Im Winter, wenn Schnee gefallen war und die Bruchstraße eine geschlossene Schneedecke hatte, entdeckte Bauer Schmieder sein Herz für Kinder. Irgendwann am Tag fuhr er seinen Deutz-Traktor auf die Straße, band den Schlitten seiner kleinen Tochter an die Anhängerkupplung und hängte den des jüngeren Sohns dahinter. Im Nu strömten die Kinder der Straße mit ihren Schlitten herbei, banden sie an und hintereinander. Los ging die wilde Fahrt. Bauer Schmieder gab Gas, ein Ruck, und die Schlittenreihe setzte sich in Bewegung. Das ging gut, bis zur Kreuzung oben. Da war der Schnee noch von den Reifen der Traktoren festgefahren, und die Schlitten holperten hurtig über die vereiste Piste, dass man Mühe hatte, sich festzuhalten.
Wo die Straße in die Winterlandschaft des Hohlwegs eintauchte, lag Tiefschnee. Und spätestens hier kippte einer mit seinem Schlitten um, und das Schlittengespann riss auseinander. Die Kindermeute schrie „Halt!“, und wenn dann wieder alles gerichtet war, wurde „Schnee fassen!“ gerufen. Jede, jeder nahm zur Stärkung eine Handvoll Schnee in den Mund. Der Schnee lag in der Bruchstraße ganz unberührt. Niemand dachte daran, er könnte schmutzig sein. Es war ein Ritual, sich Schnee in den Mund zu stecken, bevor die wilde Rodelfahrt weiter ging hinter dem Trecker von Bauer Schmieder. Weiter, immer weiter die tief verschneite erste Bruchstraße entlang. Bis zu ihrem Ende. Spätestens da, wo ein alter Rheinarm ein weites Tal hinterlassen hatte, drehte Schmieder. Bis zum zweiten Hohlwewg kamen wir nie. Vermutlich war Schmieder genervt, weil die Seilzüge zwischen den Schlitten immer öfter rissen. An einigen Schlitten waren das ja nur Schnüre. Die konnten die Last nicht halten, wenn mehrere Schlitten hinter ihnen hingen.
Ich war sowieso heilfroh, wenn es wieder heimwärts ging, denn meistens war ich schon ganz durchnässt und durchgefroren und freute mich auf ein heimelig warmes Zuhause.
Eine schöne Erinnerung. So durchgefroren war das Heimkommen sicher besonders schön. Ich hab es als Kind geliebt, mich dann in der Küche aufzuwärmen.
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Dankeschön, liebe Mitzi. Bei uns stand in der Küche noch ein Kohleherd. Der wärmte uns schön auf.
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Viel besser als Heizungen…zumindest nach dem Schlittenfahren. 😉
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Ja, wahrlich eine gute Erinnerung, wobei es winterlich turbulent zugeht. Ein besonderes Vergnügen, das zu lesen!
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Dankeschön, freut mich. Da erinnert man sich gern, als wir noch unbefangen Schnee in den Mund nahmen 😉
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Ein schöner Flashback.
Wo sind nur all unsere Winter geblieben?
Gruss
Robert
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Hier und heute in Aachen zum Beispiel. Am Morgen gegen 7 Uhr knapp 10 Zentimeter Neuschnee und es hat schon wieder angefangen zu schneien. Rodeln im von-Halfern-Park wird langsam gut …
Bei -1°C bleibt das etwas länger liegen.
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@ Peer
Das wird meine Enkel freuen. Denn Schnee liegt ja so oft nicht in Aachen. Der Von-Halfern-Park war zu weit weg für meine Kinder. Sie rodelten auf der Wiese unterhalb vom 1.-Rote-Haag-Weg.
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@ Robert
Dankeschön. Ich vermute, deine Frage bezieht sich auch auf die verflossenen Lebensjahre. Wo sind sie hin, all unsere Winter?
Beste Grüße
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Dazu gibt es ja das Lied von Reinhard Mey „Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?“ das mit der schönen Zeile endet „ Und käm auch der Schnee von gestern wieder, so wär er so weiß wie früher nie mehr.“
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Klasse! Danke für den Liedvers.
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Ich wünsche eine vergnügliche Rodelpartie 😉
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Wie schön!
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Dankeschön.
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In meinen Kindertagen haben meine Kumpels und ich uns auch immer rasch eine Handvoll Schnee in den Mund gestopft, wenn wir durstig waren. Kein Gedanke daran, dass sich darin vielleicht irgendwelche Schadstoffe, Mikroplastik, Düngemittel etc. verbergen könnten.
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