Der Vorname Klaus, Kurzform zu Nikolaus (noch 1960 Platz 4 der beliebtesten Vornamen), gehört nach meiner Wahrnehmung zu den versinkenden Vornamen. Oder kennt jemand ein Kind, das kürzlich Klaus getauft wurde? Von einer jungen Frau hörte ich letztens die Selbsteinschätzung: „Ich bin ja ein Orientierungsklaus.“ Sie nutzte damit einen Neologismus, den nicht einmal Google kennt.
Immerhin findet Google eine Belegstelle, ein YouTube-Video einer Suche im Spiel Minecraft: Orientierungsklaus „Haha, ich finde schon die einfachsten Dinge nicht mehr wieder.“ „Ich bin ja ein Orientierungsklaus“ hatte ich zuvor nie gehört. Es war mir aber auf der Stelle eingängig, zumal die junge Frau das sagte, als wir unter ihrer Führung beim Spaziergang im Hamburger Stadtteil Rothenbaum einen Umweg gelaufen waren.
Oberflächlich betrachtet, ist der Name Klaus hier Teil eines Kompositums. Wenn jedoch in Zusammensetzungen die angehängten Wörter ihre eigentliche Bedeutung verlieren oder zu verblassen drohen wie bei Stilpapst oder jetzt Orientierungsklaus, bekommen sie den Charakter eines Halbsuffixes. Tut mir Leid für alle Träger des Vornamens Klaus, dass sie zu Halbsuffixen verkommen sind, in der Bedeutung von kopf- oder orientierungslos. Dass dieser Prozess der Bedeutungsverschiebung und -absenkung gerade bei Vornamen vorkommt, wie es auch Fritz, Hans, Peter und Liese schon getroffen hat – Meckerfritze, Prahlhans, Nörgelpeter, Strickliese – ist ein interessantes Phänomen der Sprachentwicklung. Wer kennt weitere Beispiele?
EDIT – Beispiele aus den Kommentaren von unterschiedlichem Bekanntheitsgrad:
Bewegungsklaus (Nachweis Jan)
Butterhanne,
Krähhanne,
Kaffee-(Fernseh-/Mode-/Zeitschriften-/Tennis-/Schmuck)louie,
Vollhorst, (Nachweis amanita)
Körperklaus, (Nachweis spraakvansmaak)
Zimperliese,
(Nachweis frauhemingistunterwegs)
Grüßaugust,
Heulsuse,
Prozesshansel,
Hillbilly,
Lumberjack,
Plauderwastl (Wastl = Kurzform von Sebastian),
Hilfsschani (Schani = Diminutiv von Jean),
Hilfsschackl (von Jacques),
Streithansl,
(Nachweis nömix)
Autofritze,
Bummelliese,
Fernsehfritze,
Grinsepeter,
Kleckerliese,
Meckerfritze,
Meckerliese,
Miesepeter,
Schnatterliese,
Transuse,
Trödelliese,
Zappelphilipp,
(Nachweis feldlilie)
Kleckerhannes (Nachweis Videbitis)
Laberhannes (Nachweis Willi)
Berühmt ist wohl der Vollhorst😄Und die Krähhanne und der Kaffee-(Fernseh-/Mode-/Zeitschriften-/Tennis-/Schmuck)louie 😄
Zum Thema „Klaus“: Der stirbt nicht aus, er existiert derzeit nur in anderer Gestalt: Nico, Kolja, Niklas, Nicolai.
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„Vollhorst“ ist ja inzwischen so gängig, dass ich auch hätte drauf kommen müssen. Vielen Dank. „Krähhanne“ und „-louie“ sind mir kein Begriff, evtl. landschaftlich?
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Möglich. Der „Louie“ stammt vom (zur Napoleonzeit frz.) Niederrhein und die „Hanne“ aus Nordhessen (vgl. die berühmte Butterhanne aus Goslar, eine Schnitzerei aus dem 16. Jh., die eine in aufreizender Pose Butter rührende Dame darstellt)😄
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Butterhanne, vielen Dank für den Hinweis! Wieder was gelernt.
https://www.harzlife.de/bilder/butterhanne.html
Ich komme aus dem Rheinland nahe Köln, wo der franz. Einfluss stark ist, kannte das Halbsuffix -louie trotzdem nicht.
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Vielleicht ist der Louie out, seit Modern Talking ihn verhunzt hat „Brother Louie Louie Louiiiiiie“🤩
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Na der Körperklaus fällt mir da sofort ein, ein unförmiger und unproportionaler Körperbau.
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Alliteriert ja schön, doch hab ich noch nie gehört. Seit wann kennst du den Körperklaus?
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Den kenne ich schon länger, woher, kann ich dir leider nicht sagen.
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Bei „Otto“ geht es sogar ohne Kompositum. „Du Otto“ ist tendenziell etwas freundlicher als „Vollhorst“, irgendwo zwischen Trottel und Tollpatsch.
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Aus dem Rheinland kenne ich die Entsprechung „Tünnes“ (zu Anton). Ich glaube, das ist ein ähnliches, doch anderes Phänomen, wenn nämlich Namen zu Klassenbezeichnungen werden.
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Du bist sprachlich eine „Zimperliese“, aber hast natürlich wieder mal recht. 😉
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Zimperliese, klasse! Dankeschön
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Heulsuse, Grüßaugust, Prozesshansel, …
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Vielen Dank! Ist vermerkt.
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.. aus dem Amerikanischen: Hillbilly, Lumberjack
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Dankeschön, habs in die Liste aufgenommen.
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Mein Cousin, der in Australien aufwuchs, sagte mal, dort sage man „Sheila“ in Entsprechung zu unserer „Tussi“ (wobei die Tussi ja eigentlich auch eine abgekürzte Tusnelda ist)😊
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Danke für die Info. Es handelt sich um ein ähnliches, doch anderes Phänomen, wenn nämlich Namen zu Klassenbezeichnungen werden, wie oben beim von Andrea genannten Namen Otto
oder dem rheinländischen Tünnes.
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.. aus dem Österreichischen:
Plauderwastl (Wastl = Kurzform von Sebastian)
Hilfsschani (Schani = Diminutiv von Jean)
Hilfsschackl (von Jacques)
Streithansl
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Vielen Dank! Habs in die stattliche Liste aufgenommen.
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Transuse, Heulsuse, Trödelliese…. Und das Phänomen, seinen Kindern möglichst schreckliche…. Äh… einzigartige Namen zu geben, nennt sich Chantalismus und Kevinismus (nicht ganz offiziell, hat sich aber durchgesetzt).
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Oh wow… beim Suchen noch gefunden: Meckerliese, Trödelliese, Schnatterliese, Bummelliese, Kleckerliese (und so weiter. Die arme Liese hat es wirklich übel getroffen), Grinsepeter, Meckerfritze, Autofritze, Fernsehfritze (man lerne: Alle Handwerker heißen Fritz!), Zappelphilip, Miesepeter…
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Eine beachtliche Liste, liebe feldlilie. Vielen Dank! Chantalismus und Kevinismus finde ich schräg bis unmöglich, weil es die Träger solcher Namen verunglimpft, die sowieso benachteiligt sind, soweit ihre Eltern dem Prekariat angehören.. Über den Fall Kevin und wie der Name zum aberwitzigen Synonym wurde habe ich hier schon mal geschrieben. https://trittenheim.wordpress.com/2015/08/24/wenn-kevin-allen-am-liebsten-ist/
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Aber genau darum geht es doch bei diesen Namenverballhornungen. Die „Liese“ war nie ein Name für Königinnen, sondern für Bedienstete, die dann als „dumme Liese“ schlechtgemacht wurden. Ich glaube absolut nicht, dass alle „Liesen“ dumm waren, nur weil sie nicht in den Adelsstand hineingeboren wurden. Den Namen „Chantal“ habe ich als Kind geliebt. Und ich kenne einen super-klugen Kevin. Niemand sagt, dass das fair ist. Aber es IST so.
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Mich hat einfach immer geärgert, dass blöde Comedians mit Chanta-l und Kevin-Witzen ihr Geld verdienen. Das ist das Gegenteil von Satire, denn Satire tritt nicht nach unten. Wenn der Volksmund den Namen Liese herabwürdigt, ist das natürlich gewachsener Sprachgebrauch und nicht von irgendwelchen Deppen medial verbreitet worden.
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Ist ja auch doof. Aber die Verbreitung solcher „Ideen“ geht nun einmal heute schneller. Ich bin nicht sicher, ob man die dumme Liese als „gewachsenen Sprachgebrauch“ bezeichnen kann, wenn sie in Märchen vorkam, die den Menschen erzählt wurden, ebenso wie Hans im Glück, die fromme Helene oder Ilsebill. Das war genauso „menschengemacht“ wie das Kevin-Problem.
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Zur Kleckerliese gibt es ein männliches Pendant, den Kleckerhannes.
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Dankeschön, hab ihn in die LIste aufgenommen.
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Laberhannes == Dummschwätzer 🙂
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Vielen Dank, und schön wieder von dir zu lesen, lieber Willi.
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Hallo Jules, freut mich. Ich war nie ganz weg, aber auch nicht ganz da 😊🙋🏻♂️
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Nicht ganz zu klären ist, warum ein kleines dünnes Männeken in Wien als „Krischpinderl“ bezeichnet wird. Ich vermute, der Volksmund machte hier einen Mix aus „Christian“ und „kleine Spindel“, also einen „spindeldürren Chris“😄
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Pingback: Armer Paul
… damit war der heutige Tag quasi gerettet, weil ich einmal kurz und kraftvoll auf- und ablachen konnte… vielen Dank… und gute Auferstehung (oder so ähnlich)…
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