Im Dämmer

„Götterdämmerung“ heißt der vierte Teil von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen.“ Es ist eine Anspielung auf Ragnarök, („das Schicksal der Götter“), von dem in der Edda berichtet wird. Gemeint ist der Kampf der Götter gegen die Riesen, der laut Edda verloren gehen wird, was gleichbedeutend mit dem Weltuntergang ist. Irgendein depperter Schreiberling vulgo Schmock hat sich vor einiger Zeit die Metapher „Merkeldämmerung“ aus dem alkoholschweren Kopf gewrungen, wahlweise mit Bindestrich „Merkel-Dämmerung.“ Obschon Frau Merkel nur Bundeskanzlerin ist, wird sie im Sprachbild zur Göttin erhoben, deren Untergang sich abzeichnet. Es muss die Abenddämmerung gemeint sein, denn allein in der aufkommenden Finsternis kann man Angela Merkel mit den bekannten germanischen Göttinnen Frigg und Freya verwechseln, natürlich nur, falls man ein Schmock ist. Schmocks begeistern sich für die Technik des Schreibens ohne Denken und sind froh um jede wohlfeile Worthülse. Sie lieben die „Metapher „Merkeldämmerung“ und schmieren sie in jedes Blatt, aktuell wegen der Abwahl des Merkel-Vertrauten Volker Kauder als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender. Jetzt sei die Merkeldämmerung angebrochen, heißt es unisono in unseren Qualitätsmedien.

Der neugewählte Fraktionsvorsitzende, Ralph Brinkhaus, von dem es heißt, er habe „Volker Kauder geschlagen“, beeilte sich zu beteuern, zwischen ihn und Angela Merkel „passt (…) kein Blatt Papier.“ Das ist nicht körperlich gemeint; wir sollen uns kein symbiotisches Aufeinanderliegen Brinkmann – Merkel vorstellen, kein Aneinanderklammern der beiden, wie sie in die Merkeldämmerung davonrollen, rollen und rollen wie der fall- und rollsüchtige brasilianische Fußballspieler Neymar, sondern das Bild meint inhaltliche Übereinstimmung in Sachfragen. Da will man sozusagen „kein Blatt vor den Mund nehmen.“

Soweit die Sprachhülsen der Woche.

Ich erinnere mich noch gut an die Morgendämmerung von Angela Merkel im September 2005. Diese für mich persönlich durchaus tragische Liebesgeschichte abseits der Merkelschen Morgendämmerung muss an anderer Stelle erzählt werden.

Heult doch – alle!

Kategorie zirkusDie Handlungsfähigkeit der EU stünde auf dem Spiel, tönte es gestern im regierungstreuen Verlautbarungsorgan „heute-journal“ (ZDF). Die kanadische Handelsministerin, Chrystia Freeland, sei „unter Tränen“ abgereist, nachdem der Abschluss des unterschriftsreifen Handelsvertrags CETA am Widerstand des wallonischen Regionalparlaments vorerst gescheitert ist. „Wir sind doch Freunde“, bekundete sie ihr Unverständnis der wallonischen Bockigkeit. Dass man in der EU die ablehnende Entscheidung eines demokratisch gewählten Parlaments nicht akzeptieren will, zeigte sich am Statement Angela Merkels: „Bei uns dauert es eben manchmal länger.“ Das enthielt ja die Botschaft: „Wir Konzernfreunde finden schon einen Weg.“ Ähnlich äußerte sich der Premier der belgischen Zentralregierung Charles Michel: „Wir sitzen noch am Verhandlungstisch, und wenn man am Tisch sitzt, dann muss man wild entschlossen sein, alles zu tun, um der Lösung eine Chance zu geben.“ Entsprechend nennt FAZ.net die demokratische zustande gekommene Ablehnung „Proteste“, als ginge es um ein paar aufgebrachte Milchbauern, die wichtige Zufahrten mit ihren Treckern blockieren. Passend hatte man bei heute einen ausgemergelten wallonischen Biobauern gezeigt, der ein paar kümmerliche Feldfrüchte in der Hand hatte, bei dem jeder dachte, den und das kann man getrost vergessen.

Ach, sie halten uns ja für so dumm. Sie glauben, wir sind kleine Mädchen, denen man was vom Pferd erzählen kann. Weniger blumig hatte sich der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette, im Zivilberuf Politikwissenschaftler, geäußert, dass man bei der EU glaube, er hätte CETA nicht verstanden. Magnette kritisiert, was auch Hundertausende Bürger der EU als Bedrohung ihrer Demokratien ansehen, die Regeln zum Investorenschutz, die Schiedsgerichtsbarkeit für Investoren und die mögliche Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben. Was wir verstanden haben: Unsere Volksvertreter wollen einen Teil ihrer Zuständigkeit aus der Hand geben und dem freien Spiel von Konzerninteressen ausliefern.

Ich war in die heute-Sendung geraten, weil ich die anschließende Heute-Show sehen wollte. Dass den Autoren dieser Satire-Show kein Wort zum CETA-Trauerspiel eingefallen war, ist schwer vorstellbar. Möglicherweise hatte man aber keine Zeit und musste wichtigere Themen behandeln wie die Tatsache, dass die Käufer von VW-Dieselfahrzeugen in den USA entschädigt werden, in Deutschland aber nicht, was wieder mal zeige, dass US-Behörden es mit dem Konsumentenschutz ernster meinen als unsere. Eine interessante Darstellung von Moderator Oliver Welke, weil CETA von Kritikern als trojanisches Pferd angesehen wird für TTIP, den Handelsvertrag mit den USA. Wir lernen, die Verträge können so schlecht nicht sein, zumindest nicht für den, der einen VW-Diesel besitzt und US-Bürger ist.

Blödes Schwenkfutter - Quelle: ZDF-Heute-Show

Blödes Schwenkfutter – Quelle: ZDF-Heute-Show

Schon bei der Heute-Show zuvor, am 14. 10. waren mir Zweifel an der Zielrichtung der ZDF-„Satire“ gekommen. Da setzte man sich mit den Hasstiraden auf Facebook auseinander, deren Löschung Bundesjustizminister Maas verlangt. Dem Zuschauer wurde vermittelt, dass es dem Männlein im Kommunionsanzug nicht gelingt, sich mit seinen Vorstellungen bei Facebook durchzusetzen. Maas gegen Facebook wäre als würde Margot Käsmann gegen beide Klitschkobrüder boxen. So weit, so lustig. Doch zuvor, als die Kamera über das Publikum strich, das bei jeder abgehandelten Ungeheuerlichkeit klatschend und jubelnd auf den Sitzen hüpft, und sich freut, auch mal im Fernsehen zu sein, da fand das ZDF nichts dabei, den facebook-Account der Heute-Show einzublenden.

In Österreich ist die Verbindung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Facebook verboten.
Ist ja auch Schleichwerbung für einen Konzern. Doch wenn es um Konzerninteressen geht sind wir alle längst verkauft und nur noch blödes Schwenkfutter – im Zirkus des schlechten Geschmacks.