Französisch kann ich nicht schlecht, sondern sehr schlecht, fast gar nicht, nur das klein Bisschen, das ich im Laufe meines Lebens hie und da aufgeschnappt habe. „Fermé le lundi“ steht an der Tür zur Bäckerei im Zentrum eines kleinen bretonischen Dorfes. Die Bedeutung kann ich aus dem Kontext erschließen. „lundi“ muss Montag heißen, nach der römischen Mondgöttin luna, und im Laden brennt kein Licht. Die Tür ist zu. Also „Montag geschlossen.“ Am nächsten Morgen habe ich mehr Glück. Ich sage meinen Spruch auf: „Bonjour, madame, quatre croissants s’il vous plaît.
Sie wiederholt meine Bestellung, und ich höre, dass „quatre“ aus ihrem Mund viel weicher und schöner klingt. Mein „quatre“ klingt verflucht deutsch, so als würde ich beim Wort die Hacken zusammen schlagen, was nebenbei wirklich eine typisch deutsche Geste ist. In den bretonischen Hafenstädten wird man sie kennen. Unweit, in Lorient, haben im zweiten Weltkrieg die Nazis einen U-Boot-Bunker gebaut und betrieben. An diese unselige Zeit will ich nicht erinnern.
Mercredi finde ich eine andere Bäckerei offen, sogar näher gelegen, was nach rund zwei Kilometern Fußweg zum Zentrum schon eine Verlockung ist. Der Laden ist verwaist. Ich betätige die Klingel auf dem Tresen, klingele ein zweites Mal. Aus einem Hinterzimmer tönt ein leiser Ruf. Dann eilt eine junge Frau heran, und noch im Gehen hinter der Ladentheke streckt sie die Arme seitlich, winkelt die Hände waagerecht und macht einen Knicks. Ich bin verzaubert. Soviel Anmut verträgt kein verbales Hackenzusammenschlagen. Mein „quatre“ wäre hier viel zu gewöhnlich. Spontan ändere ich mein Sprüchlein in „Bonjour, madame, cinq croissants s’il vous plaît.“
Wie mir der französische Freund und Gewährsmann bestätigt, sagt man auch in Frankreich zu einer jungen Frau nicht mehr „mademoiselle“ , was unserem „Fräulein“ entspricht. Aber bei der anmutigen Backwarenverkäuferin wäre es ein Ehrentitel gewesen, den ich ihr gerne an den Folgetagen verpasst hätte, an denen ich immer ein Croissant zuviel kaufte. Sie fragte mich einmal etwas, worauf ich nur antworten konnte: „Je ne sais pas.“ Da nickte sie verständig. Zum Glück hat sie nicht mehr geknickst. Schöne Momente müssen einmalig bleiben.
Oh mon dieu, dein Französisch ist jedenfalls noch besser als meins. Tja Französinnen haben Klasse da gibt es keinen Zweifel
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Den ersten Satz würde ich nicht unterschreiben, lieber Wolfgang. Und die Französinnen – einige haben Klasse.
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Ich habe gerade mal nachgezählt – viel ist vom Französischunterricht nicht hängen geblieben, aber zählen geht noch – und ich finde, elf ist die schönste französische Zahl. Also, mal abgesehen von solchen Konstrukten wie vier-zwanzig-zehn-acht natürlich. Wenn man sowas bestellt, ist man ECHT cool 🙂
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Onze Croissants für vier Personen wären etwas zuviel gewesen. Das Konstrukt wie vier-zwanzig-zehn-acht müsstest du mir erklären. Entspricht es der unlogischen Abfolge im Deutschen von zwweihundertachtundzwanzig?
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Die sind komisch, die Franzosen. Statt achtundneunzig zu sagen (was schon merkwürdig genug ist, weil ja eigentlich die Zehner zuerst kommen, nur im Deutschen eben nicht), HABEN die keine achtzig. Sie sagen vierzwanzig, was wohl vier-mal-zwanzig bedeutet. Sind ja aber immer noch keine achtundneunzig, da fehlen noch 18, also hängen sie die noch dahinter. Da kommt dann quatre-vingt-dix-huit dabei raus. Quatre-vingt-dix-huit Brötchen durch quatre Personen sind… lass mich überlegen… habt ihr eine Gefriertruhe???
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Dankeschön für die Erklärung. Die Gefriertruhe würde nicht helfen. Wir sind ja allesamt wieder zu Hause.
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Dann hättet ihr die die restlichen quatre-vingt-quatorze Brötchen hart werden und zu Paniermehl verarbeiten können. Hauptsache cool 🙂
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Ich habe mal einen Französischkurz bei der VHS begonnen, weil ich dachte, wenn man schon schlecht in Fremdsprachen ist, dann sollte man wenigstens auch schlecht in Französisch sein, aber nach dem zweiten oder dritten Abend habe ich es aufgegeben. Die Entscheidung war vermutlich richtig, aber ich bedauere es so sehr, in einem Land taub und stumm unterwegs zu sein.
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Ein Kollege Lateinlehrer war mal mit zu einem Schüleraustausch in Frankreich. . Die französischen Kollegen sagte allen Ernstes über ihn: „Er kann nicht sprechen“, wie er vom Kollegen Französischlehrer erfuhr. Daran erinnerte mich dein „in einem Land taub und stumm unterwegs zu sein.“
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Six wäre auch eine weich fließende Möglichkeit gewesen…
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Tatsächlich, aber ein weiteres Croissant zuviel.
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