Es will ja ein jedes Lebewesen leben. Wenn es um Kleinstlebewesen geht, ist es nicht anders. In meiner Diele liegt ein roter Teppichläufer, und der war schon länger fällig für die Waschmaschine. Früher hat man Teppiche im Hof über die Teppichstange gelegt und ordentlich mit dem Teppichklopfer verdroschen. Was an Staub herauskam, waren überwiegend Exkremente der Staubmilben. Auf einem Quadratmeter Teppich leben bis zu 100.000 dieser Spinnentierchen, was den Bewohnern einer Großstadt entspricht. Als in meiner Nachbarschaft eine unschöne Matratze an der Straße ausgesetzt war, habe ich schon mal über ein sterbendes Milbenuniversum nachdenken müssen.
Wie mag es zugehen, wenn die Milben den drohenden Untergang spüren? Es wird nicht anders sein als bei uns Menschen. Milben werden orientierungslos umherirren und mit kältestarren Gliedern zu vermeintlich besseren Orten flüchten. Die Befindlichkeitsliteratur wird anschwellen, denn sterbende Kulturen können naturgemäß die Wörter nicht bei sich behalten. Über der Weltuntergangs-Logorrhoe, dem Tuten und Blasen aus allen Kanälen, werden alle dem Wahnsinn verfallen, und man muss sich eine wahnwitzige Milbe einmal vorstellen, die ja im Wesentlichen eine Fresseinheit ist. Schreckliche Milben-Religionen kommen auf. Man meuchelt die junge unschuldige Brut. Wahnsinnige Politiker kommen an die Macht. Die Gesellschaft zerfällt in verfeindete Gruppen; sie beschuldigen sich, sprechen sich gegenseitig das Lebensrecht ab und überfallen einander. Und gerade ist das Morden in vollem Gange, da erstarrt alles im Nachtfrost. Wer schon mal Bilder von Milben unterm Mikroskop gesehen hat, wird die Vorstellung bejubeln, dass das erkaltende Milbenuniversum einfriert. Aber noch größer müsste der innerliche Jubel sein darüber, dass einem die Vorsehung keine Existenz als Milbe zugemutet hat.
Derweil die Milbenpopulation in meiner Waschmaschine ersäuft wurde, habe ich keinen Gedanken an das Drama verschwendet, denn ich war abgelenkt durch einen freundlichen Handwerker, der meine Therme reparierte, weil in unregelmäßigen Abständen die Zündflamme erlosch. Während meiner Abwesenheit am Wochenende muss es wieder passiert sein, weshalb die Wohnung ausgekühlt war, als ich heimkam. Falls es Demonstrationen im Teppich gegeben hat und ich auf Transparenten aufgefordert wurde, eine pflegliche Raumtemperatur sicherzustellen, habe ich davon nichts mitbekommen. Sorry, es waren rechtlose und sehr sehr kleine Untermieter. Diese Nörgler und Querulanten sind hoffentlich in meiner Waschmaschine verröchelt. Zur Sicherheit hänge ich den feuchten Läufer aus dem Fenster. Das wird man vielleicht als politische Meinungsäußerung missverstehen. In Wahrheit hoffe ich auf Nachtfrost.
Sowas in der Art hab ich mir auch schon überlegt 😊
Möglicherweise sind wir auch nur lästige, überhand nehmende Milben im Pelz der Erde.
Erst kürzlich sah ich eine spannende Doku von Arte „die Rückkehr der Plagegeister“, die war zu gut 😁 ich verspürte noch ne Stunde danach Juckreize
Liebe Grüße
Sabine
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Wer in Mutter Erde ein Lebewesen sieht, könnte die Idee vom übervölkerten Pelz reizvoll finden. Mich juckts schon, wenn ich „die Rückkehr der Plagegeister“ nur lese, liebe Sabine.
Schönen Gruß
Jules.
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Lieber Jules, du schaffst es, dass ich auch an meine kleinen Mitbewohner denke und sie fast sympathisch finde. Eine neue Population in deinem Teppich wird sich schnell ansiedeln. 😉 Liebe Grüße
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Liebe Mitzi, Dein letzter Satz hat mich erschreckt. Aber du hast Recht, auf mir nicht klaren Wegen finden die sich wieder ein. Daher meine Spekulation, sie kämen über Wurmlöcher in ;
Lieben Gruß
Jules
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Oh…ein interessante Überlegung.
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Die Milbe, könnte sie die menschliche Sprache verstehen, würde demjenigen danken, der sie als Milbe auf diese Welt geschickt hat…
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Da hast du natürlich Recht, lieber Herr Ösi.
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