Vor der Aldi-Kasse sammelten sich die Kaufwilligen. In der Reihe vor mir stand ein gut gekleidetes altes Paar. Sie, sorgfältig geschminkt, er ein bisschen klapprig, von ihr „Schätzchen“ genannt. Die Frau vor ihnen sagte, sie habe was vergessen und wollte es holen. „Machen Sie nur, wir haben Zeit!“, sagte die Geschminkte, dann an mich gewandt: „Nur kein Geld.“
„Sie sehen nicht aus, als hätten Sie kein Geld“, sagte ich.
Sie fühlte sich überführt und lenkte ein: „Es ist ja alles so teuer geworden.“ Das machte es nicht besser. Ich muss mich fremdschämen, wenn gut situierte Leute über Teurung klagen. Zu ihrer Ehrenrettung sagte ich mir, dass die Frau auf einem Schlagervers von 1962 ausgeglitten war.
Peter Alexander und Bill Ramsey sagen im Duett:
- Keine Zeit und kein Geld,
aber viel viel Sorgen.
Und kein Mensch auf der Welt
will uns zwei was borgen
Nix l’amoure und no love,
aber viel, viel Platz.
Und das nennen die Leute
den Fortschritt von heute
rufen Hurra Juchhei.
Grund zum Juchheien soll auch „die Mannschaft“ gehabt haben – nach Liebesnächten mit den eigens nach Katar eingeflogenen Spielerfrauen. Die bei Aldi ausgelegte Bildzeitung stellt den Zusammenhang her und fordert: „Aber jetzt wollen wir Tore!“ Laut Bild hat also der DFB die Frauen nach Katar geholt, damit ihre Männer gegen die spanische Elf Tore schießen. Diese Instrumentalisierung scheint mir reichlich frauenfeindlich zu sein. Wird auch nicht klappen. Unter den Trainern Herberger und Schön waren die Nationalspieler kaserniert und isoliert. Sie durften ihre Kräfte nicht woanders verschwenden. Und wer hätte je geglaubt, dass eine Belohnung vorab die Motivation fördert? Wenn der Damenbesuch überhaupt für jeden eine Belohnung war. Vielleicht wird man heute Abend die von Bild geforderten Tore sehen – und juchheiende Spanier.
Tja, über das Haushalten mit den Kräften aller Art deutscher Fussballer lässt sich eine Menge spekulieren. Und ob das Einfliegen in ein Land wie Quatar den Frauen gefallen hat, möchte ich bezweifeln. So herausragend anders als sonst werden die zu befriedigenden Stars ja nicht agiert haben und die Rahmenbedingungen sind ziemlich scheußlich. Das Heranschaffen von Frauen, weil die Männer unmöglich ein paar Tage ohne Sex ertragen können, erinnert an Geschichten aus 1001 Nacht . Was wäre übrigens gewesen, wenn unter den Spielern jemand wäre, der mit einem Mann lebt? Wieviel Rückgrat wäre da gezeigt worden?
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Deine beiden letzten Sätze, liebe Myriade, bereiten mir `nen schönen ersten Advent…
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@ Myriade
Gut gesagt. Bislang hat kein aktiver deutscher Fußballer sich getraut, sich zur Männerliebe zu bekennen. Das tat nur Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger nach seiner Karriere. Da endet nämlich die Toleranz.
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Das freut mich, wenn schon die Zustände in Quatar und Umgebung wenig zu guten Befindlichkeiten beitragen
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y viva espania
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Na, es wurde ja noch ein Unentschieden. Ob’s nun stimmt, dass die Ehefrauen extra zum Sex eingeflogen wurden …. Ich weiß nicht, ob „Bild“ da nicht seinem Hang zu Häme und Fouls erlegen ist. Mich haben die Bilder der deutschen Mannen mit der Hand vorm Mund verstört. Mussten sie nach Katar reisen, um zu erkennen, dass Redefreiheit ein rares Ding ist?
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Beim Thema, ob die Spielerfrauen während des Turniers Kontakt mit ihren Lebenspartnern haben dürfen, ging es unterschwellig immer schon auch um Sex, sogar als der Kontakt strikt verboten war.
„Die Mannschaft“ mit der Hand vorm Mund war eine lächerliche Geste. Vermutlich sah man sich zu einem symbolischen Akt gezwungen, weil sonst keine Ruhe und Konzentration möglich gewesen war.
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