Wie die Glocken nach Rom geflogen sind, habe ich nicht gesehen, obwohl meine Mutter meinen Blick in den bewölkten Himmel gelenkt hatte. „Da!“, sie hätte die Glocken gesehen, sagte sie. Weil ich aber Wange an Wange mit ihr nach oben geschaut hatte, glaubte ich kaum, dass die Glocken auf dem Weg nach Rom über unser Haus geflogen waren. Dass die Glocken in Rom wären, um beim Papst Milchbrei zu essen, so wurde bei uns auf dem Dorf erklärt, warum die Glocken von Gründonnerstag bis zum Ostersonntag schwiegen. Stattdessen zogen die Messdiener dreimal am Tag mit Rasseln durchs Dorf.
Mein fünf Jahre älterer Bruder war Messdiener. An diesem Karfreitagmorgen durfte ich an seiner Statt mit dem Fahrrad unsere Straße hochfahren und die Rassel schwingen. Es hatte gerade geregnet. Ein milder Frühlingsregen war das gewesen. Die Natur hatte ihn bereitwillig aufgesogen. Ich erinnere mich an den erdigen Duft, der von der Straße aufstieg. Sie war zu dieser Zeit noch nicht asphaltiert und von den Regentropfen feucht gesprenkelt. Ich wusste, dass meine Aufgabe wichtig war und schwang die Rassel voller Inbrunst. Aus heutiger Sicht nichts Besonderes, doch für mich im Alter von fünf Jahren ein kleines Hochamt.
(Der Beitrag ist eine Wiederveröffentlichung vom 25. März 2016)
Rasselbande!
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Aber mit dem Segen der Kirche.
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Als ob der Luftraum nicht schon voll genug ist: erst Vogelschwärme, nun diese neue Seuche mit den Drohnen, und dann auch noch dicke fette Glocken!
Toll: Alle Luftwege führen nach Rom!
Man hat ja wirklich Schiß, ein Flugzeug zu besteigen.
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Ich glaube, die Glocken fliegen nicht mehr 😉 Die Idee ist nicht mehr zeitgemäß, angesichts moderner Fliugkörper.
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mir gefällt das Bild…..und endlich weiss ich mal, wie die Rasseln aussehen!!Danke, Jules!
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Immer gern zu Diensten, Ann!
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Das kannte ich nicht. Aber ich habe es soeben nachgelesen und festgestellt, dass das Glöckenläuten sogar durch eine Läuteordnung geregelt ist und die ist sogar hochkompliziert. Ich wohnte 20 Jahre in der Nähe einer katholischen Kirche, deren Glockengeläut habe ich so manches Mal verflucht. Da finde ich das Rasseln besser.
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Im evangelischen Hannover läuten die Glocken nicht oft. Ich gebe jedoch zu, dass ich es gerne höre, kann mir aber vorstellen, dass es nervt, zumal, wenn jede Viertelstunde geschlagen wird. Wenn du nachgeschaut hast, weißt du jetzt wenigstens, nach welcher Ordnung du genervt wurdest.
Rasseln klingen nicht so schön, und die Ordnung ist nur ungefähr geregelt. Vor allem hört man Rasseln nicht weit.
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Bei uns und bei Amazon sagt man Ratsche dazu.
Lieber Jules,
ein wunderbarer Artikel zum Osterfest. Da ich Pauschalgrußverweigerer bin (Frohe Ostern, Frohe Weinachten usw ohne jede weitere Erläuterung, als 723. in einer Reihe von Gratulanten) bin ich sehr froh, hier mit einem Kommentar dokumentieren zu können, dass ich kein Osterverweigerer generell bin. Die Karwoche (wie wir gelernt haben) besteht ja aus mehreren Bräuchen und Ereignissen. Das mit der Rassel/Ratsche ist ein schöner Bericht. Danke!
Gruß Heinrich
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Lieber Heinrich,
freut mich, dass Ihnen mein autobiographischer Bericht gefallen hat. Grußverweigerer bin ich nicht,aber als ich selbst Messdiener war und später im Kirchenchor, bin ich zuerst enttäuscht gewesen und später ganz vom Glauben abgefallen, letztlich aus der Kirche ausgetreten. Deshalb bedeuten mir die kirchlichen Feiertage nichts mehr, kann jedoch nicht leugnen, dass ich durch meine Mutter christlich geprägt bin. Ostern verbinde ich immer schon mit dem Duft von Frühling.
Gute Grüße,
Jules
Edit: Bei Wikipedia findet sich die Rassel auch unter Ratsche
https://de.wikipedia.org/wiki/Ratsche
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Natürlich fliegen die Glocken noch immer nach Rom, lieber Jules. Und auch die Rasseln werden bei uns im Dorf noch fleißig geschwungen. Nicht mehr an jedem Tag bis Ostern aber doch in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Meine Nichten und Neffen quälen sich um vier aus dem Bett und stehen verschlafen, aber stolz vor der stockdunklen Kirche, wenn wir langsam eintrudeln. Ich bin nur noch selten in der Kirche – an Ostern aber sehr gerne.
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Da wird aber einiges los sein im Luftraum über München, liebe Mitzi. Nirgendwo sonst habe ich soviel Glockengeläut gehört wie in München. Bei dieser starken Präsenz der katholischen Kirche wundert es mich nicht, dass die Tradition des Rasselns sich erhalten hat. Dass du Ostersonntag in der Ostermesse zu finden bist, war mir klar. Immerhin wusste ich von deinem Text zu Weihnachten, dass du noch christliche Traditionen pflegst.
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Das muss ganz schön viel gekostet haben, die Glocken nach Rom fliegen zu lassen. Dieser Aufwand – und erst das Gewicht der Glocken!
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Zuesrt dachte ich auch, die Glocken wären zu schwer zum Fliegen. Ein modernes Flugzeug wiegt etwa 80 Tonnen, doch die schwerste Gussstahlglocke der Welt, die Kaiser-Ruprecht-Glocke in der Stiftskirche in Neustadt an der Weinstraße, wiegt nur 14 Tonnen.
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Wenn alle Glocken der Welt zum Milchbrei-Essen in Rom sind, dann müssen die Römer aber ganz schön aufpassen, dass sie anderntags nicht in Glockenstuhl treten.
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Hehe! Hab sehr gelacht.
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Auch unsere Glocken sind wieder in Rom.
Also wird geklappert.
Vor 40 Jahren hab ich die Revolution im Dorf ausgerufen weil ich mich meinem großen Bruder angeschlossen und den englischen Gruß geklappert, das Ave Maria geratscht und zur Kirche gerasselt habe.
Und wenn morgen früh so um halb sieben zum Gloria die gut genährten Glocken wieder läuten und die Orgel erklingt ….
Halleluja!
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Englischer Gruß musste ich glatt googeln, aber die Revolution bestand sicher darin, dass du als Mädchen geratscht und geklappert hast, als Mädchen noch keine Messdiener sein durften.
Gut gemacht!
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Danke.
Der Pfarrer, meine Mama und die Dorfheiligen haben das etwas anders gesehen.
Aber ich habs ja überlebt 🙂
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Dass Rasseln Ratschen sind, war ja von Anfang an klar, aber erst nach Lesen aller Kommentare bin ich draufgekommen, dass die Messdiener wohl unsere Ministranten sind. Ob die vatikanischen Fluglotsen zu Ostern Überstunden machen müssen? Wenn die Glocken und die babybringenden Störche und womöglich noch ein paar Heilige aus aller Welt unterwegs sind, ist das Luftchaos nahe ….
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Ja, Ministrant ist das lateinische Fremdwort. Ratsche auch Schnarre, Schnurre, Rappel, Räppel, Knarre.
Luftchaos: Den gewöhnlichen Flugverkehr nicht zu vergessen. Heilige müssen jedoch nicht fliegen. Sie verfügen über die Fähigkeit der Bilokation. 😉
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Bilokation wäre natürlich auch die Lösung für den umweltgefährdenden Flugverkehr überhaupt. Ob dann allerdings womöglich manche Kontinente kippen, weil sich dort 95% der Menschheit aufhält 🙂
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Und warum ausgerechnet Milchbrei? Sind die Glocken etwa Vegetarier? Nach christlicher Lehre ist der Wiederauferstandene ja das Lamm Gottes (Agnus Dei), weshalb es in christlichen Kreisen üblich ist, als erste Fleischspeise nach der Fastenzeit Lamm zu essen – symbolisch gesehen eine Identifikation mit dem Heiland durch Einverleibung, also eine Art von Kanibalismus, wie wir sie ja auch schon durch die Eucharistie kennen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß das Agnus Dei das Zunftzeichen welchen Berufszweigs ist? Genau, der Fleischer.
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Die Herkunft dieser Geschichte ist ungeklärt:
http://www.kirchenweb.at/feiertage/00ostern/gruendonnerstag.htm#Glocken
Danke für die Erläuterung der Zusammenhänge zwischen Fleisch, Kanibalismus und christlicher Religion. Paasenderweise bin ich Vegetarier und Heide.
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Ja, warum gerade Milchbrei? Fragt man sich, obwohl die Frage lauten sollte, warum Glocken überhaupt etwas essen sollten. Kindern kann man es ja erzählen.
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Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens weiß auch nicht warum. Den Glocken werde im Volksglauben ein Eigenleben nachgesagt. Sie sterben in der Karwoche und werden offenbar zu Ostern beim Papst wieder lebendig.
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Super, ein Eintrag für faule Fans Deines Blogs: Liken und Kommentar, alles schon vorhanden.;-)
An Deine Geschichte mit der Ratsche kann ich mich noch erinnern (vielleicht wegen der Illustration?), aber das mit dem Milchbrei habe ich vollkommen vergessen, ebenso den Inhalt meines eigenen Kommentars. Ich habe mal gelesen, man müsse etwas in einem Text fünf Mal wiederholen, wenn man möchte, daß sich der Leser dauerhaft daran erinnert.
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Die Wiederholung erscheint mir angemessen, denn Ostern kommt ja auch jedes Jahr wieder. 😉 Beim Kollegen Noemix gibt es ja öfters solche Wiederholungen. Dort finde ich wie du jetzt manchmal Kommentare, die ich vergessen hatte. Irritierend ist, den Kommentar einer Blogfreundin zu finden, die schon Jahre tot ist. Jedesmal hoffe ich, er wäre neu. Beim Prinzip der 5-maligen Wiederholung bräuchte ich nie mehr etwas Neues zu schreiben.
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Das Geräusch dieser [Ra:tschen] mit [rătsch] zu beschreiben hinterlässt bei mir ein Gefühl der Unstimmigkeit. [ra:tschen] ist in meinen Ohren harmloseres [tra:tschen] …
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Wir sagen ja Rasseln. Stört dich das onomatopoetische „ratsch, ratsch, ratsch“ in der Zeichnung? Sie stammt aus einem meiner Tagebücher, und offenbar fand ich das Geräusch der Rasseln angemessen verschriftlicht. Das Wort „ratschen“ für harmloses Tratschen kenne ich nicht., Es ist vermutlich landschaftlich.
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„Rătsch“ ist für mich ein kurzes, schwungvolles Geräusch, das schnelle Auf- oder Zuziehen eines Reißverschlusses, zerreißen von Papier oder Stoff.
Leider kann ich noch kein alternatives Verb anbieten.
Die Wikipediaseite https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ratschen ist sehenswert hnd eröffnet auch noch die Perspektive auf das Werkzeug Ra:tsche.
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Herrliche Geschichte zu Ostern. Bei uns läuten die Glocken seit Donnerstag ohne Ende. Scheinbar sind unserer Gemeinde die Ratschen ausgegangen. 🤭
Frohe Ostern und LG Nele
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Vielen Dank! Mir ist nicht ganz klar, wo „bei uns“ liegt. Es ist aber vermutlich eine evangelisch geprägte Region. Da schweigen die Glocken während der Grabesruhe vielleicht nicht und fliegen auch nicht nach Rom. 😉
Frohe Ostern, wünscht dir,
Jules
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Ich erinnere mich an diesen Beitrag, lieber Jules. Fast hätte ich ähnlich wie vor vier Jahren geantwortet 🙂
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Mir ist jeder Kommentar von dir recht, liebe Mitzi.
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Bei uns Evangelen, wenn wir denn noch welche sind, fliegen kein Glocken durch die Luft und schon alle mal nicht nach Rom.
Hier Osterhasi quält sich kläglich,
Weil überfordert er unsäglich.
So skizzietr’s uns der Herr Busch,
Und mancher find’t selbst Buntgetusch.
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