Costers Asche – #Kramladengeschichten

Die Biographie der Dinge

Beim Frühjahrsputz am vergangenen Wochenende ist ein schwarzes Filmdöschen hinter meine Kommode gefallen. „Ist das schlimm?“ „Ach du liebe Zeit! Ja! Im Döschen ist doch die Asche von Thomas.“ Jetzt steht das Döschen wieder prominent auf der kleinen Installation von Erinnerungsstücken, deren zentrales Element ein Versal-A aus Beton ist. (Teestübchen-Hausaltar – Foto: Trithemius, zum Vergrößern bitte klicken)

Tom AscheEs ist nunmehr zwei Jahre her, da ich das Filmdöschen bekam. Emile, ein holländischer Freund, hatte sich nach dem Tod von Thomas um dessen Einäscherung gekümmert. In den Niederlanden wird einem die Asche nach einem Monat zur freien Verfügung ausgehändigt. Im Mai 2014 lud Emile den engeren Freundeskreis zu sich zu einem kleinen Leichenschmaus ein, wozu er eine köstliche Ananas-Curry-Suppe gekocht hatte, die wir auf einer hübsch von Blüten umrankten Terrasse einnahmen. Anschließend fuhren wir zu Hollands höchstem Berg, dem Drielandenpunt, auch Vaalser Berg, der sich im Dreiländereck, Deutschland, Holland, Belgien auf 322,7 Meter erhebt, um die Asche von Thomas zu verstreuen. Vorher öffnete Emile die Urne und bot an, jedem etwas in ein Filmdöschen abzufüllen. Schon dabei wunderte ich mich, wie schwer die Asche eines Menschen ist. Noch mehr, als wir auf dem Drielandenpunt waren. Es gibt dort eine große Wiese mit vereinzelt stehenden Bäumen. Wir streuten die Asche von Thomas mit unseren Händen rund um den Stamm einer Eiche. Das war schöner als einen Sarg in ein Erdloch hinabzulassen.

Ich bin froh, noch etwas von meinem guten Freund Coster bei mir zu haben. Gelegentlich, wenn ich Wein oder Sekt trinke, proste ich ihm zu, denn er hat im Leben auch gerne einen gehoben.

Ein Beitrag zum Erzählprojekt #Kramladengeschichten

37 Kommentare zu “Costers Asche – #Kramladengeschichten

  1. Pingback: Krempel aus der Hosentasche – Sergej Tretjakovs Biographie der Dinge – #Kramladengeschichten

  2. Wir legen halt großen Wert auf die ungestörte Totenruhe – und da man ja sonst nicht mehr zur Ruhe kommt, ist das dann die letzte und einzige Ruhe. Nein, ich finde die niederländische Lösung auch schöner, wobei natürlich die Niederländer, ökonomisch bis geizig wie sie sein können, die Kosten der Bestattung der Urne einsparen und das Ding in die Gracht werfen. Aber auch das hätte was, in einer Gracht in Amsterdam zu ruhen… zumindest bis zur nächsten großen Grachtenreinigung.

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  3. Dies ist kein Kommentar. Dies ist nur eine Benachrichtigung darüber, dass ich seit gestern über einen Kommentar nachdenke.
    Möglicherweise bekomme ich das irgendwann nochmal hin.
    Oder nicht.
    Keine Ahnung.

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    • Vielen Dank für diese Benachrichtigung, liebe Feldlilie. Sie macht natürlich neugierig. Ich kenne das Problem, hab selbst schon vor einem leeren Kommentar-Editor-Fenster gesessen und lange nicht gewusst, was ich schreiben soll. Meistens hat man zu hohe Ansprüche an sich selbst. Da hilft es, was man sagen will, so schlicht wie möglich zu schreiben.

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      • Wenn „so schlicht wie möglich“ die Lösung wäre, würde ich auf den „Gefällt mir“-Button drücken und gar nichts sagen. Ich selber mag das allerdings überhaupt nicht. Ich finde es schön, wenn man – wenn man denn schon schreibt – auch Feedback bekommt. Sonst ist es irgendwie langweilig.
        Mein Problem ist bei diesem Text vielmehr, dass ich mich von diesem Eintrag weiter zu diversen anderen von Dir gehangelt habe, und dabei auf jede Menge kommentierungswürdige Sachen gestoßen bin. Am besten fand ich einen Satz von Dir „Leider bin ich Atheist“ (der Satz ging noch weiter, aber über den Rest musste ich nicht so intensiv nachdenken). Meine Gedanken dazu haben nichts mit Bekehrung zu tun sondern damit, wie um Himmels Willen man „leider“ Atheist sein kann. Und außerdem fielen mir beim Blättern auf Anhieb mehrere Blogeintrag-Themen ein. Danke dafür.
        (Bin immer noch nicht fertig mit Denken, aber jetzt steht hier schon mal was!)

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        • An irgendeine höhere Macht glauben zu können, macht vieles einfacher, lässt einen Schicksalsschläge leichter ertragen, tröstet, füllt vieles mit Sinn. Das alles hat der Atheist nicht. Früher habe ich gläubige Menschen um ihre Gläubigkeit beneidet, heute denke ich mir, dass ich in diesem Universum allein zurechtkommen kann. Was im Namen von Religion für Gräuel, welches Unheil im Namen Gottes angerichtet wurde und weiter wird, welche Bosheiten mit Gottes Wille erklärt werden, da kann ich mich nur schütteln. Also ist das „leider“ ein obsoletes „leider“.
          Freut mich, dass du in meinem Blog fündig geworden bist. Ich danke artig für das inhärente Lob.

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          • Ich kann gläubige Menschen verstehen. Ich kann auch Agnostiker verstehen. Atheisten mit Sehnsucht danach zu glauben, verwirren mich. Solange es Menschen gibt, die sich sicher sind, dass es Gott gibt, denke ich, dass Menschen, die sich sicher sind, dass es Gott eben nicht gibt, auch nur etwas glauben – aber ohne den Trost, den ihnen der „andere“ Glaube biten würde.
            Und jetzt rate mal, was ich glaube… 😉

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            • Du meinst hoffentlich nicht mich mit „Sehnsucht.“ Es besteht ein Unterschied zwischen dem Glauben an einen Gott und dem Glauben, dass keinen gibt. Aus dem ersteren erwächst ein Anspruch, aus dem zweiten nicht.
              Wenn ich raten soll, so glaubst du an eine höhere Gewalt. Wie du sie nennst, weiß ich freilich nicht.

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                  • Hmmm… nein, das ist das Einzige, dessen ich sicher bin, dass ich es nicht bin. Ich bin mir selber gar nicht sicher, in welche Glaubens- (oder Nichtglaubens-)Schublade ich gehöre. Ich denke manchmal, ich bin einfach ein Heide – jemand, der nicht an die vorgeschriebenen Götter glaubt, aber die Tatsache, dass es Bäume und Sonnenschein (und Nacktschnecken) gibt, einfach zu großartig findet, um dafür nicht dankbar zu sein – wem gegenüber auch immer.
                    Es ist mir gar nicht wichtig, ob es Gott gibt. Aber manchmal schicke ich trotzdem ein von Herzen kommendes „DANKE“ in den Weltraum. Irgendwen wird es schon erreichen…

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  4. Man sagt, der Verstorbene lebt in der Erinnerung der übrig gebliebenen weiter. Das ist sicher richtig. Dennoch gefällt mir der Gedanke, dass ein Meer, ein Baum oder meinetwegen auch das Unkraut am Feldrand eine Spur des Menschen in sich trägt. Oder eben ein Filmdöschen, dem man zuprosten kann.
    Warme Zeilen, die mir nahe gehen.
    Schönen Feier/Vatertag, lieber Jules.

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