Beim Fernsehen weiß man nicht so recht, was tun. Nach der Corona-Nachrichten- und Besprechungsflut sendet man zur Entspannung große Spiel- oder Quizshows mit Saalpublikum, und wenn die „Schwenkfutter“ genannten Leute begeistert irgendeinem Quatsch applaudieren, fragt sich der TV-Kritiker, ob es nicht klüger wäre, dieses tumbe Auf- und Aneinanderhocken nicht mehr zu zeigen, denn wiewohl derlei Veranstaltungen sowieso etwas Absurdes, beinah Surreales haben, vermitteln sie jetzt den Eindruck, einer Parallelwelt zu entstammen, die neben unserer Realität existiert. Nun soll ja Saalpublikum nicht nur einen Mitmacheffekt vortäuschen, sondern den vereinzelt zu Hause sitzenden Zuschauern das Gefühl vermitteln, dabei zu sein. Dieses Gefühl muss er jetzt abstrahieren, weil das Saalpublikum tut, wovon längst abgeraten wird. So entlarven sich derlei Formate als abgehoben, aus der Zeit gefallen, wie von einer Gegenerde, die ein halbes Jahr zurückhängt. Sie sind der tumbe Anachronismus, der hoffentlich nie mehr neu produziert werden wird.
Nach Corona wird nämlich die Welt eine andere sein. Wie uns derzeit die soziale Distanz empfohlen wird, soziale Distanz, der feuchte Traum neoliberaler Demokratiefeinde, regt sich allerorten Widerstand. Erzwungene soziale Distanz wirkt glücklicherweise nicht wie Brandbeschleunigung der Individualisierung und Endsolidarisierung. Die Schraube wurde überdreht. „Nach fest kommt lose“, um eine Erkenntnis der Mechaniker ins Soziologische zu überführen. Auf den Gehsteigen zeigt sich das Lose in kindlichen Kreidemalereien: „Liebe Freunde, alles wird gut!“ Auf den Treppenstufen der Grundschule: „Schule, wir vermissen dich!“, in einem weiträumig aufgemalten Spielfeld ein hübsches „Hoffnung!“
Letztlich müssen wir Abstand von unseren Mitmenschen halten, weil unsere Regierungen die öffentliche Daseinsfürsorge dem Profitstreben von Investoren ausgeliefert haben. Unsere Leitmedien, allen voran das öffentlich-rechtliche Fernsehen, geben sich derzeit lammfromm und systemtreu. Trotzdem wird man nach überstandener Krise ein Gesundheitssystem kritisch betrachten müssen, das es nicht einmal schafft, Schutzmasken und Desinfektionsmittel in ausreichendem Umfang bereitzustellen.
Also bei Jauch gibt’s jetzt neue Joker.
Hab heute einen Spielfilm geguckt, da waren auch Gruppen und ein ganzes Stadion. da hatte ich auch kurz den Gedanken: Huch, das dürfen die doch gar nicht!
Freut mich dass mut dem Zähnchen alles geklappt jat 🙂
Gute Nacht 👋
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Noch nicht gesehen, ich schrieb über das Öffentlich-rechtliche Fernsehen.Vielleicht ist man bei den Privaten flexibler. Dankeschön, dass du Anteil nimmst an meinem Zahnproblem. Ja, jetzt ist er weg. Schade drum.
Guten Morgen
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Also die Privaten senden mehr live, und da hab ich am Samstag Abend Merkel und Spahn als Pappfiguren im Publikum gesehen – immerhin irgendwie witzig.
Hattest du eine besondere Beziehung zu diesem einen Zahn? Oder generell, weil er dich seit deinem 8 Lebensjahr begleitet hat?
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Ein großartiger Begriff: Schwenkfutter.. Die kannibalistische Verwendung von Zuschauern für Zuschauer.
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“ Die kannibalistische Verwendung von Zuschauern für Zuschauer“ bringts auch großartig auf den Punkt. Kollerge Noemix weiß von Österreichischen TV-Aufzeichnungen, das Schwenkfutter würde mit Bussen aus Slowenien oder irgendeinem anderen Hinterwald herangekarrt. Deutschkenntnisse brauchen sie nicht Da man sie mit einem leckeren Imbiss bewirtet hat, ertragen sie bereitwillig, dass man ihnen signalisiert, wo sie lachen oder klatschen sollen. Darin zeigt sich die ganze Absurdität und deine „kannibalistische Verwendung.“ Sehr schön auch, wenn „Warmupper“ auftreten, deren Aufgabe ist, das Publikum anzuheizen, damit es bei Welke beispielsweise begeistert klatschend auf den Stühlen hüpft.
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Diese Absurdität ist ja zum Glück (oder leider!?) keine nationale Spezialität. Die letzte Umdrehung der perversen Spirale ist dann nicht mehr analog (wenigstens gab es noch einen Imbiss und vielleicht einen witzigen Tag mit Freunden), sondern die digitale Lachkonserve zu amerikanischen Serien.
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In der Anstalt, ZDF am gestrigen Abend, wurde das vorgeführt, Lachen per Knopfdruck und die Ansage, jetzt könnte doch mal gelacht werden. Das aktuelle Home-Office-Fernsehen vermittelt aber auch eine Art Bunkermentalität.
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Muss ich mir noch in der Mediathek anschauen. Gestern Abend war ich zu müde, drauf zu warten, weil das ZDF zuerst noch Leschs Untergangskosmos senden musste. Die Ansage : „jetzt lachen!“ kennen wir schon vom Karnevalstusch.
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Gesundheitsvorsorge und Profitstreben passen nicht zusammen. Mich wundert es, dass nicht genügend gemeinnützige Träger Kliniken zum Selbstkostenpreis betreiben. Der Profit könnte den Patienten und Angestellten zugute kommen. Das gibt’s in Ansätzen. Aber leider viel zu selten.
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