Wenn einer weder Jäger noch Sammler ist, was ist er dann? Als Vegetarier kann ich schlecht Jäger sein, denn das Tofu-Tier ist ein Fabelwesen noch seltener gesehen als der Weiße Hirsch. Auch als Sammler bin ich nicht erfolgreich. Einst habe ich alte Duden-Ausgaben gesammelt. Aber eine Freundin ersteigerte mir so gut wie alle Ausgaben seit 1903 bei Ebay. Sie glaubte, mir einen Liebesdienst zu erweisen. Doch schenkt man einem Sammler die komplette Sammlung, wandelt er sich vom Sammler zum Besitzer. Sammlerglück wird zum Unglück, da Besitzen nicht wirklich eine erfüllende Tätigkeit ist. Es bliebe noch, den Besitz zu hüten. Demnach wäre, wer weder Jäger noch Sammler ist, ein Hirte.
Der zweite Gegenstand meiner Sammel-Leidenschaft sind Zuckertütchen. Hier habe ich als Hirte versagt. Wer beim Wort Hirte die Assoziation hat, ich würde mein Zuckertütchen hinaus auf fette Wiesen treiben, damit sie sich satt fressen können, dick und rund werden, einen schönen Wollpelz ansetzen und sogar ein wenig Milch geben, dem ersetze ich Hirte mit Hüter. Ich habe als Hüter versagt, weil ich heute morgen, als ich meinen Kaffee süßen wollte, meine Zuckertütchen-Sammlung angreifen müssen. Das könnte man Pech nennen, echtes Hüterunglück beklagen, doch was manche Unglück nennen, ist ja wie meistens nur mangelnde Umsicht. Ich hatte nämlich versäumt, neuen Zucker zu kaufen.
Als umsichtiger Hirte habe ich nur solche Tütchen aufgerissen und in meinen Kaffee entleert, die sich ersetzen ließen, weil sie aus einem Café in meiner Nähe stammen oder unspezifisch sind, also keinen Herkunftshinweis geben. Falls jedoch aus Gründen des Infektionsschutzes fürderhin alle Cafés gesprengt oder in den Abgrund der Insolvenz gestoßen werden müssen (das habt ihr jetzt davon, ihr verfluchten Superspreader!), wird meine Sammeltätigkeit enden und ich kann die jüngst gerissenen Lücken in der Sammlung nicht mehr schließen.
Ach, du auch 😊😊 Zum echten Sammeln gehört ja auch das Tauschen. Bei Gelegenheit schicke ich mal Fotos meiner doppelten Tütchen.
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Wenn du so viele Tütchen wie Tüten gesammelt hast, kann ich gewiss nicht mithalten, da ich schon oft meine Sammlung angreifen musste. Auf die Fotos deiner Doppelten freue ich mich.
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Meine Schwester hatte jahrelang verpackte Zuckerwürfel gesammelt, bis sie es eines Tages satt hatte und die Sammlung irgendwie beendete und/oder auflöste. Tomi Ungerer hat seine Sammlung alter Spielzeuge einem Museum der Stadt Strasbourg geschenkt. Er fühlte sich wie von einem Krebsgeschwür befallen, das er von von sich abtrennen wollte, um nicht daran zugrunde zu gehen. Ich wünsche Dir noch viele leckere Kaffeetrinkmomente mit Tütchenzucker.
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Eine Zuckerwurfelsammlung aufzulösen…könnte am besten in der Badewanne klappen, oder?
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Ergäbe natürlich eine Riesensauerei.
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@ Dieter
Zum Glück ist meine Tütchensammlung bescheiden, so dass mich nicht belastet wie Tomi Ungerer sein altes Spielzeug.
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Ich sammel Bücher. Da werde ich niemals nur zum „Besitzer“ 😎
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Ja eine Büchersammlung ist tendenziell unendlich, wird nur begrenzt durch den Platz in der Wohnung. In meinem Viertel werden regelmäßig Bücher ausgesetzt, und ich denke bei der Durchsicht: wie zahlreich sind doch die Bücher, die ich nicht brauche.
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…meine Bücher musste ich wegen Platzmangels und Unübersichtlichkeit gnadenlos aussortieren. Wegwerfen kann ich irgendwie kein Buch. Da bringe ich sie lieber in den Solidarshop oder stelle sie in einen öffentlichen Bücherschrank. Übrig bleiben die Essenzen, die unverzichtbaren Bücherfreunde, mit denen gearbeitet wird, mit denen sich gerne erinnert wird oder die Rat zur Stunde geben, Überflügelnde und nahrhafte Schriften, die bei Dir sein wollen wie enge Vertraute im inneren Kreis. Bücher zähle ich nicht zu Dingen. Sie sind vielmehr Persönlichkeiten mit ihren ureigenen Wesen. In Einer Wohnung ohne ein Büchertürmchen fehlt mir immer irgendwie was. Bücher sagen etwas über Dich aus, mehr als eine hübsche Designwohnlandschaft…
Ups. Ist mir gerade so als Zwischeneinruf zum schönen Dialog eingefallen…:-)
Liebe Grüße Amélie
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Ich habe mittlerweile auch einen kleinen Teil Bücher entweder an Nachbarn verschenkt oder aber dem Bücherschrank und der Münchner Tafel spendiert. Ich empfinde wie du, Bücher sind keine Dinge, sie sind so wertvoll, enge Vertraute, wie du so wunderbar geschrieben hast.
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…Wetten…?…wenn Du ein Buch aufgeschlagen auf deinen Bauch legst, kannst Du es leise atmen hören…;-)❣️…
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Nicht nur das 😉 :
https://dasstaunenderwelt.wordpress.com/2018/11/03/die-buchstabenabstauber/
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Ich sammelte viele Jahre lang Bücher. Nun ist meine Wohnung dezent ausgedrückt recht gut angefüllt mit diesen, und mir wird allmählich klar, dass das eine nachgeradezu verhängnisvolle Sammelleidenschaft sein kann. 😉
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Ich kannte einen Privatgelehrten, der in seinem Haus überall Regale hatte, auch an den unmöglichsten Stellen. Spätestens wenn man keinen Platz zum Sitzen mehr hat …
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Nun ja, bei mir sieht es auch fast so aus – nahezu überall Regale, Regale, Regale… 😉 Obwohl ich bei weitem keine Gelehrte bin. 😉
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Mein Beileid. Das Leben ist kein Zuckerschlecken. Als ehemaliger Sammler weiß ich aber zu berichten, wie befreiend die Auflösung einer Sammlung sein kann, die den von Dir beschriebenen Besitzstandsstatus erreicht hat. Ab und an jagen mir dann zwar noch Erinnerungen an vergangenes Sammlerglück durch den Kopf, unterm Strich war es aber erleichternd.
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Danke für dein Mitgefühl. Der Verlust war zu verschmerzen, denn ich hänge nicht wirklich an Dingen. Deine Erleichterung verstehe ich gut. Jede Verschlankung des Besitzes ist ein Gewinn.
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Vor Jahren habe ich in einer Radiosendung den Ausspruch gehört, Sammler hätten einen „analen Charakter“. Was immer das heißen soll, er hört sich irgendwie nicht gut an. Und natürlich könntest Du auch als Vegetarier Jäger sein – Schnäppchenjäger zum Beispiel. Das hebt das Ansehen bei sozial denkenden Menschen natürlich auch nicht unbedingt. – Heute früh überkam mich dann doch noch mal so ein kurzer Anfall. ich könnte etwas Sammeln – als ich die unglaubliche Vielfalt von Messerbänkchen im Internet entdeckte. Meistens kann man sie nur paarweise, im halben oder ganzen Dutzend erwerben (bestellen). Man bräuchte also Tauschpartner. Egal, ich bin drüber weg. Und Du musst doch auch nicht unbedingt in die Sammler- oder Jägerschublade passen. Okay, dass man einfach nur Verbraucher ist, mag man auch weder hören noch eingestehen. Was für ein Thema. Dabei sollte es ursprünglich doch nur die Geschlechterrollen definieren.
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Weitere Ausdrucksformen dieses famosen „analen Charakters“ sind laut Freud auch Geiz, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Genauigkeit und sonstiges Zwangsverhalten. Seine aktuellste und punktgenaueste Erscheinungsform wäre dann wohl das Horten von Klopapier. Aber das scheint mir doch ein zu weites Feld, Luise.
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Hm, ich scheine ein Mischcharakter zu sein. Keinesfalls geizig, ordnungsliebend nur bedingt, aber eine Pünktlichkeitsfanatikerin. UND ICH HABE KEIN KLOPAPIER GEHORTET!
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Durch Sigmunds monokausale Brille betrachtet, sieht Sammeln schlimm aus, wie Dieter hier ausführt. Schnäppchenjägerei liegt mir nicht. Ich finde es schamlos, wie wenig die Dinge kosten. Irgendwer muss dafür mit erbärmlichen Lebensumständen bezahlen.
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Lass ihm seine Brille, und schau durch Deine eigene. 🙂
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Mach ich sowieso. Meine Dudensammlung diente der Forschung, meine Zuckertütchen sammle ich für Notfälle.
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Weitermachen!
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Als Teenager feierten wir mal eine riesige Party mit zahllosen Besuchern in der sturmfreien Wohnung bei einem, dessen Vater eine jahrzehntelang zusammengetragene Sammlung seltener exotischer Mini-Schnapsfläschen* im Regal stehen hatte. Wir begannen die Fläschchen der Reihe nach auszutrinken und, je nach Farbe, mit Wasser oder Tee wieder zu befüllen, damit er den Frevel nicht bemerken sollte wenn er heimkam. Ich weiß nicht ob uns das gelang, aber eine neuerliche Einladung zu einer Party kam von seinem Sohn später nie wieder.
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Danke für den amüsanten Bericht. Ich vermute, die aufgebrochenen Schraubverschlüsse haben die Sammlung entwertet.
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ich hatte als junge Studentin eine solide Zuckerstücksammlung von all den Cafes, die ich im In- und Ausland besuchte, zusammengetragen. Damals gab es nämlich noch diese in schön bedrucktes Papier eingewickelten Stücke – und weder Tüten noch gar Zuckerstreuer. . Später nahm ich dann genüsslich ein Stück nach dem anderen, um meinen Kaffee mit Erinnerungen zu süßen. Bis zu dem Tag, als eine Freundin es sah und schier verzweifelte. Wie ich das tun könne! sie sammle Zuckerstücke und ich, ich zerstöre sie! Ihr Jammer war so groß, dass ich ihr die Sammlung überließ -gegen ein Kilo Würfelzucker. Schade eigentlich – für uns beide.
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Den Kaffee mit Erinnerungen zu süßen, gefällt mir, anders als deiner Freundin.
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Übrigens, wir sind, aus sentimental-biografischen Gründen, Eulensammler, und überall in unseren zwei Wohnungen wimmelt es von Eulen. Kürzlich bin ich dazu übergegangen, Eulen der Sammlung weiterzuschenken. Das ist ein merkwürdiges Gefühl.
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Sich von Eulenbesitz zu trennen, ist nicht das Problem. Hauptsache die Weisheit bleibt 😉
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Zuckertütchen zu verwenden, wenn Zucker fehlt, zeigt doch sehr schön, dass deine Sammelleidenschaft nicht völlig losgelöst besteht. So war das Sammeln sicher auch Mal gedacht. Dass es sich verselbständigt hat, liegt vielleicht daran, dass wir eben meist mehr haben, als wir wirklich brauchen.
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Der moderne westliche Mensch besitzt im Schnitt etwa 40.000 Dinge, habe ich mal gelesen. Ein Inder 400. Als mein sohn mal bei mir ausgemistet hat, kam vieles weg. Ich fands befreiend. Danke für deine Verteidigung meiner Zuckertütchensammelei. Die Freudsche Beschimpfung des Sammlers trifft mich auch gar nicht.
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Lieber Jules,
Solange die Sammelsurien gesammelter Dinge Dir die Füße nicht blockieren, über Dir zusammenstürzen (stell Dir vor, dieser Berg Zuckertütchen, wie hoch müsste er wachsen um stürzen zu können, da ist bestimmt buchstäblich noch Luft nach oben!) oder die Sicht versperren, bleibt das Sammeln ein hübsches Steckenpferd. Meine Besteckschublade litt, solange ich mit meinen Kindern wohnte, unter galoppierendem Sammellöffelschwund. Jedes verschwundene Kleinod aus Urgroßelterns Zeiten betrauere ich in memoriam. Aus Schall und Zucker besteht die Welt.
Ich sammele gerne, was sich klitzeklein oder superplatt machen kann. Linsensorten Diamanten oder Kunstpostkarten unter anderem männlicher Akte.
Einen schönen dritten Advent wünsche ich Dir
Gruß
Amélie
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Liebe Amélie ,
ich kann dir versichern, das tun sie nicht. Meine Tütchensammlung ist so klein, dass sich daraus nicht mal ein Häufchen bilden ließe.
Schön, mal wieder von dir zu lesen.
Dir ebenfalls einen schönen 3. Advent
Jules
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