Humorkritik – Passt scho

Die Bauern im Rheinland sind unsicher beim Plural der „Kartoffel.“ Bauer Schmitz hat ein Schild: „Kartoffeln zu verkaufen “ am Tor, sein Nachbar Schotten begnügt sich mit „Kartoffel zu verkaufen.“ Das fehlende Plural-N bereitet ihm offenbar keinen Leidensdruck. Es wäre ihm aufgefallen, wenn die Leute stets nur für eine Kartoffel in den Hofladen gekommen wären.

Ein ähnlicher Fall, nämlich der Plural der Semmel ist Gegenstand eines Sketches von Karl Valentin. Er besteht darauf, dass es „Semmelnknödeln“ heißen müsste. Da sich die Knödeln nicht aus einer Semmel zubereiten lassen, muss halt noch ein N mit hinein in den Teig.

    „Man sagt schon von jeher Semmelknödel“, wendet seine Sketchpartnerin, Liesl Karstadt, ein.
    „Ja, zu EINEM – aber zu mehreren Semmelknödel sagt man Semmelnknödeln.“
    „Aber wie tät man denn zu einem Dutzend Semmelknödel sagen?“
    „Auch Semmelnknödeln – Semmel ist die Einzahl, das musst Ihnen merken, und Semmeln ist die Mehrzahl, das sind also mehrere einzelne zusammen.“

In der Wohnung eines Studenten quoll von einem Küchenschrank ein großer Plastiksack mit alten Semmeln. Befragt nach dem Grund, gab der Mann an, er wolle Semmelknödeln machen. Ich weiß nicht, ob er den Sketch kannte und von ihm in die Irre geleitet worden war, denn um Semmelknödel zuzubereiten, braucht keiner einen ganzen Sack alter Semmeln nicht.

An der Leibnizuniversität Hannover hörte ich am 5. November einen Vortrag des Philosophieprofessors Peter Nickl: „Wie bringt Karl Valentin Menschen zum Lachen?“ Mich eher nicht, hatte ich zuvor gedacht, denn Valentins Witz schien mir aus der Zeit gefallen. Seine Witztechnik haben andere übernommen und den müden Gaul zuschanden geritten. Wenn ihm in „Der Firmling“ ein „Kriegskamerad“ den Kommunionsanzug seines Sohnes schenkt, ist für Valentin „das Frappante an der Angelegenheit“, dass er seinem eigenen Sohn Pepperl „passt!“, obwohl sich die Buben gar nicht kennen. Diese absurde Auffassung von einem gültigen Zusammenhang bringt ein komisches Gefälle“ , aber es ist ein kleiner Witz, der in Valentins filmischer Darstellung des betrunkenen Vaters in einer peinlichen Kneipenszene beinah untergeht. Im erfrischenden Vortrag von Peter Nickl gewinnt der Witz neue Qualität. Ich habe sehr gelacht, auch bei den „Semmelnknödeln.“

Gar nicht schmunzeln musste ich bei der WDR-Sendung vom 6. November, um 22:45 Uhr, „Die Comedy-Contdown-Show“, vom Sender so vorgestellt: „50 Sketche, 50 mal Kult, 50 mal Lachen mit den besten Komödianten und Komödiantinnen der letzten Jahrzehnte. Es gibt ein unterhaltsames Wiedersehen mit den Comedy-Stars: Ekel Alfred, Helga Feddersen, Peter Frankenfeld, Iris Berben, Rudi Carrell, Carolin Kebekus, Torsten Sträter und vielen anderen. (…) Auf eine lustige Reise durch die Geschichte der Fernsehunterhaltung. Lachen garantiert!“

Man hat ja beim Sender kaum noch Geld, wenn erst die gehobenen Ansprüche der Führungsetage befriedigt sind. Also muss ein lustloser Praktikant die alten Zusammenschnitte sattsam bekannter Sketch- und Witzparaden sichten, verwürfeln und unbesehen mit einem Ranking versehen. Mit einem Gang über diesen ödesten aller Witzfriedhöfe lassen sich Sendestunden am Sonntagabend füllen. Den Humor muss sich der Betrachter woanders holen. Man hat Zeit, sich über die Einlassung des WDR-Intendanten Tom Buhrow zu amüsieren, der von der Luxus-Ausstattung seines 7er-BMW-Dienstwagens nicht gewusst haben will. Er sagte der Deutschen Presseagentur (dpa) auf die Frage, ob auch er wie Kollegin Patricia Schlesinger vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) einen Massagesitz in seinem Auto habe: „Ich muss sagen, leider ja. Ich brauche ihn nicht, ich habe ihn auch noch nie benutzt, und ich wusste es noch nicht einmal.“
Demnach hätte ihm sein Fahrer nichts vom Massagesitz verraten, sondern sich still eins gegrinst, wenn der müde Intendantenhintern während einer langer Fahrt wieder einmal unmassiert geblieben ist. Das passt! Weil Massagesitz und Intendantengesäß sich gar nicht kannten.

12 Kommentare zu “Humorkritik – Passt scho

  1. auch lieber jules, mir gefiel gleich die formulierun: „Das fehlende Plural-N bereitet ihm offenbar keinen Leidensdruck“, weil wenn man von münchen auf der landstraße nach bad aibling fährt, kann man sich über derlei grammtikimmune beschilderungen den kartoffelverkauf betreffend häufiger amüsieren. und es muss natürlich „der firmling“ heissen (nicht firming), was bis heute im katholischen bayern eine tradition destrinkens ist. die armen evangelen kriegen mit 12 konfirmation und dürfen ab dann nicht nur den leib christi verspeisen, sondern auch sein blut trinken. wohingegen man nach einer firmung mit 15-16 erst das blut christi trinken darf, dafür aber in der regel vom patenonkel in das richtige saufen einführt wird – ist das bei den mädels auch so?
    „no a heubä fir den buam unfir me noan schlehn, hobsd noa brezn?“. lustiger wärs eigentlich mit nem schwulen paten onkel in münchen (bessere getränke und bessere musik), aber das kann sich jemand andere ausdenken. katholiken könnten so viel spaß haben… hg

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  2. Jö schau, zufällig schreiben Sie ebenfalls grad über Knödel und Plural-n! Der Student, welcher angab Semmelknödeln machen zu wollen, hat denen dabei im Akkusativ falscherweise deren Dativ-Endung angehängt. Das humoristische Elendsniveau deutscher sog. Comediens lässt sich freilich nicht gegen Karl Valentins genuinen bairischen Humor aufwiegen. Valentins Witz brachte oft durchaus zeitlose und kluge Denkwürdigkeiten hervor, etwa: »Ich freue mich, wenn es regnet; denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.«

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    • Manche Themen liegen wohl in der Luft. Ich hatte mich auch gewundert, als ich eine vergleichbare Erörterung in Ihrem Blog las. Leider kommt Valentins Witz in meinem Text ein wenig zu kurz. Darum danke für den Nachweis. Doch mir lag daran, ihn mit dem zu kontrastieren, was Sie treffend „Das humoristische Elendsniveau deutscher sog. Comediens“nennen. Gerade die 3. Programme der ARD tun sich mit lieblos zusammengeschnittenen Witzparaden hervor, die inzwischen rauf- und runter gesendet wurden, immer wieder Hallervordens „Palimpalim“ und immer wieder Sketche, deren Witz sich an hässlichen künstlichen Zähnen aufhängt. Frei nach Valentin: Ich freue mich, wenn das wieder im Dritten kommt, denn wenn ich mich nicht freue, senden sie es auch.“

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  3. Pingback: Wenn er nur wieder grantig schaun würd´ | Mitzi Irsaj

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