In der Reha fällt mir das Gehen noch schwer. Deshalb konnte geschehen, dass ich beim Verlassen des Speiseraums etwas hörte, was unter normalen Bedingungen meine Aufmerksamkeit gefesselt hätte. So aber bekam ich nur Fetzen eines Berichts mit. Zwei ältere Frauen sitzen sich beim Abendessen diagonal gegenüber, getrennt durch eine Glasscheibe. In meinem Rücken sagt eine: „Als Kind wollte ich unbedingt „Flöten“ [Pfeifen] lernen. Ich bin zum Bauern gegangen und habe nur noch Flötekies [Quark] gegessen. (…) Wie die Geschichte weiterging, kann ich nicht sagen. Derweil ich zum Aufzug humpelte, spulte der Besserwisser in mir ab, dass der Erfolg mäßig gewesen sein musste.
Denn Flötekies = Flötekäse ist ein altes Wort für Quark. Der erste Bestandteil dieses Wortes, das ausgestorbene Verbum ›Flöten‹, bedeutete ursprünglich: den Quark durch Rühren wieder fließend (flott) machen. Da die Grundform „Flöten“ im Rheinland außer Gebrauch kam, wurde der Ausdruck Flötekies nicht mehr verstanden; seine ursprüngliche Bedeutung ging verloren. Deshalb setzte eine volksetymologische Umdeutung ein: Das nicht mehr verstandene Wort Flöten wurde mit Pfeifen gleichgesetzt. So kam es zur volkstümlichen Auffassung, durch den Verzehr von Quark würde man pfeifen lernen.
Als ich Kind war, hörte ich die Behauptung, aber da ich Quark nicht mochte, verzichtete ich auf Virtuosität im Pfeifen. Leider habe ich die Sprecherin nicht gesehen und kann sie nicht nachträglich nach ihren Erfahrungen befragen. Vielleicht wäre aus ihr beinah eine bekannte Kunstpfeiferin geworden wie damals Ilse Werner, wenn der Quark nicht versagt hätte.
Vielleicht hat er gar nicht versagt? Wenn sie dran glaubte, dass sie nun pfeifen könne, hat sie bestimmt mit viel weniger Hemmungen geübt.
Ich habe als Kind Blutwurst gegessen, wenn ich mir mal wieder das Knie aufgeschlagen hatte. Hat geholfen. Die Knie sind immer super wieder geheilt.
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Du könntest Recht haben. Sprachmagische Vorstellungen und die Selbstsuggestion helfen wie auch dein Beispiel zeigt. Ich habe heute beim Frühstück versucht, die Frau ausfindig zu machen, habe drei befragt, leider vergebens.,
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Als Kind mochte ich ebenfalls keinen Quark. Obwohl ich die Mär vom Pfeifen nicht kannte, habe ich auf ihn gepfiffen… 😉
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Auf Quark pfeifen ist eine ganz neue Lesart.
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Ja, das erklärt jetzt, warum ich seit meiner Kindheit sehr virtuos pfeifen kann. Ich habe nämlich immer gerne Quark gegessen. 😉
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Der Quark war nicht die Ursache. Du kannst virtuos pfeifen aus anderen Gründen. 😉
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😉
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Die kindliche Abneigung gegen Quark teile ich, lieber Jules. Pfeifen konnte ich dagegen recht gut. Vom Neid zerfressen, übte ich einen Sommer lang, bis es mir endlich (auf zwei Fingern) gelang. Ab und zu noch heute nützlich. 🙂
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Das ist mir leider auch nach 57 Jahren nicht gelungen…
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@ Wolfgang
Willkommen im Club.
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Danke lieber Jules
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Heute mag ich Quarkspeise, beispielsweise Frühlingsquark. Sogar auf zwei Figer zu pfeifen lernte ich nie, liebe Mitzi. Manche können einen schrillen Pfiff einfach so zwischen den Zähnen ertönen lassen.
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Das, lieber Jules, ist mir nie gelungen.
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Ihr etymologischer Exkurs über den Flötekies ist interessant.
(Meine Cousine aus dem Rheinland amüsierte sich mal über die österreichische Bezeichnung »Topfen«: was für komisches Wort! fand sie.
Topfen, wahrlich ein komisches Wort – insonders im Vergleich zu »Quark« ; )
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„Topfen“ kannte ich nochnicht. Danke für den Hinweis. Der Verzehr von Topfen macht virtuos im Topfschlagen 😉
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