Der TV-Kritiker Ihres Vertrauens untersucht die Vertrittschäden auf dem Satiregipfel – Eine Polemik

Wenn einer ein beachtlich mittelmäßiger Witzereißer ist, dann können unglückliche Verhältnisse ihn in dieser Mittelmäßigkeit gefangen halten, als hätte man seine Füße in eine Wanne mit flüssigem Zement gesteckt und gewartet, bis er hart wurde. Diese Zementwannen sind beispielsweise Fernsehsendungen, ausgestrahlt von der ehrwürdigen ARD in großen Dekorationen mit gefällig hindrapierten Zuschauern. Man fragt sich übrigens, woher diese fröhlich klatschenden Menschen kommen, die im Jargon „Schwenkfutter“ genannt werden. Ich erinnere mich, dass Gewährsmann Noemix einmal mitgeteilt hat, sie würden mit Bussen aus Slowenien oder irgendeinem anderen Hinterwald herangekarrt. Deutschkenntnisse brauchen sie nicht, denn es wird ihnen immer beizeiten signalisiert, wo sie lachen oder klatschen sollen. Da man sie mit einem leckeren Imbiss bewirtet hat, ertragen sie auch bereitwillig eine Veranstaltung, die geschwollen „Satiregipfel“ heißt.

Bekanntlich ist Satire eine Textgattung. Die Inhalte dieser Gattung sind oft unfreundlich, so dass Satire sich am bequemsten konsumieren lässt, wenn sie gar keine Inhalte hat. Wer könnte am besten ohne Inhalte auskommen? Natürlich die mittelmäßigen Witzereißer, die ein Herr Dieter Nuhr um sich versammelt, um mit ihnen auf diesem Gipfel umher zu stolzieren und ihn niederzutrampeln wie die Steinböcke die Alpen. Wer das bezweifelt, nehme dies:

„Die Wiedereinbürgerung des Steinwildes in den Alpen hat in einigen Regionen auch gezeigt, dass Steinwild einen großen Einfluss auf die sie umgebende Landschaft hat. Aufgrund der in den 1920er Jahren wieder eingebürgerten Steinböcke nahm im Bereich des Schafberg und des Piz Albris bei Pontresina im Oberengadin die Hangabtragung zu. Verantwortlich dafür waren die Vertritt-Schäden, die das Steinwild verursachte.“ (Wikipedia)

Äh, vom Thema abgekommen. Aber immerhin, die Sache wäre bewiesen. Weiter mit den Vertrittschäden auf dem Satiregipfel. Gegen Morgen träumte ich, dass Dieter Nuhrs Auftritt angekündigt wurde, aber bevor er auf die Bühne trat, bezweifelte ich, dass er kommen würde, weil ich dachte: Der ist doch tot! Bitte! Es war nuhr (hehe) ein Traum. Das wünsche ich ihm natürlich nicht. Er soll im Gegenteil steinalt werden – am besten schon morgen.

Nach dem Aufstehen wirkte der Traum noch nach. Ich musste darüber nachdenken, warum ich diesen Satiregipfel grässlich, sogar so widerlich finde, dass ich mich noch nie überreden konnte, ihn länger als fünf Minuten anzuschauen. Ich beschloss, eine Kritik dieser Sendung zu schreiben, die ich gestern Abend in ihrer Wiederholung beim WDR ausschaltete, derweil ein Ingo Stadelmann oder so ähnlich uns Zuschauer mit schlechten Witzen quälte. Ich wollte mir Klarheit verschaffen. Wie das geht bei einer Sendung, die man sich nur flüchtig oder gar nicht angeschaut hat? Bitte, das ist das täglich Brot des Kritikers. Gut die Hälfte aller je geschriebenen Theaterkritiken sind so entstanden.

Also. Was war widerlich? Die Arroganz mit der Nuhr sein Rudel angesteckt hat, trieft so ekelhaft aus allen Poren dieser Witzbolde und zeigt, dass diese vom Fernsehen hochgefürsteten Kleingeister der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht gewachsen sind. Und ich will mir von solchen Leuten nicht die Welt erklären lassen, denn das weiß man schließlich: Arroganz und Intelligenz treten niemals gemeinsam auf.

Teestübchen Humorkritik – Herr Sträter muss mal

Versehentlich sah ich am Sonntagabend den Auftritt des Komikers Torsten Sträter im sogenannten „Satiregipfel“ des ARD-Fernsehens, und zwar zappte ich mich hinzu, als Sträter eine Geschichte vorlas und mitteilte, dass er an einer Autobahnraststätte angehalten habe, denn: O-Ton Sträter: „Ich musste mal groß.“ Er habe das K-Wort nicht gesagt, tönt er vollmundig, weil die ARD-Oberen nicht gerne hätten, wenn es fallen würde. Ich hingegen wollte überhaupt nicht wissen, warum Sträter an der Raststätte angehalten hat. Wenn ich selbst auf den Parkplatz einer Raststätte gefahren bin, habe ich mich beim Anblick der anderen Fahrzeuge nie gefragt: Warum sind die alle hier? Müssen die mal, eventuell sogar groß?

Ich mochte mir auch keine Gedanken darüber machen, was Sträter betrifft, dachte mir hingegen, dass der Mann in die putzigen Fußstapfen von Ingo Appelt treten wollte, der seine peinlichen Texte stets mit der Großtat gewürzt hat, im Fernsehen „ficken“ zu sagen. Zur Strafe hat der Weltgeist dafür gesorgt, dass er immer mehr dem Schwein ähnelt, das er sprachlich schon lange verkörpert.

Sträter musste also „groß“, las eine Schlagzeile am Zeitungsstand, entwickelte eine mäßig intelligente, noch mäßiger witzige Gedankenfolge zum Thema „starke Frauen“, die er sich gewiss in der Hocke ausgedacht hatte, und schoss dann folgende Pointe ab: das alles habe er sich am Zeitungsstand stehend gedacht, obwohl er ganz dringend „mal k…. musste.“

Man möge die Aussparung entschuldigen, aber wenn ich das ganze Wort hier veröffentliche, wer macht das wieder sauber? Sträter mit seiner Zahnbürste? Gewiss nicht. Was soll das für eine Botschaft sein? Soll der Zuschauer dankbar sein dafür, dass Herr Sträter mannhaft seinen Drang unterdrückt hat, um über die Formulierung „starke Frauen“ nachzudenken? Oder soll der eingangs angekündigte Tabubruch sein Bukett über das ganze Werk legen, um gnädig zu verhüllen, dass es ganz und gar nicht geeignet war für eine Sendung, die sich „Satiregipfel“ nennt. Trotzdem bin ich Sträter dankbar. Mir war nämlich lange keine treffende Metapher für diesen flachen Gipfel eingefallen. Es ist mehr ein großer Haufen.

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