Die Zukunft des Reisens

„Ich weiß nicht, wie sehr sich Reisen noch beschleunigen lassen“, sagte Coster, als die Rede auf die Hyperloop-Technologie kam, bei der Menschen mit bis zu 1000 Stundenkilometern in einer Kapsel durch eine Tunnelröhre rasen. „Letztlich“, fuhr er fort, „ist die Idee der Von-Ort-zu Ort-Verbringung eine Sackgasse, in der nur Energie verschwendet wird. Es ist auch unökologisch, den menschlichen Körper zu transportieren, wo doch der Geist überall hinfliegen kann.“

„Mit dem Finger auf der Landkarte? Oder in der Fantasie? Das ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Ergebnis eines Transports, also wirklich am anderen Ort zu sein.“

„Tatsächlich nicht“, räumte Coster ein. „Aber da liegt die Zukunft des Reisens. Zu suchen wäre nach einer Möglichkeit, nur den menschlichen Geist zu transportieren. Dann gälte es, eine Methode zu erfinden, die menschliche Identität mit all ihren Gefühlen, Erinnerungen und Fähigkeiten digital zu speichern. Diese Speicherung ließe sich leicht versenden.“

„Ins Nirwana, äh, ins Nirgendwo? Ans andere Ende des Universums?“

„Natürlich müsste am Zielort ein Empfänger, eine Sorte Dummy warten, in den die digitale Identität eingespeist würde. Die bessere Variante, also die Reise der 1. Klasse wäre, am Zielort einen perfekten Klon ohne eigenen Verstand zu haben. Wichtige Personen würden zwischen ihren auf der ganzen Welt verteilten Klonen hin- und her-switchen. Da es fast mit Lichtgeschwindigkeit geschähe, wäre sogar Bilocation annähernd möglich, also scheinbar an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. Einer sitzt in einer Konferenz in Tokio, und mit dem nächsten Augenzwinkern wäre er bei der UN-Vollversammlung in New York City. Er könnte sogar Urlaub auf den Seychellen machen, während er an zwei anderen Orten konferiert.“

„Das liefe auf eine Verdreidoppelung der Identität heraus. Wer würde die an unterschiedlichen Orten gemachten Erfahrungen vereinen, quasi unter einen Hut bringen?“

„Der Reisende vom Anfang wäre zuständig, aber ich weiß nicht, ob sein Geist das verkraften würde. Wahrscheinlich würde er durchdrehen.“

„Das Ganze ist ein guter Romanplot, Coster!“, rief ich.

„Ich weiß, aber ich bin zu faul, den Roman zu schreiben. Auch mangelt es mir an Motivation. Ich bin, wie du weißt, längst tot.“

10 Kommentare zu “Die Zukunft des Reisens

  1. Den eigenen Tod als Ausrede verwenden, also bitte 😉 Auf diesen Roman wäre ich gespannt. Bis er (hoffentlich) erscheint, freue ich mich über deinen Beitrag, lieber Jules. Er bietet feine Gedankenspiele. Wobei mein Körper bereits protestiert und mir auf Reisen möchte.

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    • Auf dich und deinen Körper ist Verlass, liebe MItzi, denn Reisen kann auch körperliches Wohlbefinden erzeugen, wenn die Wege nicht zu weit sind und keine Pannen auftreten, mit dem Glacier-Express der Rätischen Eisenbahn etwa über eine der schönsten Bahnstrecken der Welt. Derlei hat Coster nicht bedacht. Was willst du schon erwarten von einem, der tot ist – Gedankenspiele eines Körperlosen immerhin 😉

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  2. Es beruhigt den Unterschichtler K. mit der trotz allem nicht abzutötenden Sehnsucht nach Teilhabe an einer geistigen Ebene ungemein (und diese Selbst-Titulierung ist kein Ausdruck mentalen Auto-Masochismus [MAMA], vielmehr die nackte, kalte Realität, ach), dass selbst ausgebildete sowohl als auch anerkannte Schrift-Steller nicht nur zu faul zum Schreiben spezieller Romane sind, sondern auch bereit, dies arge Defizit quasi-öffentlich zuzugeben, *hüstel*…

    Was mich verblüfft, ohne Ironie, Sarkasmus und dergleichen höhere Sperenzchen, ist, dass ich, obwohl janz weit draußen, ach, auch bereits Gedanken in der Richtung hatte, dass Reisen über sehr große Entfernungen im Universum möglicherweise nicht im Sinne sozusagen herkömmlicher Ortsveränderung stattfinden werden, sondern auf eine Weise, die heute noch gar nicht geistig erfassbar ist, eventuell eben durch gewissermaßen reine Datenübertragung…

    Oder so. Na ja. – Alles ist vernetzt, ach…

    Ich kenne ein Beispiel für die Verarbeitung der eben oben von Dir angedeuteten Problematik, dass Dir möglicherweise eher nicht behagen dürfte, zu viel Heinlein und überhaupt Military-SF, mich jedoch, da niemand ganz seiner Prägung entkommt und die meine nun einmal in einer Art Militär-Ghetto stattgefunden wurde, sehr entzückt, zudem die ersten Sätze des Buches unter den ersten fünf Plätzen meines persönlichen Rankings der besten Geschichten-Anfänge hin und her wandern, „An meinem fünfundsiebzigsten Geburtstag tat ich zwei Dinge. Ich besuchte das Grab meiner Frau. Dann ging ich zur Armee.“

    Es handelt sich um John Scalzis „Krieg der Klone“, „falls das jemanden interessiert“, wie wiederum der Ur-Jugendliche Holden Caulfield gesagt hätte.

    Ich bitte meine schriftliche Geschwätzigkeit zu entschuldigen, indem ich darauf hinweise, dass sie nicht altersbedingt ist, sondern dass ich schon immer so war, ach, und wünsche einen symptomfreien Restsonntag

    Herr Koske, derzeit M, Hauptversammlungsplatz der Bajuwaren

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      • Das hatte ich erwartet… Aber immer noch (und ich bin selbst überrascht davon), habe ich dieses Bedürfnis, meine Begeisterung über Gelesenes zu teilen. Und, wie angedeutet: für mich sind das, bei meiner Vorgeschichte, „nur“ Leute in Gruppen, die halt „nur“ komische Kostüme anhaben usw. Auch beneide ich Autoren, die so spinnen, dichten, phantasieren können; das ist Erzählen im ursprünglichem Sinne, wie an den Feuern der Nomaden usw.

        In diesem Sinne – danke gleichfalls (was die Woche angeht)

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