Brötchen bekommen

Mein Frühstück rettet am Ostermontag der türkische Bäcker auf der Ecke. Ich kaufe da sonst nicht. Entsprechend ignoriert mich die Frau hinter der Theke, denkt vermutlich: Jetzt kommt der auch angedackelt. Sonst rennt er immer vorbei und kauft lieber beim deutschen Bäcker, obwohl dort nicht mal richtig gebacken, sondern nur aufgebacken wird. Recht hätte sie. Dass hier noch richtig gebacken wird, beweist ein Duft, den ich von früher kenne, der aber sonst nicht mehr in der Welt ist, zumindest nicht in deutschen Aufbäckereien. Kurz warte ich auf Ihre Frage, aber als die ausbleibt, suche ich ihren Blick und sage mein Sprüchlein: „Ich hätte gerne dies und das.“

Vielleicht ist sie nicht unfreundlich, sondern war nur unsicher, wie man einen wie mich anspricht, beispielsweise so: „Kommt da noch was bei, der Herr“, fragte mich eine Aachener Bäckereifachverkäuferin. Irgendwo in Hannover-Linden fragte die Bäckereifachverkäuferin die Reihe der Kunden vor ihrer Theke: „Wer bekommt?“ Keinen störte diese Sprachverhunzung, besonders den Kerl nicht, der grad an der Reihe war, nämlich mich nicht. Ich verstand den Sinn der Frage und würde den Teufel tun, mich zu beschweren. Der Fragesatz ist eine Ellipse (von gr. élleipsis = Auslassung). Damit bezeichnet die Sprachwissenschaft einen verkürzten, grammatisch unvollständigen Satz, dessen Bedeutung trotzdem erschlossen werden kann. Aber wie lautet er in Gänze, frage ich mich auf dem Nachhauseweg. „Wer bekommt … ein Kind … ein Brötchen … eine Knallzigarre?“ Man weiß es nicht. Aber das Duden-Stilwörterbuch weiß, wie es vollständig heißt: „Was bekommen Sie bitte?“ Das würde jetzt den Sprachpuristen freuen, hätte allerdings nicht die Kürze, mit der gleichzeitig die richtige Reihenfolge der Bedienung erfragt wäre.

Aber wird jemand von Kind auf mit „wer bekommt?“ quasi sozialisiert, dürfte man sich nicht wundern, wenn er oder sie beim Einkauf formuliert: „Ich bekomme dies und das“, was ich unangemessen fordernd finde. Das wirkt auf mich, als glaubte das Mensch, es hätte ein verbrieftes Anrecht auf die Segnungen der Welt. Ich würde es nur akzeptieren im Kontext einer Sache, die jeden treffen kann. „Ich bekomme eine schlimme Halsentzündung.“
Ja, das geht.