Das letzte Streichholz und mein Stövchen

Ich habe mir ein Stövchen gekauft. Es ist hübsch mit gläsernem Korpus und hat im Metalldeckel sechs Blütenblätter mit einem Stern in der Mitte, ist aber eine Fehlkonstruktion. Wenn ich die Teekanne drauf stelle, geht die Flamme am Teelicht aus. Man stelle sich mein bedröppeltes Gesicht vor. Seit Wochen sagte ich mir, hinter jeder Ecke lauert die Novemberdepression. Dagegen hülfe ein hübsches Stövchen, auf dem die Teekanne artig zischt. Denn ich trinke viel Tee, und was gibt es Anheimelnderes an trüben Novembertagen als eine Teekanne auf einem Stövchen, in dem ein Teelicht züngelt.

Züngelt! Verflucht! Und nicht ausgeht, Himmelsakra! Ein Stövchen, bei dem die Teekanne die Kerzenflamme erstickt, die Sie mit ihrem allerletzten Streichholz entzündet haben – an einem grauen Novembernachmittag, wenn der Tag sich zum Sterben anschickt, ist doch gerade das Gegenteil des Anheimelnden, für das die Dänen das gemütliche Wort hyggelig haben.

Ja, die Dänen, die haben wieder die Gemütlichkeit gepachtet. Aber mir verkauft man ein disfunktionales Stövchen. Ich habs ja auch nicht mit einem Schein bezahlt, dessen Aufdruck verblasst, sobald er in der Kassa liegt, und am Abend fände der Händler nur einen feuchten Lappen, so dass er betrübt nach Hause ginge und  Frau und Kinder erschösse, seine gesamte Familie auslöschen würde, weil ich ihm für sein teuer eingekauftes Stövchen einen falschen Fuffziger angedreht hätte.

Natürlich könnte ich in den Laden gehen und reklamieren. Doch ohne Teekanne funktioniert das Stövchen ja einwandfrei. Also müsste ich meine Teekanne mit in den Laden nehmen, um zu demonstrieren, was passiert. Man wird sagen: „Moment! Für diese Teekanne ist unser Stövchen nicht gemacht. Sie müssen eine passende Kanne vom gleichen Hersteller kaufen, dann klappts auch mit dem Teelicht.“
„Muss ich mir gleich einen neuen Hausstand anschaffen, nur weil ich ein Stövchen will, das tut, wozu man es braucht? Kaufen Sie sich etwa Schuhe und suchen sich dazu eine passende Wohnung, weil Sie mit den neuen Schuhen in der alten Wohnung nicht mehr durch die Tür kommen?“
„Das ist ja wohl weit hergeholt.“
„Aha! Weit hergeholt! Am Ende ist dieses Stövchen gar nicht von dieser Welt, sondern funktioniert nur auf Alpha Centauri.“
„Alpha Centauri ist ein Doppelsternsystem. Niemand lebt auf einem Stern und stellt ein Teelicht auf, erst recht nicht ins Stövchen.“
„Auch noch Klugscheißen. Werben Sie doch gleich mit dem Slogan: Unser patentes Stövchen erstickt ihr Teelicht von hier bis Alpha Centauri!, Sie Brathahn.

18 Kommentare zu “Das letzte Streichholz und mein Stövchen

  1. Ich habe auch kein Stövchen, das ärgert mich immer dann, wenn ich die feine Ostfriesenteemischung von Herr Putzig hervorhole. Dann stelle ich weiters fest, dass ich noch immer keine Teefilter aus Papier habe und den Teezucker nur aus der Kaffeezuckerdose nehmen kann. Das deprimiert mich bis in den Januar. Ich fühle mit dir.

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    • Zum Glück nicht bis in den Februar. „Feine Ostfriesenteemischung von Herr Putzig“ klingt schon mal schwerst hyggelig, so dass du schon mal das Wichtigste hast. Im Internet 1000 Anleitungen, ein Stövchen zu basteln, dann fehlt nicht mehr viel zur perfekten Hygge.

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    • Genau solche seitlichen Öffnungen fehlen an meinem. Ich hätte es mir vorher denken können, aber habe nicht darauf geachtet. Feuerzeuge habe ich nicht mehr, seit ich das Rauchen drangegeben habe. Streichhölzer sind aber viel romantischer, findest du nicht, liebe Serap? Deiner freundlichen Einladung zum Tee werde ich gerne folgen, wenn ich mal wieder in Hamburg (?) bin.

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      • Ja, die Öffnungen sind ganz wichtig. Wer das Stövchen konstruiert hat, muss tatsächlich nur eine ganz spezifische Kanne im Auge gehabt haben.
        Streichhölzer sind viel romantischer, das will ich gar nicht abstreiten, aber die findet man kaum noch oder ich habe mich mittlerweile so an Stabfeuerzeuge gewöhnt (ich bin nämlich eine Kerzenliebhaberin), dass mir Streichhölzer gar nicht mehr in den Regalen auffallen? Aber mein USB Stabfeuerzeug scheint langlebig zu sein, also vielleicht doch umweltfreundlicher? Hygge ist es jedoch zugegebenermaßen nicht.
        Einladung steht. Hamburg ist korrekt.
        Herzliche Grüße
        Serap

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  2. Lieber Jules. Wie ärgerlich! Stell das Stövchen in den Vorgarten. Einer mit passende Kanne soll es sich nehmen. Und hol ein anderes. Und reichlich Streichhölzer. Denn ein Stövchen im November ist wirklich etwas feines! Danke, dass du das nicht gleich gemacht hast. Sonst hätte ich ja nicht über das disfunktionale Stövchen lesen können und würde noch immer Leben auf Alpha Centauri vermuten. 😉

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  3. Wird das Flämmchen schlicht erstick,
    wahrlich, das ist nicht geschickt.
    Ist das Stövchen aber schön,
    lass es ohne Kanne steh’n,
    Benutz es wie ’nen Kerzenhalter,
    einfach so als Raumgestalter.
    Dir spendet’s warmes Flackerlicht
    am dunklen Tag, veracht es nicht.
    So kann auch unnütz Dingen,
    dir doch noch Freude bringen.

    Tätä, tätä, tschingbum.
    😉

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      • Den Tee, mein Lieber, halt nicht warm,
        genieß‘ ihn frisch, just aufgegossen,
        verhungert nicht am langen Arm.
        Zeremoniell wird er genossen.
        Denk an Ostfriesland oder Japan,
        gleich nach dem Aufguss nipp‘ daran.
        Dann ist er herrlich, ist er fein,
        ganz frisch will er getrunken sein.

        😉

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  4. Auch ich habe seit Jahren ein gläsernes Stövchen ohne seitliche Öffnung. Eiin paar winzige Löcher sind rundum drin, aber mit Einbuchtungen, die wohl den letztmöglichen Luftzug auch noch verhindern. Lieber Jules, nun, da ich von Deinem Stövchen weiß, und es unter „Surrealer Alltag“ abgestellt finde, kann ich über meinen Fehlkauf lachen. Ein Stückchen surrealer Alltag gehört einfach in jeden Haushalt!
    (Der verblassende Geldschein … haha, genau!)

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