Vor einiger Zeit kaufte ich einen Wasserkocher, der das Wasser blau beleuchtet, was besonders ansprechend ist, derweil das Wasser kocht, blubbert und wallt.
Neben dieser hübschen, doch unnötigen Funktion entwickelte der Kocher bald zwei Macken: Der Kippschalter rastet nicht mehr zuverlässig ein; die Kochfunktion, erkennbar am blauen Licht, lässt sich nicht immer aktivieren. Diese Macken verschlimmern sich. Als ich heute das Gerät durch allerlei diffizile Verrichtungen zum Arbeiten bringen wollte und nicht direkt erfolgreich war, fiel mir ein Spruch aus meiner Heimat ein: „Do muss me jet bej sare“ (Dabei muss man etwas sagen), was bedeutet, dass hier eine Beschwörungsformel erforderlich ist. Manche Dinge funktionieren nur, wenn man etwas dabei sagt. „Jet“ oder „etwas“ verschleiert die damit verbundene magische Vorstellung. Vielleicht ist mir die sprachmagische Idee dahinter deshalb eben erst aufgefallen.
Dass keine Formel genannt wird, dafür sehe ich drei mögliche Gründe:
- – sie ist in Vergessenheit geraten;
– es gibt keine Formel, die für alle Zwecke gültig ist;
– sie wird nicht verraten, damit sie kein Unheil anrichtet.
Letzteres finde ich besonders plausibel. Zu einer Beschwörungsformel gehört auch die Kenntnis, wie sie zu lösen ist. Im Märchen „Der süße Brei“ fehlt der Mutter die Formel, um das einmal in Kochgang gesetzte Töpfchen zu stoppen; Goethes „Zauberlehrling“ weiß die Besen nicht zu bändigen.
Gemeinhin reicht es, eine Zauberformel rückwärts zu lesen. Demgemäß schreibt der Theologe Gottfried Holtz: “in den Sagen wimmelt es von Berichten, dass der Zauber nicht wieder gelöst werden konnte, weil ein Lehrling, ein halber Könner nichts vom Rückwärtslesen der Formel wusste.” Selbst dieses Wissen reicht nicht, wenn die Beschwörungsformel die Form eines Palindroms hat.
Meinen Wasserkocher werde ich wohl bald ersetzen müssen, denn was man dazu sagen muss, wurde mir nicht mitgeteilt – trotz Anleitung in allen Weltsprachen.
„Einen neuen, bitte“, könnte die Zauberformel im Laden lauten…. 😉
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Man braucht noch magische Hilfsmittel, beispielsweise Geld 😉
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Manchmal hilft auch Handauflegen, was sich beim Wasserkocher nicht anbietet. Bei widerspenstigen Raumstationen ist die wirkungsvolle russische Methode kräftig zu fluchen und mit einem Hammer dagegenzudengeln. Das bringt garantiert einen neuen Kocher.
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Das mit den russischen Raumstationen wusste ich nicht, kenne die Hammer-Methode aber aus der Zeit, als Technik noch robust war. Es half, mit dem Hammer gegen einen blockierenden Anlasser zu schlagen. Auf das Gehäuse eines krachenden Röhrenradios zu schlagen, kenne ich noch. Prompt hörte es auf zu krachen und dudelte weiter Musik. Meinen Wasserkocher werde ich lieber nicht schlagen – wg der Scherben.
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Ja, da werden Scherben wohl kein Glück bringen. Die russische Methode kenne ich aus zahlreichen Science Fiction Filmen. 😊
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Zuverlässig hilft erfahrungsgemäß die rustikale Beschwörungsformel: »Ja, Himmiherrgotzsakramentzefixherrschaftseitenglumpfarreckts, gehst’ jetzt oder ned?« – daraufhin geht’s garantiert, oder nicht.
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Das ist doch mal eine Beschwörungsformel. Vielen Dank. Wer sie sich merken kann, dem wird garantiert geholfen, wenn nicht, hat er sich versprochen.
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Vielleicht ist mit „etwas sagen“ ja auch einfach „gut zureden“ gemeint. Das hilft schon deshalb, weil man selbst dabei außer Gefahr gerät, das Ding an die Wand zu schmeißen oder (bei größeren Geräten), ihm einen Tritt zu versetzen. Das Allersicherste ist wohl, schon beim Kauf auf unnötige Extras zu verzichten.
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Dass gemeint ist, sich selber gut zuzureden, klingt plausibel. Darauf wäre ich nicht gekommen. Wie so oft hilft ein Perspektivwechsel.
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Wie ärgerlich, lieber Jules. Ich erinnere mich, dass du vor nicht allzu langer Zeit über den Wasserkocher geschrieben hattest. Christas Interpretation gefällt mir – die solltest du unbedingt noch ausprobieren und die bayerische Aufforderung auch. Davon hätte ich dann sehr gerne eine Tonaufnahme ;). Liebe Grüße
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Es ist wirklich noch nicht lange her, liebe Mitzi. Der Text heißt „Fingerkupenkräuselkrause“ und erschien am 21. September, wie WordPress zuverlässige herausgefunden und oben verlinkt hat. Die Tonaufnahme von mir, wie ich mit meiner rheinischen Zunge versuche an: »Ja, Himmiherrgotzsakramentzefixherrschaftseitenglumpfarreckts, gehst’ jetzt oder ned?« wäre bestimmt eine Lachnummer. Liebe Grüße
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So lustig wie bei jedem der versucht in einem fremden Dialekt zu sprechen ;).
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Fluchen wie ein Fuhrknecht. Mein Laptop spinnt des Öfteren – der Cursor spielt dann eine Weile verrückt. Ich beschimpfe ihn dann eine Weile sehr rüde, dann läuft er wieder. Vielleicht ist es aber auch das Ausschalten und erneut Hochfahren, was ihn wieder funktionieren lässt. Oder mein unverhohlenes Anhimmeln vieler schöner neuer Laptops auf der Website eines großen Online-Händlers… 😉
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Wenn meine Selbstbefragung stimmt, dann fluche ich quasi nie, auch bei technischen Problemen nicht. Aber vielleicht wäre das „Dampfablassen“, das du beschreibst, manchmal hilfreich. Dein letzter Satz zeugt von magischem Denken 😉
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Mit absackenden Zimmerpflanzen reden hilft ja auch!
Vielleicht auch `ne Flugrunde deinerseits durch die Küche. Alles, was unmöglich ist.
Es gibt ja nix, was es nicht gibt, sagen die Ommas immer 🙂
Gruß von Sonja
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Ich spreche täglich mit meiner Zimmerpalme Josie. Sie ist ja auch ein Lebewesen, anders als der Wasserkocher. Brauche ich für die Flugrunde keinen Besen, liebe Sonja?
fragt mit schönen Grüßen
Jules
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Man könnte auch einen starken Staubsauger nehmen und da die gegenteilige Funktion einstellen 🙂
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Im Vertrauen: Ich besitze einen Staubsaugerroboter 😉
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