“Wir hatten im Osten zu wenig Buchstaben“, schreibt Kollege Herr Koske scherzhaft in einem Kommentar. Erlebte ich in meiner Schriftsetzerlehre wirklich, sogar im Westen. Ein Setzkasten enthielt von jedem Buchstaben eine Anzahl, die von der Buchstabenhäufigkeit abhing. Die Schriftgießereien hielten für die verschiedenen Sprachen Gießzettel vor, aus denen die Menge der einzelnen Bleilettern auf einen Zentner hervorging. Das nur in Deutschland gebräuchliche Eszett hat die Häufigkeit von 0,31 Prozent. Auf einen Zentner 8-Punkt-Schrift kamen beispielsweise 60.000 Lettern, davon 10440 e, aber nur 186 ß, Wenn in einem gut gefüllten Setzkasten etwa 100 e lagen, dann gerade mal zwei ß.
Meine Schriftsetzerlehre machte ich in einer Buchdruckerei in Neuss. Neuss wurde bis Ende der 1960-er Jahre Neuß geschrieben. Hatte ich zwei Briefbögen ortsansässiger Unternehmen gesetzt, war der Vorrat an Eszett schon erschöpft. Wenn ich mich dann beklagte, es fehle Schriftmaterial, sagte einer meiner Gesellen:
- „Mit Material kann jeder arbeiten“, mit Betonung auf „mit.“
Diesen Spruch habe ich zeitlebens als Aufforderung gesehen, auch unter schwierigen Bedingungen etwas zu leisten, kreative Lösungen zu finden oder mich mit einem unbequemen Weg zu arrangieren. Dass ich etwas mit der Umbenennung von Neuß in Neuss zu tun gehabt hätte, wagen selbst böse Zungen nicht zu behaupten. Mehr dazu: Weiterlesen