Abstrakt
„Ich will in meinen Bildern keine Geschichten mehr erzählen. Mich drängt es zur totalen Abstraktion“, sagte mir ein Aachener Freund, ehedem mein Mentor für Kunst im Referendariat. Ich überlege, ob es lohnend wäre, auch literarisch zur Abstraktion zu kommen. Wie müsste man sich das vorstellen? Die Wörter einer Sprache sind schon Abstraktionen, indem sie komplexe Sachverhalte mit einem Begriff bezeichnen. Zudem sind mit den Wörtern Gefühlswerte und Assoziationen verknüpft, in der Sprachwissenschaft Konnotationen genannt. Diese Konnotationen sind höchst individuelle Bilder. Sie hängen ab von je subjektiven Erfahrungen.
Billiglöhner
mir begegnet ein Mann in schwarzer Cordhose, offenbar ein Dachdecker, also ein Mann mit einem ehrbaren Beruf, der hoffentlich von seiner Arbeit leben kann. Er muss nicht nebenher noch als „Juicer“ tätig sein. So heißen diese armen Socken, die abends und nachts die Miet-.E-Scooter einsammeln und deren Akkus aufladen. Im von der Regierung Schröder geschaffenen Minijobsektor sind eine Reihe solch schlecht entlohnter Tätigkeiten entstanden, so auch die der Warenverräumer, von denen die Ein-Euro-Handelskette Tedi laut Aushang 30.000 sucht. Da es nur rund 1300 Tedi-Filialen in Deutschland gibt, kämen rechnerisch etwa 23 „Warenverräumer“ auf eine Filiale. Demnach ist „Warenverräumer“ kein vollwertiger Beruf, sondern schlecht entlohnte Teilzeitarbeit.
Einz zwei drei, hier kommt Gedankenpolizei
Wissenschaftler haben eine neue AI-Methode namens CEBRA entwickelt, die Gehirnsignale in Videos umwandelt. Sie haben einer Maus eine kurze Videosequenz gezeigt und dabei ihre Gehirnaktivität gemessen. CEBRA kann das Video anhand der aufgezeichneten Gehirnmuster reproduzieren. Die AInauten melden: „ AI kann offiziell Gedanken lesen und Vorhersagen treffen“ Vor dieser Form des Gedankenlesens schützen den Menschen vorläufig die individuellen Konnotationen.
Unterm Hinkelstein
„Wer nicht mitbekommen hat, dass die derzeit laufende Tour des 79-jährigen britischen Sängers, Songwriters und Ultrastarrkopfes Roger Waters ein gewaltiges, vielschichtiges, zutiefst enervierendes Politikum ist, muss das vergangene Jahr unter einem Hinkelstein verbracht haben.“
Das schreibt ein Joachim Hentschel in der Süddeutschen Zeitung. Und kein verantwortlicher Redakteur streicht ihm das herbeigesuchte „unter einem Hinkelstein verbracht.“ Dem Drang, auf der Glatze Locken zu drehen, darf nicht nur Hentschel ungestraft folgen, darf auch übertreiben wie „Ultrastarrkopf“ und „gewaltiges, vielschichtiges, zutiefst enervierendes Politikum“, ohne dass einer mit Sprachgefühl fragt: „Hätten Sie es auch eine Nummer kleiner?“ Es nervt nur und gab mir den letzten Anstoß, mein SZ-Abo zu kündigen.
Lachen mit Lothar Lange (LO)
Der König muss zum Kapper
Menschliche Bedürfnisse in der Dramaturgie des Erzählens
„(…) Wenn das Leben eines Menschen in einem Roman erzählt wird, so spielt dessen Essen und Schlafen in der Erzählung normalerweise keine Rolle, während die Zeiten, die wir mit Essen und Schlafen verbringen in Wirklichkeit einen sehr großen Teil des Lebens ausmachen.“ (Herbert Seidler in: Theorie und Praxis des Erzählens)
Noch seltener hat das Gegenteil der Nahrungsaufnahme, die Notdurft, eine Rolle in der Dramaturgie, was mir besonders in Spielfilmen auffällt. Ich erinnere mich nur an zwei Fälle:
- 1) in einem Film mit Louis de Funès sitzt ein Trompeter ahnungslos auf einem Klohäuschen, das aus Gründen auf einem Fluss einer Stromschnelle zugleitet. (wer weiß Film und Begleitumstände?)
2) In Tarantinos „Pulp fiction“ kann das potenzielle Opfer einen auf ihn angesetzten Profikiller erschießen, als der nichtsahnend von der Toilette kommt.
3) …
Teestübchen – Musiktipp
The Kooks; around twown
Ich glaub das war „Balduin der Trockenschwimmer“, auch bekannt als „Der kleine Sausewind“ (Originaltitel: Le Petit Baigneur).
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Danke für den Nachweis, lieber Peer.
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Ich habe mal Openchat AI befragt und erhielt folgende Antwort: „Der Film, den Sie beschreiben, heißt „Louis, der Geizkragen“ (im Original: „L’Avare“) aus dem Jahr 1980. Es ist eine französische Komödie, bei der Louis de Funès die Hauptrolle spielt. In einer Szene des Films sitzt ein ahnungsloser Trompeter auf einem mobilen Klohäuschen, das versehentlich auf einem Fluss treibt und in eine Stromschnelle gerät. Louis de Funès‘ Charakter, der geizige Harpagon, versucht verzweifelt, sein Geld zu retten, das er in einem Behälter im Inneren des Klohäuschens versteckt hat.
Die Szene ist bekannt für ihre komischen Elemente und den Slapstick-Humor, für den Louis de Funès berühmt war. Der Film ist eine Adaption der gleichnamigen Komödie von Molière und zeichnet sich durch den exzentrischen Charakter von Louis de Funès aus, der in vielen seiner Filme einen ähnlichen Stil verkörpert.“ AI-Antwort halt.
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Hallo Franz! Ein erstaunliches Ergebnis. Vielen Dank für den Nachweis!
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Ich habe neulich die zwischen 2014 und 2019 gedrehte US-Serie Madame Secretary angesehen, die von einer fiktiven amerikanischen Außenministerin handelt, die dann zur ersten Präsidentin gewählt wird. Da gibt es über alle sechs Staffeln verteilt immer wieder kleine, feine Szenen, in denen Bess McCord sich nach Feierabend im Schlafzimmer mit ihrem ausgesprochen attraktiven Mann unterhält, und einer der beiden befindet sich entweder auf der offensichtlich nebenan liegenden Toilette, oder schreitet aus dieser, oder aber auch mit etlichen Rollen Klopapier „bewaffnet“ hinein. Ich fand das beim Ansehen immer speziell charmant, weil so alltäglich und „normal“. 😉
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Danke fürs Beispiel, liebe Martha. Lief wohl nicht im linearen Fernsehen, oder?
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Gerne! 🙂 Die ersten beiden Staffeln wurden vor drei oder vier Jahren auf Tele5 ausgestrahlt. Die ganze Serie gibt es auf AmazonPrime zu sehen.
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so wie dir mit der sz gings mir neulich in der buchhandlung meines vertrauens, als ich in den vielbesprochenen roman „identitti“ hineinlas. nein, eine anhäufung von adjektiven und metaphern ist KEIN GUTER STIL. hat den jungen menschen das keiner gesagt? wenn einen dann gleich zu beginn allzu offensiv die themen rassismus UND feminismus anspringen … ist der bescheuerte titel auch schon egal.
zur beruhigung musste ich danach erst einmal ein paar seiten margaret atwood lesen.
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3) “Und dann kam Polly“
4) …
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Sehr amusant. Vielen Dank für den Nachweis.
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4) Erster Teil von Jurassic Park, da wird sogar jemand am Klo gefressen und zerlegt oder in umgekehrter Reihenfolge, weiß ich nicht mehr so genau 🙂
5) …
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5) “Sterben für Anfänger“
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Ein genialer Streifen.
Läuft auf YouTube komplett und ich hab mich halb tot
gelacht Sterben für Anfänger
Qualität ist mies aber es reicht … :-)!
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Den Film kannte ich sogar, leider vergessen. Danke für den Nachweis!
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„Noch seltener hat das Gegenteil der Nahrungsaufnahme, die Notdurft, eine Rolle in der Dramaturgie, was mir besonders in Spielfilmen auffällt. “ Ich erinnere mich nur an zwei Fälle:“
Das hier wirst Du nie vergessen … (ACHTUNG!!! Triggerwarnung!!!)
Trainspotting | ‚The Worst Toilet in Scotland‘ (HD) – Ewan McGregor | MIRAMAX ab 00m:57sec bis 03m:50sec unterlegt mit der Musik von BRIAN ENO – DEEP BLUE DAY und ein Auszug aus Georges Bizet’s “Carmen.
Such bitte selber 😉
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Werde ich, danke für den Nachweis.
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Dankeschön fürs Verlinken zum König, der zum Kapper müsste, lieber Jules!
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Gerne, lieber Lo. Selten so etwas Gutes zum Thema gelesen.
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O ja, kannte ich sogar. Danke für den Nachweis!
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Le charme discret de la bourgeoisie (Bunuel) macht die Notdurft zur öffentliche und das Essen zur verschämten Angelegenheit. Die römischen Senatoren, die die Themen des Staates mit gerafften Gewändern bequem auf ihren Donnerbalken sitzend abhandeln.
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@Gerda
Danke für den Hinweis auf Bunuel. Die Szene der „römischen Senatoren, die die Themen des Staates mit gerafften Gewändern bequem auf ihren Donnerbalken sitzend abhandeln“, stammt wohl aus „Asterix erobert Rom.“
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Bist du sicher, dass das Decken von Dächern ehrbarer ist als das Einsammeln von E-Scootern?
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das habe ich so nicht aufgefasst. e-scooter einsammeln ist lediglich prekärer. vom dachdecken konnten man früher ganz gut leben.
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Ich hab’s auch so aufgefasst, aber die Formulierung im Text lässt andere Deutungen zu
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Dachdecker ist ein Lehrberuf, ein ehrbares Handwerk, und wird entsprechend nach Tarif entlohnt. Da liegt der Unterschied zum Juicer, der grad mal angelernt wird und oft nicht mal MIndestlohn bekommt.
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Ein Beispiel für einen abstrakten Roman könnte vielleicht „Bebuquin. Die Dilettanten des Wunders oder: Die billige Erstarrnis“ von Carl Einstein sein.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Bebuquin)
Hinweis zu Buñuels Beitrag in der skatologischen Filmografie (s. den Kommentar von gkazakou): „[…] folgt der Professor einer privaten Einladung. Die Gastgeberin weist den fünf Erwachsenen und ihrem kleinen Mädchen die Plätze an einem großen Tisch zu, um den sechs Kloschüsseln platziert sind, auf denen alle für gemeinsamen Stuhlgang Platz nehmen – zum Essen zieht man sich hingegen einzeln in eine kleine Kammer zurück.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Gespenst_der_Freiheit)
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Hallo DonPipo
Dankeschön für die erhellenden Nachweise und die Einordnung.
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Bebuquin oder die Dilettanten des Wunder kannte ich noch nicht. Ich werde es nachholen 😉
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