Not Schweinsköpfe

Zu besuch bei freunden in köln. Wir wollten essen gehen. Die freunde fanden es schwierig, ein auch für mich geeignetes lokal zu finden. „Veganer sind so eine seltenheit in köln! Kaum ein restaurant hat veganes auf der speisekarte“, hieß es. Am ende wählten wir ein gutbürgerliches lokal in der altstadt. Das einzige vegane gericht auf der karte war die „Not Schlachtplatte.“ Die freunde winkten ab. Aus platzgründen solle ich lieber nur eine halbe nehmen. Das wiederum bescherte mir ein ästhetisches problem. Offenbar war vorgesehen, dass im zentrum der „Not Schlachtplatte“ ein lebensgroßer naturgetreuer „Not Schweinskopf“ trohnte, der eine tomate im maul hatte.

Bei der halben „Not schlachtplatte“ ging der schnitt naturgemäß mitten durch den schweinskopf und legte das innere gekröse frei. „Was hat es damit auf sich“, fragte ich die kellnerin. „Der ist aus marzipan“, sagte sie. „Unsere küche möchte zeigen, dass wir bis ins kleinste detail alles vegan nachbilden können. Beachten sie auch die naturalistische nachbildung der fleischtomate. Sie hat drei kammern, wie der schnitt offenlegt. Die dreikammertomate zeigt einen mercedesstern.“ Nach dieser erklärung wandte sie sich ab, kehrte dann aber um, brachte mir zum steinharten hefeteigboden ohne hefe einen meißel und sagte: „Wollen sie sich das nicht nochmal überlegen mit dem veganismus? Der schweinskopf ist doch so hübsch.“

Auf dem weg zur toilette fiel mein blick in eine separate gaststube. Dort stand Carolin Kebekus vorgebeugt hinter einem tisch und sagte einer abgewandt sitzenden person: „Nach neun monaten schwangerschaft endlich wieder hack!“ Dann zog sie sich mit einem strohhalm eine line gehacktes durch die nase. Jan Böhmermann tänztelte durch den raum, eckte am tisch an und jammerte: „In letzter zeit geraten mir immer wieder die ironiestufen durcheinander! Hashtag: #Ironiestufenverwirrung.“ Der aus funk und fernsehen bekannte comedian Torsten Sträter war auf den gang getreten und rief über seine schulter: „Ich muss ka, äh, mal groß. Das andere hat mir der intendant verboten. Kann ich wenigstens die scheißhaustür auflassen?“
„Ich hab glücklich einen haufen hack, aber es geht natürlich wieder mal um dich und deine fäkalsprache, Wursten Sträter“, höhnte die Kebekus.
Ein TOLLHAUS, um groß zu schreiben, dachte ich.

Teestübchen Humorkritik – Herr Sträter muss mal

Versehentlich sah ich am Sonntagabend den Auftritt des Komikers Torsten Sträter im sogenannten „Satiregipfel“ des ARD-Fernsehens, und zwar zappte ich mich hinzu, als Sträter eine Geschichte vorlas und mitteilte, dass er an einer Autobahnraststätte angehalten habe, denn: O-Ton Sträter: „Ich musste mal groß.“ Er habe das K-Wort nicht gesagt, tönt er vollmundig, weil die ARD-Oberen nicht gerne hätten, wenn es fallen würde. Ich hingegen wollte überhaupt nicht wissen, warum Sträter an der Raststätte angehalten hat. Wenn ich selbst auf den Parkplatz einer Raststätte gefahren bin, habe ich mich beim Anblick der anderen Fahrzeuge nie gefragt: Warum sind die alle hier? Müssen die mal, eventuell sogar groß?

Ich mochte mir auch keine Gedanken darüber machen, was Sträter betrifft, dachte mir hingegen, dass der Mann in die putzigen Fußstapfen von Ingo Appelt treten wollte, der seine peinlichen Texte stets mit der Großtat gewürzt hat, im Fernsehen „ficken“ zu sagen. Zur Strafe hat der Weltgeist dafür gesorgt, dass er immer mehr dem Schwein ähnelt, das er sprachlich schon lange verkörpert.

Sträter musste also „groß“, las eine Schlagzeile am Zeitungsstand, entwickelte eine mäßig intelligente, noch mäßiger witzige Gedankenfolge zum Thema „starke Frauen“, die er sich gewiss in der Hocke ausgedacht hatte, und schoss dann folgende Pointe ab: das alles habe er sich am Zeitungsstand stehend gedacht, obwohl er ganz dringend „mal k…. musste.“

Man möge die Aussparung entschuldigen, aber wenn ich das ganze Wort hier veröffentliche, wer macht das wieder sauber? Sträter mit seiner Zahnbürste? Gewiss nicht. Was soll das für eine Botschaft sein? Soll der Zuschauer dankbar sein dafür, dass Herr Sträter mannhaft seinen Drang unterdrückt hat, um über die Formulierung „starke Frauen“ nachzudenken? Oder soll der eingangs angekündigte Tabubruch sein Bukett über das ganze Werk legen, um gnädig zu verhüllen, dass es ganz und gar nicht geeignet war für eine Sendung, die sich „Satiregipfel“ nennt. Trotzdem bin ich Sträter dankbar. Mir war nämlich lange keine treffende Metapher für diesen flachen Gipfel eingefallen. Es ist mehr ein großer Haufen.

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