Zum Frühstück kam ein älterer Mann an meinem Tisch, sah mich an und stieß fast triumphierend hervor:
„Mein letztes Frühstück!“
Hinfort saß er mit gesenktem Kopf vor mir, im Gesicht tiefe Bitterkeits- und Sorgenfalten, und schob sich stumm und methodisch sein Frühstück hinein. Keinmal hob er den Blick. Zu ihm durchzudringen war nicht möglich, denn als ich ihn fragte: „Reisen Sie morgen ab?“, reagierte er nicht. Später sah ich ihn bei der Rezeption mit Koffern sitzen, offenbar darauf wartend, abgeholt zu werden. Ich hoffe sehr für ihn, dass „Mein letztes Frühstück!“ keine Prognose für die nahe Zukunft war.
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In der Cafeteria laufen aus geheimer Tonquelle ausschließlich Hits vom Ende der 1960-er bis in die 1970-er Jahre, vermutlich auf die Klientel angepasst. Die gleiche Musik ertönt in der Turnhalle. Bei der heutigen Gymnastik machte ich Bewegungsschritte zu „Lady Bump“, einem grauenvollen Nummer-1-Hit aus dem Jahr 1978 von Penny McLean. Bump war auch ein populärer Tanzstil.
- „Der Bump ist ein Musikstyle und Modetanz aus den 1970-er Jahren, bei dem sich die Tanzpartner im Rhythmus mit den Hintern, bzw. der Hüfte anstoßen, sich aber sonst nicht berühren.“ (Wikipedia)
Penny McLeans bürgerlicher Name war und ist Gertrude Wirschinger. So um das Jahr 2005 habe ich Frau Wirschinger mal in Aachen gesehen. Da trat sie als Numerologin auf. Ich war hingegangen aus journalistischem Interesse. Es war noch ein bisschen schrecklicher als der Gesang. Gertrude Wirschinger ist eine beherrschende Person, numerologisch nach eigener Angabe eine Eins. Ich hatte ein bisschen Angst, sie würde Zweien wie mich mit dem Hintern anstoßen, saß besorgt mitten unter etwa 100 gläubigen Numerologen, die gebannt Frau Wirschingers esoterischen Erkenntnissen folgten, ihr Buch gleich der Bibel auf dem Schoß hielten und am Schluss damit um Signierung anstanden.
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Rentnerbeige hat definitiv ausgedient. Beliebt bei den Damen sind bunte Muster und viel viel Glitzer. Manche kommen daher wie ein Frau gewordenes Glanzbildchen, zu dick fürs Poesiealbum.
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Meine Tage in Burtscheid sind gezählt. Samstag Vormittag noch Therapien, dann Warten auf Sonntag und meinen fürsorglichen Sohn, der aus Leipzig anreist, um mich Montag bei der Bahnfahrt nach Hannover zu begleiten. Vielleicht gibt es noch einen 30. Burtscheider Kursplitter. Aber das wäre reine Zahlenmagie. Ansonsten: Ihnen und euch allen vielen Dank für die lesende, likende und kommentierende Begleitung auf meinem holprigen Weg zurück ins Zweibeinige. Es hat geholfen.
Musiktipp
Snow Patrol – Chasing Cars (live)
Das Frau gewordene Glanzbildchen – sehr adrett ausgedrückt!
Viel Freude bei der Wiederaufnahme in die Welt der Zweibeinigen! Zum Glück ist da dieser liebe, fürsorgliche Sohn!
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Danke! Die Glitzermode scheint in der älteren Damengeneration seuchenhaft um sich zu greifen. Ich hoffe, es ist eine Freude, wieder für alles selbst verantwortlich zu sein. Schließlich war ich seit dem 6.6. immer in Obhut. Es tut gut, fürsorgliche Kinder zu haben und zu Hause eine ebensolche Lebensgefährtin.
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Komm gut heim
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Danke, mein Lieber
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ooch, echt, schon vorbei? Könnte noch gut mehr lesen davon…Alles Gute!
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Nur mit dem Bloggen aus der speziellen Situation. Von zu Hause wieder erweitertes Themenfeld. Danke für Interesse und guten Wunsch.
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Gute Heimfahrt und weitere Genesung und Gesundheit. Lass weiterhin was von Dir lesen …
Gruß | Peer aus Aachen
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Dankeschön und schade, dass wir uns in Aachen nicht begegnet sind.
Viele Grüße
Jules
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Schön das mit dem fürsorglichen Sohn 😊
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Ja, für mich erleichternd. Ich sah mich schon allein und mit Krücken den Kapriolen der Bahn ausgesetzt. Die Sorge habe ich jetzt weniger
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Ich finde auch, dass die Frau Wirschinger eine ziemlich furchtbare Person ist. Ich habe schon einige Male gehört, dass sie häufig im Nymphenburger Schlosspark herumlaufen und den Spaziergängern dort erzählen würde, wieviele Engel sie schon gesehen hätte. Zum Glück ist sie mir noch nie begegnet, und ich hoffe sehr, das bleibt so…
Gute Heimreise!
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