Vorrede – Die man getrost überspringen kann
Es gab eine Zeit, einige Jahre ist das her, da habe ich täglich geschrieben, was nicht etwa bedeutet, ich hätte nur irgendwo rumgesessen und etwas in mein Notizbuch, das ich immer bei mir hatte, wenn ich es nicht zu Hause hatte liegen lassen, wobei mein Zuhause damals in Aachen war, hineingekritzelt, wie vielleicht böse Zungen behaupten würden, kämen sie hier zu Wort, sondern ich habe sauber abgetippte Texte, gelegentlich auch selbst fotografierte oder selbst geklaute Bilder, Bildmontagen oder eigens erstellte Gif-Animationen, ja, sogar bei YouTube hochgeladene selbst gefilmte und geschnittene Videos in meinem Blog, das bekanntlich Teppichhaus hieß und aus drei Filialen bestand, die zu verschiedenen Zeiten jeweils das Haupthaus waren, wie jetzt dieses Teestübchenblog, in dem Sie, werter Leser gerade versuchen, sich durch ein Satzungeheuer zu wühlen, das Haupthaus ist, wo ich derzeit die meisten Leser habe, wobei ich die Leserinnen nur nicht erwähne, weil mich keiner einen Sexisten schimpfen können soll, indem er behauptet, ich würde die Leserinnen gezielt ansprechen, was sozusagen eventuell sexuelle Belästigung sein könnte, man weiß es nicht, denn im Internet wirken Texte ja viel unvermittelter, suchen sich den Weg direkt ins Stammhirn, unter Ausschaltung der Logik und der Vorsicht, wozu speziell allen Leserinnen hier mal ausdrücklich angeraten sei, also zur Vorsicht, dass sie sich der Logik zu bedienen verstehen, versteht sich von selbst und wird keinesfalls in Zweifel gezogen, denn das Stammhaus auf der versunkenen Plattform Blog.de hatte einst die eifrigste Leserschaft, was mich ungemein motivierte und dazu brachte, dort gut 1400 Postings zu veröffentlichen, veröffentlicht.
Hauptteil – In dem es um etwas Geheimes geht
In dieser Zeit träumte ich öfters einen Traum. Ich hatte da in meiner imaginären Wohnung, die ich aber gar nicht allein bewohnte, sondern die auf vertrackte Weise halböffentlich war, da war ein geheimes Zimmer, zu dem nur ich den Schlüssel besaß. Es war ein heller Raum, worin ein hellbrauner Schreibtisch direkt unter einem großen Fenster stand. Das Fenster ging auf eine belebte Straße hinaus. Auf dem Schreibtisch stand wiederum ein Computer, ein älteres Modell, aber noch funktionstüchtig, wie ich wusste. Auf diesen Computer war ich im Traum ungemein neugierig, denn ich hatte einst daran gesessen und einiges geschrieben, was eben nicht für die Augen meiner derzeitigen Mitbewohner bestimmt gewesen war, sondern für einen ganz anderen, nicht näher definierten Kreis. Es waren Inhalte, die ich völlig vergessen hatte. Leider gelang es mir nie, den Computer zu starten. Immer wurde ich davon abgehalten. Höhere Mächte griffen ein, sobald ich den Einschaltknopf presste, sandten mir Erdbeben, Feuerbrünste und Wasserfluten, um nur das Harmloseste zu nennen.
Schluss – In dem Einiges erhellt wird, aber längst nicht alles
Einmal, es war beinah Nacht, saß ich mit den Herren Leisetöne und Putzig in Putzigs Wohnung. Wir tranken einiges. Von beiden erbat ich mir einen Rat, denn mir war am späten Nachmittag eine Frage gestellt worden, auf die ich nichts zu antworten gewusst hatte. Ich war mit dem Rad durch den frühlingshaften Maschpark gefahren. Vor zwei Bänken hatte ein junger Mann dunkler Hautfarbe in der Sonne gestanden und mir zugerufen:
- „Hallo! Was geht?!“
Darauf hatte ich nichts zu sagen gewusst. Mir war die korrekte Antwort unbekannt gewesen. Zum Glück war ich schnell genug gefahren, so dass meine kommunikative Unfähigkeit verborgen bleiben konnte, denn ich hätte ja durchaus das Richtige gesagt haben können, wäre aber zu schnell vorbei gewesen, so dass meine korrekte Antwort vom Fahrtwind verweht worden wäre.
Herr Leisetöne und Herr Putzig stimmten überein, die korrekte Antwort auf: „Hallo! Was geht?!“ wäre: „Einiges!“, wobei Putzig das Ei von Einiges besonders betonte, ja, so lang zog wie einen Kaugummi, so dass es beinah wie „Aiiiniges“ klang. Tatsächlich ist ja Einiges ungemein verheißungsvoll. Es kann sozusagen alles sein, was sich einer nur vorstellen kann. Einiges befindet sich auf meinem geheimen Traum-Computer. Einiges habe ich im Verlaufe der vielen Jahre als Blogger veröffentlicht. Einiges wurde von den Lesern kommentiert. Einiges ist überhaupt im Busch. Und, was das Wichtigste ist: Einiges erfahren wir nie und nimmer.
Liest sich hervorragend, unterhaltsam, samt der Vorrede! Wobei ich den allerletzten Satz als den wichtigsten empfinde! (Bei Damen soll es noch geheimnisvoller zugehen…)
Gruß von Sonja
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Upps, hätte ich bei der Vorrede nicht gedacht. Lieben Dank für die positive Rückmeldung!
Einig sind wir uns auch darin: Das Geheimnis der Damen, namentlich ihrer Handtaschen, darf nie entschlüsselt werden.
http://trithemius.de/2012/04/18/etwas-uber-das-mysterium-der-damenhandtaschen/
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Das ist bemerkenswert – von einer nicht öffentlichen, quasi geheimen Wohnung träume ich auch des Öfteren…
Vor etlichen Jahren verbrachte ich mal ein Wochenende mit guten Freunden in Berlin. Wir teilten uns eine große Mietwohnung nahe des Brandenburger Tors. Pro forma musste ich da als Person, welche die Immobilie reserviert hatte, einen Mietvertrag für die paar Tage unterschreiben…
Lange Zeit später, das Wochenende in Berlin war längst in den Untiefen der Erinnerung entschwunden, geriet mir beim Stöbern dieser Mietvertrag wieder in die Hände. Der Schock war enorm, denn mein allererster Gedanke war, dass die Träume von der geheimen Zweitwohnung gar nicht ins Reich der Phantasie gehörten, sondern der Realität entsprachen! Erst der genaue Blick auf das Dokument beruhigte mich nach einer Weile wieder. 😉
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Danke für deinen Berlin-Bericht. Meine Aufmerksamkeit liegt auf dem unzugänglichen Computer. In der Tat habe ich Bild- und Textdateien auf alten Datenträgern (Festplatte, Disketten, 3,3 und 5,25 Zoll) an die ich nicht mehr herankomme. Selbst wenn das gelänge, gäbe es Probleme, die zu lesen, weil sie mit zu alten Programmen verfasst sind (Pressworks, Letter Perfect) und daher verloren sind.
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Das tut mir so leid. Ich hoffe sehr, dass du doch noch eine Lösung finden wirst, an diese Daten zu gelangen. Ich drücke dir ganz, ganz fest die Daumen.
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Das ist lieb. Namentlich die 5,25-Zoll-Disketten sind vermutlich nicht mal mehr lesbar, die Krux bei digitalen Speichermedien. Selbst bei CD und DVD sind die Daten nur 30 Jahre sicher, bei Festplatten nur etwa 10 Jahre.
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Da kommt Wehmut auf, wenn du so von den vergangenen Blog.de-Zeiten schreibst.
Damals wurde von dem neuen Medium gut und reichlich Gebrauch gemacht.
Weil ich seinerzeit die Blogeinträge kopiert und broschiert hatte, um sie meiner Mutter in Spanien zukommen zu lassen, liegt mir aus der Zeit noch einiges vor: Immerhin 32 Broschüren in 10 Jahren, die sogenannten „Sondereditionen“ nicht gerechnet, und später dann auch noch 13 Hörbücher, als meine Mutter wegen ihres Augenleidens nicht mehr lesen konnte.
Mein erster Blogeintrag:
🙂
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Dein Kommentar, liebe Marana, hat mir die Augen geöffnet, dass nämlich der halböffentliche Raum aus meinem Traum mein Blog bei Blog.de sein könnte. Gerade jetzt, wo wordpress uns mit dem Gutenberg-Editor quält, denke ich wehmütig an den wunderbar einfachen Blog.de-Editor zurück, mit dem sich viel anstellen ließ. Dass du dein Blog in 32 Broschüren plus Sondereditionen und 13 Hörbüchern verewigt hast, imponiert mir ungemein. Danke für das Faksimile deines ersten Blogeintrags.
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Das habe ich beim Kramen gefunden:
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Dös bin ja i! Vielen Dank!
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Ich genieße gerade ein Buch, in dem ein Literaturwissenschaftler sich höchst spannende Gedanken um die Geschichte und Wirkung der ersten Sätze erzählender Texte macht. Für dieses fulminante Exemplar bräuchte es wohl einen Ergänzungsband 😉
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Als ich den überlangen Satz der Vorrede schrieb, dachte ich, der sei noch nicht verschachtelt genug, aber nachher musste ich selbst suchen, wozu das nachklappende Verb „veröffentlicht“ gehört. Danke für das Attribut „fulminant“. Zu ersten Sätzen in der Literatur hier mein Liebster, aus Robert Walser; Jakob von Gunten: »Man lernt hier sehr wenig, es fehlt an Lehrkräften, und wir Knaben vom Institut Benjamenta werden es zu nichts bringen, das heißt, wir werden alle etwas sehr Kleines und Untergeordnetes im späteren Leben sein.«
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Schön deprimierend 👍 Ich halte es gern mit dem Käfer : „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ Lakonischer kann man eine Vollkatastrophe kaum darstellen.
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Darf ich nach dem Buchtitel fragen?
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Peter André Alt: Erste Sätze der Weltliteratur und was sie uns verraten.
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Vielen herzlichen Dank für diese Angabe! Werde sie entsprechend nutzen!
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Sehr gern. Würde mich interessieren, was du davon mitnimmst. Ich habe mir jedenfalls geschworen, auf meine ersten Sätze mehr zu achten… 😉
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Ich liebe Schachtelsätze, und also auch deinen Eingangssatz. Sie sind wie das Denken, wie da Träumen, wie das Leben selbst. Einer meiner liebsten Erstsätze ist daher ziemlich lang: „Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das – Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.“
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Indem ich mich über dein Lob meines verschachtelten Satzes freue, liebe Gerda, reiche ich mit Vergnügen nach, von wem und woher dein liebster erster Satz stammt, zumal den Franz Kafka geschrieben hat, womit er die Erzählung „Auf der Galerie“ einleitet.
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klar, versteht sich. 😉
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