanderung sprechen, würden sagen, sie hätten einen hupfer gemacht, sie hätten sich von der endhaltestelle der linie 13 mal eben fallen lassen und wären schon da gewesen.

Für mich sind vier kilometer, also zwei hin, zwei zurück auf unbekannten wegen durchaus eine wanderung, für die ich mir ein butterbrot schmiere und eine flasche apfelschorle in den rucksack stecke. Ich wurde bescheiden in meinen ansprüchen, traue mich erst langsam wieder vor, nachdem mich eine osteopathin mit heilenden händen erst kürzlich von meinen hartnäckigen rückenschmerzen befreit hat.

Es ist weiß Gott nicht mein lebenstraum gewesen, die kleine stadt Hemmingen im süden Hannovers zu besuchen. Aber nachdem die Überland- und Straßenwerke Hannover (Üstra) die stadtbahnlinie 13 von Fasanenkrug im norden bis Hemmingen ganz im süden Hannovers erweitert haben, war ich neugierig geworden, das neue teilstück der strecke und die endhaltestelle kennenzulernen.

Zuerst war die frage zu klären, was Hemmingen zu bieten hat, (also außer Lidl, Aldi oder Penny), denn einfach ziellos hinzufahren, widerstrebte mir. Wenn ich schon als bloody tourist unterwegs sein würde, dann richtig. Bei Wikipedia weist der unterpunkt „Grünflächen und Naherholung“ aus: „(…) Im Erlenbruchwald liegt auch das Baudenkmal Mausoleum Graf Carl von Alten, das von Georg Ludwig Friedrich Laves und Conrad Wilhelm Hase für Carl von Alten errichtet wurde.“ Das erregte meine neugier.  Laves und Hase sind zwei berühmte Hannoveraner architekten, Hase („Putz ist Lüge“) gilt als der bedeutendste vertreter der neugotischen backsteinarchitektur.

Das 1842 errichtete mausoleum hat zwar die weltkriege unbeschadet überstanden, wurde aber in den 1950-er jahren geplündert und ist nur noch ruine. Beim wort ruine denke ich unwillkürlich an einen schmuckeremiten. Der Hinübersche Garten, ein engländischer landschaftspark im norden Hannovers soll einen gehabt haben, doch bei von Altens mauseleum ist wohl keiner zu erwarten. Ein dort in diensten der stadt in einem erdloch lebender kerl, der sich sieben jahre nicht haare, bart, fuß- und fingernägel schneiden dürfte, damit würden die Hemminger sicher werben.

10 cc – dreadlock holiday

Fortsetzung

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