Fibonacci – (3) Der 13.Trommler

Tock tock, tocktocktock.
Man hatte mich auserwählt, den ersten Schlag zu tun. So trat ich als der 13. Trommler in die Runde, die sich um die göttliche Trommel scharte. Nie zuvor hatte ich so ein großes Trommelfell gesehen. Da standen 12 Mann ringsum und schauten mich erwartungsvoll an. Würde ich den ersten Schlag wagen und mich gegen den alten Gott vergehen? Es war ein Sakrileg. Generationen vor uns hatten die Kreatur als göttlich verehrt, aus deren Haut die Trommel gemacht war. Meine Generation, meine Leute hatten dem Glauben abgeschworen, hatten genug von diesem fürchterlichen Gott. Keine Menschenopfer mehr! Kein Opfern mehr der jungen unschuldigen Brut.

Aber es reichte nicht, ihm die Gefolgschaft zu verwehren. Wir hatten diesen Gott zur Strecke gebracht, hatten ihn erschlagen, derweil er und seine Priester schliefen. Wir hatten den Gott der Vorfahren gemeuchelt, seinem gewaltigen Körper die Haut abgezogen, sie gegerbt und auf den Rahmen der gigantischen Trommel gespannt.

Die Stöcke aus Eichenholz lagen gut in meiner Hand. Viele Tage hatte ich geübt, hatte die Trommelschläge und -wirbel auf dem hartem Holz einer Hobelbank geschlagen, hatte nachgeahmt, was ein eitler unerbittlicher Mann namens Brock mir vortrommelte. Seine Schläge kamen hart und präzise, besonders der Sechs-Achtel-Schlag, und er gab sich nicht eher zufrieden, bis meine Schläge ebenso hart und präzise kamen. Erst dann hatte er mir eine Trommel gegeben. Obwohl es die größte war, die er hatte auftreiben können, war sie winzig im Vergleich mit der göttlichen Trommel.

Jetzt stand ich im Rund. Die anderen sahen mich erwartungsvoll an. Ich holte aus und schlug zu. Dumpf und drohend tönte der erste Schlag. Ich ließ den Sechs-achtel-Schlag folgen. Er hätte hart kommen sollen, doch ein Schlag schien mit dem folgenden zu verschmelzen. Das Tock-tock der großen Trommel klang verwaschen. Trotzdem fuhr uns ihr Klang in die Glieder, als würde Gott uns grollen. Ich ließ einen Wirbel folgen und taktete ihn, um den anderen zu zeigen, wo sie einsetzten konnten. Tam tam, tamtamtam, tamtamtam tam tam. Nach und nach stimmten die anderen ein. Es war gewaltig, einem Donnergrollen gleich. Ich sah Furcht aufkeimen bei einigen, doch nach und nach gaben sich alle dem Rhythmus hin und gerieten in Trance. Dann, auf ein Zeichen von mir, schwieg die Trommel.

Aus der Dunkelheit der Höhle näherten sich schleppende, ja schlurfende Schritte, und dann traten die Alten und Hinfälligen in den Schein unserer Fackeln. Die Leute, denen wir den Gott genommen hatten, drängten heran. Die vorderen kamen zagend, mehr vorangeschoben als gehend, stockend, dann weitergedrängt, so dass sie mit Trippelschritten das Gleichgewicht zu halten versuchten.

Die ersten sanken auf die Knie. Ich spürte wie Hände die meinen ertasteten, spürte wie meine Beine von Armen umschlungen wurden. Aber es geschah sanft und respektvoll. Ich ließ die Stöcke sinken und wandte mich dem Alten zu.
„Komm hoch, Väterchen, ich will auf Augenhöhe mit dir reden. Was ist dein Begehr?“

„Sagt, nachdem ihr uns den Gott genommen habt, wer bietet uns in Zukunft Schutz?“
„Ihr Narren. Wovor hätte er euch je geschützt? Er ist vor Äonen aus den Tiefen des Weltalls hergekommen, um zu herrschen. Er hat eure Jungfrauen gefressen, weil ihr ihm den Tisch gedeckt habt. Zu fressen, nicht zu schützen, war sein Geschäft.“
„13. Trommler! Wir wollen, dass du seinen Platz einnimmst.“
„Um Himmels Willen, niemals!“

Folge 4 und Ende