Frau Nettesheim
Steile These, Trithemius, dass Reiche sich nicht über Teuerung beklagen dürfen, wie Sie in Ihrem Text von gestern behauptet haben.
Trithemius
Dürfen sie immer. Es wirkt nur lächerlich.
Frau Nettesheim
Vor einigen Jahren haben Sie selbst auf Seneca hingewiesen, der den antiken Philosophen Bion zitiert: „Gleich lästig ist es für solche mit Glatze wie für solche mit vollem Schopf, wenn ihnen Haare ausgerissen werden.“
Trithemius
Bions Gleichnis trifft es – und auch wieder nicht, Frau Nettesheim. Einer, der sein volles Gebiss hat, kann verschmerzen, wenn ihm ein Zahn gezogen wird. Er erlebt den gleichen Schmerz wie der, dem schon viele Zähne fehlen. Aber der mit reichlich Zähnen im Gebiss kann hernach noch alles beißen, der andere nicht.
Frau Nettesheim
Aber warum soll der mit reichlich Zähnen über seinen Verlust nicht klagen dürfen? Vielleicht ist’s ein Schneidezahn. Und wenn er lacht, sieht man die Lücke.
Trithemius
Weil er immer was zu beißen hätte, sonst würde er nicht lachen. Dem Armen fehlt alles, also sollte der Reiche ihm nicht auch noch die Klage stehlen.
Ich finde es auch ungerecht, dass nur die Armen klagen dürfen. Und was ist mit jenen, die weder arm noch reich sind, also sehr viele Menschen in Europa? Schließlich hat Klagen im Normalfall keinerlei Konsequenzen, was man bedauern mag …
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Das ist auch ein gutes Argument.
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Klagen kann jeder. Darf auch jeder, den der Klagegrund wird subjektiv empfunden. Und meist findet sich einer, der noch mehr Grund zum Klagen hat.
Nur sollte man vielleicht darauf achten wo und wie man sich beklagt. Der obere Mittelstand nicht bei der Pflegekraft mit zwei kleinen Kindern, für die eine solche Klage wie Hohn wirkt.
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„Der Klagegrund wird subjektiv empfunden“ ist ein kluger Satz. Sich nicht bei solchen zu beklagen, denen es schlechter geht als einem selbst, setzt Empathie voraus.
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Leute, die viel besitzen, klagen oftmals weitaus häufiger als jene, die nicht viel oder gar nichts besitzen. Ist eine Beobachtung, die ich schon häufig machen durfte. In meiner Heimat z. B. gab es ein älteres Ehepaar, das überaus gerne verlauten ließ, wie schlecht es ihnen ginge, und dass sie sich, wenn das so weiter gehen würde, bald gar nichts mehr leisten könnten. Nach dem Tod der Beiden stellte sich heraus, dass sie im Geld förmlich schwammen. 😉
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Danke für dein Beispiel. In diesem Fall ist Klagen sicher zur (unschönen) Charaktereigenschaft geworden, wie Gerda weiter unten anmerkt.
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Ich kenne sehr arme Menschen, die nie klagen, sondern sich herzlich bedanken, wenn man ihnen etwas vom eigenen Überfluss abgibt. Ich glaube nicht, dass Klagen ein Vorrecht der Armen ist, sondern eine Charaktereigenschaft quer Beet.
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Kläglich zu sein, ist vielleicht eine Charaktereigenschaft oder es geschieht aus Gewohnheit, wird dann beibehalten, auch wenn die Gegebenheiten sich zum Positven verändert haben.
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Die einen trocknen ihre Tränen mit Geldscheinen, die anderen mit Klopapier
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Das ist poetisch, doch mir scheint das eine wie das andere nicht erstrebenswert 😉
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