Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Abwasch beschleunigt die Phasenverschiebung

Frau NettesheimTrithemius
Ich habe Phasenverschiebung gesagt, Frau Nettesheim, nicht ‚Hasenverschiebung‘. Soweit kommt es noch, die Hasen abzuschieben. Die brauchen wir doch zu Ostern.

Frau Nettesheim
Ja, und was ist nun mit der Phasenverschiebung?
Trithemius
Was soll schon sein? Da verschiebt sich was von der einen Phase in die nächste. Systemtheorie, Frau Nettesheim.

Frau Nettesheim
Ach, Ihr neues Hobby.

Trithemius
Das können Sie nennen, wie Sie Kleingeld haben. Seit langem denke ich, dass man das Geschehen in menschlichen Kulturen als System betrachten muss, das sich selbst organisiert. Wenn Sie sich morgen im Fingernagelinstitut Ihres Vertrauens die Nägel feilen und lackieren lassen …

Frau Nettesheim
Es heißt „Fingernagelstudio“, Trithemius. Ich habe noch nie eines betreten.

Trithemius
… dann handeln sie zwar aus einem egoistischen Motiv, trotzdem dient es dem Allgemeinwohl. Frau Fingernagelstudio hat am Abend ein Plus in der Kasse und kann sich im Handyladen ein neues Smartphone kaufen. Der beinah insolvente Handyladen-Betreiber schöpft wieder Hoffnung und gibt den Plan auf, seine Familie zu meucheln, so dass der jüngste Sohn die Schlachtkaninchen aus dem Stall des Nachbarn befreien kann – und so weiter und so weiter. Es ist doch ein tröstlicher Gedanke, dass ein chaotisches System wie die menschliche Gesellschaft sich irgendwie organisiert, so dass die Summe aller egoistischen oder sozialen Handlungen ein Überleben der Art sichert. Wenn Sie sich allerdings weigern, ins Fingernagelstudio zu gehen, Frau Nettesheim, und sich stattdessen in ein Blumengeschäft verirren und Tulpen kaufen …

Frau Nettesheim
… organisiert sich das System geringfügig anders, mit dem gleichen Ergebnis oder etwa nicht? Sie sagen, es gehe um die Summe der Handlungen.

Trithemius
Ja, ich gebe zu, dass unser Gesellschaftssystem zwar aus individuellen Handlungen besteht, aber Ihre Entscheidung für oder gegen das Glück der Maniküre ist innerhalb der Systemtoleranz. Das gesellschaftliche System ist groß, und alles Große ist schwer zu bewegen. Wenn sich aber die Gegebenheiten ringsum das System verändern, treten Spannungen und Reibungsverluste auf, die alle Elemente des Systems irgendwann zu spüren bekommen. Fast jede menschliche Kultur ist durch Computer und Internet ins Informationszeitalter übergetreten, das dem Einzelnen völlig neue Verhaltensweisen abverlangt. Dazu muss sich jeder neu orientieren und organisieren, und weil das eine Weile dauert, entsteht bei vielen Menschen großer Stress. Der führt beispielsweise in gesellschaftliche Krisen wie etwa Glaubwürdigkeitsverlust der Leitmedien, was wiederum noch mehr Stress erzeugt. Wenn der Druck dann zu stark wird, zerfällt das alte System und gruppiert sich neu, egal, ob Nutznießer der alten Ordnung dagegenhalten. Und diese verbesserte Neuorganisation des kulturellen Systems ist eine Phasenverschiebung. Es kommen herrliche Zeiten, Frau Nettesheim!

Frau Nettesheim

Ich weiß genau, warum Sie das sagen. In den letzten Tagen haben Sie andauernd Februar bedingte Schwermut verbreitet, und jetzt haben Sie ein schlechtes Gewissen und verkünden Sonnenschein. Dabei wissen Sie noch nicht mal, ob die Phasenverschiebung eine verbesserte Neuorganisarion mit sich bringt. Hitlers Machtergreifung war auch eine Phasenverschiebung.

Trithemius
Ja ja, die Phasenverschiebung kann auch nach hinten losgehen. Drum lassen Sie sich morgen die Fingernägel schön machen oder die Männerfanglocken richten, Frau Nettesheim, das hilft bestimmt, eine positive Phasenverschiebung einzuleiten.

Frau Nettesheim

Ich hätte einen besseren Vorschlag, Trithemius. Machen Sie das. Noch besser wäre allerdings, Sie würden mal Ihre Küche aufräumen. Sonst wird bei mir der Anpassungsdruck so groß, dass ich mir selbst eine Tasse spüle.

Trithemius
Um Himmels Willen! Das könnte ich nicht verantworten.

21 Kommentare zu “Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Abwasch beschleunigt die Phasenverschiebung

  1. Fingernagelstudionaglerin: Was darf’s sein?
    Kleintierzüchter: Ein mal die Pfoten bitte.
    Fingernagelstudionaglerin: Um Himmels Willen! Wie seh’n die denn aus?
    Kleintierzüchter: Nein, nicht meine. Die da, von dem Hasen.
    Fingernagelstudionaglerin: Ach so. In Phase 1 waschen wir den Hasen. In Phase 2 verschieben wir ihn kurzfristig in die Mikrowelle.
    Kleintierzüchter: Also, positive Phasenverschiebung?
    Fingernagelstudionaglerin: Nennen Sie es, wie Sie wollen.
    Kleintierzüchter: Und Sie denken wirklich, damit hat er Chancen bei Germanys Next Topmodel?

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  2. Liebe Frau Nettesheim,
    ich habe gerade in einem anderen Blog gelesen, dass der Geschirrspüler der Blogbesitzerin defekt ist, und sie erst in 6 Wochen Ersatz bekommt. Das 6-wöchige VonHandSpülen dieser Dame verändert dermaßen dramatisch den Lauf dieser Welt, dass es so gut wie gar nicht auffällt, wenn Sie eben schnell mal ne Tasse spülen.
    In der Zeit könnte Trithemius sehr viel effektiver an anderen Stellen in den Lauf der Geschichte eingreifen!
    Gruß Heinrich
    P.S. ich mag Ihre Dialoge mit Trithemius sehr!

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    • Lieber Heinrich,
      die Frage, ob ich die Tasse spüle oder Trithemius endlich abwäscht, ist durchaus brisant. Der Kollege Noemix macht gerade auf eine fatale Folge von schlechten Zuständen in der Küche aufmerksam: „Insbesondere die unselige Historie jenes heruntergekommenen Postkartenmalers, der so gern aka­de­mi­scher Kunstmaler geworden wäre: hätte etwa das Professorenkollegium am ent­schei­den­den Tag nicht schlecht zu Mittag gegessen und wäre nicht darob ungnädig gestimmt ge­we­sen, so hätten sie den womöglich nicht bei der Aufnahmsprüfung durchrasseln, son­dern kon­zi­li­an­terweise studieren und Maler werden lassen – um wievieles anders wäre die Welt­ge­schich­te verlaufen. Allein ein Schmetterlingseffekt löste deren unheilvolle Wen­dung aus: dass einer nach vergeigter Prüfung Politiker wurde statt Kunstmaler, über den man heute nix mehr wüsste, hätte nicht dereinst ein Koch an einer Wiener Mensa einen schlechten Tag gehabt.“ http://noemix.twoday.net/stories/1022547280/
      Gute Grüße,
      Helene Nettesheim
      „Merci!“

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  3. Trithemius ist auch der Ansicht, der Mensch ist ein sich selbst organisierendes Wesen?

    Verzeihen Sie, dass ich frage, was ich mir darunter vorstellen solle: Feburarbedingte Schwermut? Ist das so etwas ähnliches wie weihnachtsbedingte Unstimmigkeit oder neujahrsbedingte Vorsätzlichkeit?

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    • Frau Nettesheim war schon immer da, zuerst im Stammhaus „Teppichhaus Trithemius“, dann bei Trithemius.de. Eine Weile habe ich gezögert. sie ins Teestübchen zu holen, aber jetzt ist sie hier. Frau Nähdochmal kenne ich leider noch nicht, hoffe das aber nachholen zu können.

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  4. Lieber Jules, du verwirrst mich. Ernst lenkst mich mit verschwunden Links in eine Blumengeschäft (ich will mich nicht beklagen) und dann veröffentlichst hier ein Gespräch mit Frau Nettesheim, das mir bereits in einem Kommentar angekündigt wurde, wie ich dachte, bei einem zweiten Lesen aber nicht mehr aufzufinden war. Auch hier will ich mich nicht beklagen, auch wenn mir kurzzeitig ganz schummrig wurde.
    Vielleicht hilft ein Besuch im Nagelstudio. Leider bin ich heute zu faul und meine Nägel bereits in vorzeigbaren zustand. Die Phasen müssen sich heute ohne mein zutun verschieben.

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  5. Interessantes Gespräch, was sich aus so einem Dialog im Teestübchen ergibt! Bislang kannte ich Phasenverschiebungen nur aus der Elektrotechnik bzw. Physik. Dass sich dies auch in der Gesellschaft wieder findet, erstaunlich, und schon wieder wird der Lauf der Welt nachhaltig verändert. 🙂

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  6. Oh shit…nicht zotig…ok, lieber Jules, ich war zu dem Zeitpunkt ja noch nicht am Lesen Deines Beitrags 😉 …und ich kann nichts dafür, dass mir Frau Nettes Heim immer besser gefällt und ich meinen Spass hatte mit den Männerfang-Locken und auch den Männer-Fan-Glocken 😀 . Das komische Fach liegt Dir durchaus, wie ich ja schon länger weiß. Ob sich da auch eine Phase verschiebt, kann ich aber nicht beurteilen 😉 .
    Einen schönen Mond-Tag wünsch ich Dir – guck hin, es ist Vollmond und ich mittendrin.

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    • Mir war die mögliche Doppeldeutigkeit noch nie aufgefallen, liebe Andrea, dabei kenne ich das Wort schon seit den 60-ern. Aber bei dem Wort habe ich im Internet keine Konkurrenz. In den 60ern gab es diese Frisur, heute Bob genannt, mit Stränen links und rechts des Gesichtes, die aufwärts gelockt waren wie Angelhaken. Das waren Männerfanglocken. In Hannover kann ich vermutlich keinen Mond sehen, weils ununterbrochen regnet. Zum Glück geht mir bei deinem Avatarbild der Mond auf. Schönen Abend!

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      • Du bist mit dem Wort bei Google wirklich konkurrenzlos 🙂 …und ich kannte das Wort wirklich nicht und mußte anfangs probieren, wie es denn jetzt ausgesprochen wird. Dabei stieß ich unweigerlich auf die Doppeldeutigkeit. Danke nochmal für die Beschreibung, jetzt sind sie besser vorstellbar 😉 . Wettertechnisch hat dann wohl heute Hannover die Arschkarte, hier war es nur grau – ohne Regen. Auch mal schön *grins*.

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  7. Solange die Phasenverschiebung keine Gravitationswellen auslöst, auf der man nicht surfen kann, weil es dummerweise sich zu einem Gravitationstsunami verschieben würde, solange konnte man damals mit einer mathematischen Phasenverschiebung ganze Heerscharen von Schreibbedarf-Verkäuferinnen in den Wahnsinn treiben, wenn man nur den einfachen Satz „Haben sie ein Sinus-Schablone?“ aussprach und beim Angebot einer Cosinus-Schablone aber auf das obskure Objekt der Begierde einer Sinus-Schablone beharrte, weil es doch der Mathe-Lehrer vom Gymnasium genau so verlangte …

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  8. Da ich meine betriebswirtschaftliche Prägung nicht leugnen kann, auch wenn ich es bisher nie wirklich versucht habe, muss ich hier die Kondratjew-Zyklen in Stellung bringen. Der Herr hat vor rund 100 Jahren die Idee entwickelt, dass alle 60 bis 80 Jahre ein Paradigmenwechsel fällig wird. Der Mann ging von wirtschaftlichen Erfindungen aus, also z. B. der Dampfmaschine oder, auf unsere Zeit übertragen, dem Internet. Danach dauert es noch 30 Jahre bis zum nächsten Paradigmenwechsel. Aber Phasenverschiebung klingt schöner – und so harmlos.

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