Ein trockenes Blatt

Ein lindes Frühlingslüftchen wehte ein trockenes Blatt von mir weg über den Bürgersteig. Es wirkte, als wäre das Blatt sich schamhaft bewusst, in der falschen Jahreszeit herumzuliegen. Da jedenfalls dachte ich: Was willst denn du noch hier? Schon wurde mir klar, dass das Blatt längst seinen Platz unter einem Baum eingenommen hätte und bereit wäre, von diversen Organismen zernagt zu werden, auf dass seine Nährstoffe in den Boden zurückwandern könnten. Der Prozess soll etwa vier Jahre dauern, habe ich mal gelesen. Voraussetzung ist, dass nicht rundum alle Flächen versiegelt sind. Ich war kurz versucht, das Blatt aufzuheben und auf eine Baumscheibe zu werfen.

Später an der Supermarktkasse hatte eine Frau Probleme, mit Karte zu bezahlen. Der Vorgang wurde abgebrochen, und sie musste ihre PIN ein zweites Mal eingeben. „Das liegt nur an den langen Fingernägeln“, sagte sie, „aber die wollen wir ja behalten.“
Aber hier den Verkehr aufhalten, Trulla!, dachte es in mir. Gleich danach bedauerte ich meine Unduldsamkeit: Bei einem verirrten Blatt den Hypersensiblen spielen und hier in Gedanken den Miesling herauslassen. Mit so einem wolltest du selber nichts zu tun haben.

Der Kassierer jedenfalls blieb freundlich, was mich zudem beschämte. Man kann manchmal so ein Arsch sein. Bitte entschuldige das Wort „manchmal“ 😉